Mit fahlem Licht begann dieser Morgen. Tibor, ein Mann gerade aus dem Jugendalter herausgewachsen, sollte eine kriegerische Ausbildung am Hof der Bréschènia beginnen. Er war vierundzwanzig Jahre alt und hatte sich, um älter zu wirken, seinen dunklen Bart zwei Tage lang nicht rasiert. Während seiner bedrückenden Wartezeit vor mächtigen Holztoren ergriff die morgendliche Frische seinen fröstelnden Körper unter der einfachen Kluft der Krieger. Hinter den dicken Mauern schien niemand anwesend zu sein, nur abwartende Stille herrschte. Unruhig und aufgewühlt wie ein Knabe war Tibor zu früh gekommen. Aber allein auf dem leeren Ausbildungsplatz mächtiger Kämpfer zu erscheinen, war für ihn undenkbar. Sein Onkel, ein Waffenschmied im Dienst des Königs hatte für ihn vorgesprochen und sein kriegerisches Talent gelobt. Dank dieser Worte durfte Tibor von heute an dabei sein. Seine anstrengenden Vorstellungen von dem Ort und dessen Angehörigen raubten ihm seit Tagen den Schlaf. Er fürchtete sich vor seiner eigenen Enttäuschung, wenn er den Erwartungen nicht entsprechen sollte. Allein zu wissen, dass die Prinzessin den Unterricht der Krieger selbst überwachte, schnürte ihm den Magen zu. Die Leute erzählten sich, dass Mronda und ihr Bruder Ergon, der Prinz, sich gelegentlich in der Stadt im Volk aufhielten, ohne dass jeder wusste, um wen es sich handelte. Vielleicht war Tibor ihr schon einmal begegnet? Man sagte ihr eine ungewöhnliche Schönheit nach, doch wie konnte so eine Frau seiner Wenigkeit Beachtung schenken? Im Augenblick blieb dem jungen Mann nichts anderes übrig, als mit mühsam unterdrückter Unruhe abzuwarten.
Die Stille des Morgens zerbrach plötzlich unter eiligen Schritten, die sich seinem Standort näherten. Er presste nervös die Lippen aufeinander und erwartete die herankommenden Männer.
„Ah, ein Neuer!“, rief der Jüngere von den beiden zur Begrüßung aus. Seine Wangen waren vom eiligen Lauf gerötet, er schlug Tibor derb kameradschaftlich auf die rechte Schulter.
„Junge, warum bist du nicht rein gegangen?“ Noch bevor Tibor eine Erklärung stammeln konnte, pochte der Mann ein paar Mal mit der Faust gegen das dumpfe Holz.
„Wir sind beinahe zu spät dran, du hättest reingehen sollen“, sprach der Ältere und atmete schnell. Tibor nickte ihm zur Begrüßung zu und wollte etwas sagen, der andere ließ ihn aber nicht dazu kommen und sprach: „Mronda verabscheut Unpünktlichkeit!“ Tibor bemerkte, wie ihm beklommen das Blut aus dem Gesicht wich, und schluckte unbehaglich.
„Am besten wäre, vor ihr im Waffenhof zu erscheinen, aber das ist unmöglich. Dies mag dir an deinem ersten Tag gelingen, doch die Chance hast du vertan. Ab Morgen werden dir die Knochen derartig schmerzen, dass jeder Atemzug, den du länger im warmen Bettlager verbringen kannst, ein purer Genuss sein wird“, sagte der Ältere und atmete tief durch.
„Mein Name ist Tainor und der alte Übertreiber nennt sich Wegenor!“, rief sein Begleiter aus und blickte angriffslustig von einem zum anderen. Weitere Schritte hallten in den Gassen auf.
„Angeber …“, brummte Wegenor und sah verärgert weg, aber Tainor setzte noch eins drauf: „Gib einfach zu, dass du für die Schule zu alt bist!“ Geschwind wie ein Raubtier fuhr der Angegriffene auf, packte Tainor den Provokant am Kragen und donnerte seinen Rücken gegen die Holztür, dass es krachte. Tibor schrie überrascht auf, wollte sich zwischen die beiden werfen, als die anderen Männer herbei gestürmt waren und die Rauferei als eine erfrischende Abwechslung begrüßten. Füße scharrten, Staub wirbelte auf, Tibor steckte Hiebe ein und verteilte welche, verlor fast sein Gleichgewicht und raffte sich sofort mit erhitztem Kopf auf, als die Tore geöffnet wurden und die versammelte Gemeinschaft mit eiligen Schritten ins Innere des Hofes stürmte. Mit dem Handrücken wischte er sich über die Nase und warf einen prüfenden Blick darauf, ob er nicht blutete, während er den anderen folgte. Manche der Anwesenden hatten fast das Alter seines Vaters erreicht, er gehörte zu den Jüngsten. Rasch positionierten sich alle Männer in ein exaktes Schema, jeder schien seinen Platz zu kennen, wobei Tibor sich so unauffällig wie möglich einen Platz weit hinten in der linken Flanke des Feldes suchte. Vor den Kriegern standen acht mächtige Soldaten vollbewaffnet, Diener warteten auf ihre Dienste im Hintergrund und sie kam mit abgemessenen Schritten, donnernden Stiefeln hervor getreten, Mronda, Tochter des Herrschers der Bréschènia. Ihr strenger Blick wanderte über die Gesichter der versammelten Truppe. Ihr helles, verschlossenes Gesicht von störender Schönheit überragte etwas die Soldaten zu ihrer Seite und ließ ihre schwarze Bekleidung noch düsterer erscheinen. Nichts in diesem Hof entging ihren graublauen Augen. Unwillkürlich senkte Tibor seinen Blick, um kurz darauf wieder aufzuschauen als wolle er sich vergewissern, ob seine Sinne ihm nicht einen Streich spielten. Zwischen den Reihen herrschte eine unterdrückte Spannung, denn jener Gewaltausbruch eben vor dem Tor widersprach jeder Disziplin und konnte in keiner Schule toleriert werden. Der Soldat zu ihrer Rechten hob seine Lanze kurz an, das Signal dafür, dass der morgendliche Gruß ausgesprochen werden durfte. Wie eine mächtige Welle ertönte kurz und einheitlich der versammelte Chor der Männerstimmen zwischen den Mauern.
„Seid gegrüßt, Bréschènia!“ Ein Schauer durchlief Tibors Körper.
Sie müssen bei guter Laune sein, wenn sie sich wie Knaben auf eine Prügelei einlassen, dachte Mronda, und die werden sie brauchen. Jeden Morgen hetzten sie im letzten Augenblick an der Grenze der Unpünktlichkeit an.
...
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Die Stille des Morgens zerbrach plötzlich unter eiligen Schritten, die sich seinem Standort näherten. Er presste nervös die Lippen aufeinander und erwartete die herankommenden Männer.
„Ah, ein Neuer!“, rief der Jüngere von den beiden zur Begrüßung aus. Seine Wangen waren vom eiligen Lauf gerötet, er schlug Tibor derb kameradschaftlich auf die rechte Schulter.
„Junge, warum bist du nicht rein gegangen?“ Noch bevor Tibor eine Erklärung stammeln konnte, pochte der Mann ein paar Mal mit der Faust gegen das dumpfe Holz.
„Wir sind beinahe zu spät dran, du hättest reingehen sollen“, sprach der Ältere und atmete schnell. Tibor nickte ihm zur Begrüßung zu und wollte etwas sagen, der andere ließ ihn aber nicht dazu kommen und sprach: „Mronda verabscheut Unpünktlichkeit!“ Tibor bemerkte, wie ihm beklommen das Blut aus dem Gesicht wich, und schluckte unbehaglich.
„Am besten wäre, vor ihr im Waffenhof zu erscheinen, aber das ist unmöglich. Dies mag dir an deinem ersten Tag gelingen, doch die Chance hast du vertan. Ab Morgen werden dir die Knochen derartig schmerzen, dass jeder Atemzug, den du länger im warmen Bettlager verbringen kannst, ein purer Genuss sein wird“, sagte der Ältere und atmete tief durch.
„Mein Name ist Tainor und der alte Übertreiber nennt sich Wegenor!“, rief sein Begleiter aus und blickte angriffslustig von einem zum anderen. Weitere Schritte hallten in den Gassen auf.
„Angeber …“, brummte Wegenor und sah verärgert weg, aber Tainor setzte noch eins drauf: „Gib einfach zu, dass du für die Schule zu alt bist!“ Geschwind wie ein Raubtier fuhr der Angegriffene auf, packte Tainor den Provokant am Kragen und donnerte seinen Rücken gegen die Holztür, dass es krachte. Tibor schrie überrascht auf, wollte sich zwischen die beiden werfen, als die anderen Männer herbei gestürmt waren und die Rauferei als eine erfrischende Abwechslung begrüßten. Füße scharrten, Staub wirbelte auf, Tibor steckte Hiebe ein und verteilte welche, verlor fast sein Gleichgewicht und raffte sich sofort mit erhitztem Kopf auf, als die Tore geöffnet wurden und die versammelte Gemeinschaft mit eiligen Schritten ins Innere des Hofes stürmte. Mit dem Handrücken wischte er sich über die Nase und warf einen prüfenden Blick darauf, ob er nicht blutete, während er den anderen folgte. Manche der Anwesenden hatten fast das Alter seines Vaters erreicht, er gehörte zu den Jüngsten. Rasch positionierten sich alle Männer in ein exaktes Schema, jeder schien seinen Platz zu kennen, wobei Tibor sich so unauffällig wie möglich einen Platz weit hinten in der linken Flanke des Feldes suchte. Vor den Kriegern standen acht mächtige Soldaten vollbewaffnet, Diener warteten auf ihre Dienste im Hintergrund und sie kam mit abgemessenen Schritten, donnernden Stiefeln hervor getreten, Mronda, Tochter des Herrschers der Bréschènia. Ihr strenger Blick wanderte über die Gesichter der versammelten Truppe. Ihr helles, verschlossenes Gesicht von störender Schönheit überragte etwas die Soldaten zu ihrer Seite und ließ ihre schwarze Bekleidung noch düsterer erscheinen. Nichts in diesem Hof entging ihren graublauen Augen. Unwillkürlich senkte Tibor seinen Blick, um kurz darauf wieder aufzuschauen als wolle er sich vergewissern, ob seine Sinne ihm nicht einen Streich spielten. Zwischen den Reihen herrschte eine unterdrückte Spannung, denn jener Gewaltausbruch eben vor dem Tor widersprach jeder Disziplin und konnte in keiner Schule toleriert werden. Der Soldat zu ihrer Rechten hob seine Lanze kurz an, das Signal dafür, dass der morgendliche Gruß ausgesprochen werden durfte. Wie eine mächtige Welle ertönte kurz und einheitlich der versammelte Chor der Männerstimmen zwischen den Mauern.
„Seid gegrüßt, Bréschènia!“ Ein Schauer durchlief Tibors Körper.
Sie müssen bei guter Laune sein, wenn sie sich wie Knaben auf eine Prügelei einlassen, dachte Mronda, und die werden sie brauchen. Jeden Morgen hetzten sie im letzten Augenblick an der Grenze der Unpünktlichkeit an.
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