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Literaturforum: Johannes Robert Becher


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Forum > Literaturgeschichte & -theorie > Johannes Robert Becher
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 Thema: Johannes Robert Becher
Jasmin
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10. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 03.11.2005 um 15:25 Uhr

Zitat:

Ich lese gerade Bechers Gedichtsammlung "An Europa" von 1916. Zu dieser Zeit ist der Dichter jung, wagt etwas sehr eigenständiges, ist genial.


Sehr sprachgewaltig. - Du schreibst, Becher wage hier etwas sehr eigenständiges und ich habe mich beim Lesen gefragt, welche Dichter Becher wohl beeinflusst haben mögen in seinem Schaffen. Weißt Du etwas darüber?

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Kenon
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11. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 03.11.2005 um 15:54 Uhr

Diese Nachricht wurde von Arne um 15:56:12 am 03.11.2005 editiert

Der erste Dichter, mit dem Becher in Berührung kam, war Richard Dehmel, dem er auch einmal seine Gedichte sandte. Bei einem Treffen riet Dehmel Becher (vermutlich, weil seine Eltern die Brief-Korrespondenz überwachten und Kontakt zu Dehmel aufnahmen) davon ab, seine literarischen Ambitionen weiter zu verfolgen. Elemente von Dehmels Dichtung habe ich bei Becher bisher nicht wiederfinden können, der Herr hatte auch, wie ich meine, einen sehr reservierten Stil, wohingegen sich Becher ja gerade in seinen frühen Gedichten oft als manisch-stürmender Lyriker produziert hat. Ein anderer Einfluss - der Zündfunke einer ganzen Dichtergeneration - war Jakob van Hoddis, insbesondere das Gedicht "Weltende", dem Becher später in einem eigenen Gedicht huldigt. Immer wieder Erwähnung findet auch Pindar.

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Kenon
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12. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 05.02.2006 um 18:03 Uhr

Der späte Becher, längst jenseits formalistischer Inhaltsleere:

Zitat:

Turm zu Babel

Das ist der Turm von Babel,
Er spricht in allen Zungen.
Und Kain erschlägt den Abel
Und wird als Gott besungen.

[...]

Gerüchte aber schwirren,
Die Wahrheit wird verschwiegen.
Die Herzen sich verwirren –
So hoch sind wir gestiegen!

Das Wort wird zur Vokabel,
Um sinnlos zu verhallen.
Es wird der Turm zu Babel
Im Sturz zu nichts zerfallen.

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Kenon
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13. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 22.05.2006 um 00:25 Uhr

Heute ist der 115. Geburtstag von Johannes R. Becher. Der NDR bringt eine kurze Radio-Sendung zum Thema:

Geburtstag des Schriftstellers u. DDR-Kultusministers Johannes R. Becher

Sendezeit: heute von 20.15 bis 20.30 Uhr.

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Namesi
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14. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 22.05.2006 um 13:48 Uhr

Nur ein Splitter zu Becher:

Am vergangenen Sonntag stellte Manfred Flügge in der Inforadio-RBB-Sendung "Quergelesen" seine Biografie von Heinrich Mann vor und bezeichnete dort Becher als "Führungsoffizier" Heinrich Manns in dessen "kommunistischer Lebensphase". Leider war ich durch mein Frühstücksei abgelenkt, so dass ich mich an nichts Genaueres mehr erinnern kann.


Wer ohne Narrheit lebt, ist nicht so weise wie er glaubt (La Rochefoucauld)
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Kenon
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15. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 22.05.2006 um 18:22 Uhr

Zitat:

und bezeichnete dort Becher als "Führungsoffizier" Heinrich Manns in dessen "kommunistischer Lebensphase"

Das riecht ein wenig nach Polemik. Fakt ist, dass Becher gegen Mitte der 30er Jahre antifaschistische Kulturkräfte bündeln wollte und selbstverständlich auch Bürgerliche in das Vorhaben mit einbezog, um eine möglichst breite Front gegen den Hitlerismus zu schaffen.

Selbst Thomas Mann hat sich lobend über den Becher dieser Zeit geäußert:

Zitat:

Ich halte es [d.i. "Der Glückssucher"] für ein großes Buch - wahrscheinlich ist es das repräsentative Gedichtbuch unserer Zeit und unseres schweren Erlebens.

Heinrich Mann zum selben Buch:

Zitat:

Ihre Gedichte verdienen höchste Achtung und Bewunderung. Sie machen reine Poesie aus den realen Tatsachen der Zeit.

Wer Becher auf seine Rolle als DDR-Kultusminister und KPD-Mitglied reduziert, tut ihm ein großes Unrecht an. In erster Linie, so schrieb er es in seinem Testament, sei er ein deutscher DICHTER gewesen, und er schrieb darin ebenfalls, dass er gern sein Vermögen, sollte seine Frau nichts dagegen einzuwenden haben, für die Unterstützung echter Dichter, nicht reimender Agitatoren stiften möchte...

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LX.C
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16. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 22.05.2006 um 22:15 Uhr

"Wir werden es Heinrich Mann nicht ersparen: wir werden "Nein" sagen, zu manchen von seinen Ideen und Verkündungen. Aber wir achten und ehren den tapferen antifaschistischen Kämpfer", so Johannes R. Becher in seiner Rede am 26.08.1934 auf dem I. Allunionskongress in Moskau, in der es darum ging, Überzeugungsarbeit zu leisten, auch nicht kommunistische antifaschistische Kräfte für eine starke und wirkungsvolle Einheitsfront bündeln zu müssen. Es lässt sich aber auch nicht verschweigen, dass er stets davon ausging, dass diese sich in letzter Konsequenz für den Kommunismus entscheiden müssten, denn für Becher bedeutete ein freies Deutschland, ein kommunistisches Deutschland. Klaus Mann war übrigens anwesend. Heinrich sagte, wenn ich mich recht erinnere, ab.

Quelle des Zitates: Schmitt, Hans-Jürgen / Schramm, Godehard: Sozialistische Realismuskonzeption, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1974, S. 254.


.
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Kenon
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17. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 22.05.2006 um 22:29 Uhr

Diese Nachricht wurde von Kenon um 22:31:06 am 22.05.2006 editiert

Zitat:

Wir werden es Heinrich Mann nicht ersparen: wir werden "Nein" sagen, zu manchen von seinen Ideen und Verkündungen.

Ich glaube, damit hat er unter anderem den Roman "Der Untertan" gemeint. Ich müsste aber länger nachlesen, um das belegen zu können.

Zitat:

Es lässt sich aber auch nicht verschweigen, dass er stets davon ausging, dass diese sich in letzter Konsequenz für den Kommunismus entscheiden müssten

Ahja, das ist das alte Problem: Kein Religiöser, Politischer, Süchtiger, der für sein Laster nicht missioniert, der nicht die ganze Welt damit infizieren möchte.

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LX.C
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18. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 22.05.2006 um 22:41 Uhr

Ich sehe darin kein Problem, aus der Distanz heraus, ich sehe nur diesen Fakt. Das war immerhin eine bessere Auffassung, als alle nicht kommunistischen (insbesondere die nicht proletarisch-revolutionären) Schriftsteller mit den Faschisten in einen Topf zu werfen, so wie es die sogenannten Orthodoxen (also jene Schriftsteller, die das marxistisch-leninistisch-stalinistische Dogma in strengster Form vertraten) zu diesem Zeitpunkt am liebsten getan hätten.


.
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Kenon
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19. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 22.05.2006 um 22:52 Uhr

Zitat:

Das war immerhin eine bessere Auffassung, als alle nicht kommunistischen (insbesondere die nicht proletarisch-revolutionären) Schriftsteller mit den Faschisten in einen Topf zu werfen, so wie es die sogenannten Orthodoxen (also jene Schriftsteller, die das marxistisch-leninistisch-stalinistische Dogma in strengster Form vertraten) zu diesem Zeitpunkt am liebsten getan hätten.

Eine strategische Allianz.

Mit dem Untertan habe ich mich vertan, Becher hatte Heinrich Mann als
Zitat:

Untertan verhöhnt, weil dieser Hindenburg für den Damm hielt, der Hitlers Reichspräsidentschaft aufhalten könne.

Quelle: Jens-Fietje Dwars: Abgrund des Widerspruchs. Das Leben des Johannes R. Becher. Berlin 1998, S.381.

Aber das ist sicherlich eh wurscht.

Bechers Grabinschrift lautet übrigens - man sie kann ob der Verwitterung ja nicht mehr lesen -

Vollendung träumend hab ich
mich vollendet,
Wenn auch mein Werk nicht
als vollendet endet.
Denn das war meines Werkes
heilige Sendung:
Dienst an der Menschheit
künftiger Vollendung.


Aber das ist sicherlich eh wurscht. (Refrain)

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