Verwandte drüben gab es bei mir nicht. Solange die DDR bestand, machte ich hin und wieder einen Tagesbesuch in Ost-Berlin. Außerdem durchquerte ich beim Transit oft dieses fremde Staatsgebiet. Es ergaben sich nur selten nähere Kontakte zu den Einheimischen. Welche tieferen Einblicke kann man so gewinnen?
Wie viele Besucher der Hauptstadt der DDR machte auch ich die Bekanntschaft Devisenhungriger. In meinen Fall waren es zwei junge Männer, die mich am Alexanderplatz ansprachen und über lange Zeit wortreich beknieten, ihnen doch zu einem für mich sehr vorteilhaften Wechselkurs DDR-Mark in D-Mark zu wechseln. Und es sei überhaupt kein Problem, nicht ausgegebene Ostwährung bei der Ausreise ganz legal wiederumzurubeln. Diesen Unsinn, verbunden mit einer langen Lügengeschichte, schwatzten sie mir zwar vor, doch nicht auf, so sympathisch sie im Übrigen auch wirkten.
Eine ähnliche Begegnung auf einem Parkplatz an der Autobahn zwischen Berlin und Magdeburg. Wir hätten da womöglich gar nicht halten dürfen, vielleicht wollte der Fahrer nach dem Motor sehen. Da kam ein junger Bursche, ein wenig verwildert, wie unter starkem Druck stehend, aus dem Gebüsch auf uns zu, bat um Westgeld, nicht gewechselt, sondern geschenkt. Wir waren auf der Hut und lehnten gleich ab. Er verdrückte sich sofort.
Mit Freunden war ich einmal zum Kaffeetrinken bei einem Brieffreund von einem von uns. Es war in einem Ost-Berliner Vorort, Kaulsdorf-Süd, glaube ich. Der Gastgeber war ein Orchestermusiker in mittleren Jahren. Wir saßen im Garten, umgeben von seiner Familie und Verwandtschaft. Die Gespräche waren lebhaft, offen, freimütig. Der Musiker fing selbst davon an, von einer möglichen Flucht zu sprechen. Ab und zu reise er ja mit dem Orchester ins westliche oder neutrale Ausland - wenn er einfach wegbliebe? Na ja, sagte er, er habe eben Familie, zuckte mit den Achseln und ging zu etwas anderem über.
Am meisten hat mich das Folgende beeindruckt. Ich kam von Kopenhagen und landete auf dem DDR-Flughafen Schönefeld. Eben war auch eine Maschine aus Budapest angekommen, mit vielen DDR-Bürgern. Die Pass- und Zollkontrollen für den Transit nach West-Berlin einerseits und die Einreise in die DDR andererseits erfolgten natürlich an verschiedenen Schaltern. Sie waren nicht weit voneinander entfernt, und ich konnte von meiner kleinen Schlange die größere drüben beobachten – und wie die Amtspersonen jeweils mit den Wartenden umgingen. Die Behandlung hätte kaum unterschiedlicher sein können. Während wir Westler distanziert-korrekt und durchaus höflich abgefertigt wurden, herrschte innerstaatlich ein ganz anderer Umgangston. Da wurde durchweg barsch aufgefordert und nicht selten auch kurz angeschnauzt, so dass man kaum glaubte, was man hörte und sah … Und die ließen sich das, ohne zu murren, alles gefallen? Und bekamen dabei mit, wie ganz anders international die Sitten waren?
Ich wähle einen Vergleich, um den Eindruck dieser Schönefelder Szene zu vermitteln: Stellen Sie sich eine Schafherde vor, um die ein Hütehund bellend herumspringt. Er hat nur eins im Sinn: die Herde gemäß den Befehlen seines Herrn beisammen zu halten und in die gewünschte Richtung zu drängen. Dass ihm ja keines ausbüchst oder Sonderwege einschlägt. Und in seinen Mitteln ist er nicht wählerisch, beißt auch schon mal in die Hinterläufe. Hauptsache, sie spuren.
Man kann es auch gehobener ausdrücken. Die DDR pflegte im Umgang mit den eigenen Bürgern gewisse preußische Tugenden. Wie Fontane mal sagte: Stramm, stramm, alles über einen Kamm. Oder Tucholsky über die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg: Das Land war ein einziger Kasernenhof.
Alles vorbei und Geschichte, klar. Aber was ist nachher aus den Schäferhunden und –hündinnen geworden? Keiner mehr da zum Schurigeln? Und wie haben sich die Schafe von damals später entwickelt? Ach, das ist ein zu weites Feld … Mir scheint, einige von ihnen – nur wenige, hoffe ich - haben selbst Lust bekommen, den Schäferhundepart zu übernehmen. Ein Elend ist es zuweilen mit früher Prägung.
Wie viele Besucher der Hauptstadt der DDR machte auch ich die Bekanntschaft Devisenhungriger. In meinen Fall waren es zwei junge Männer, die mich am Alexanderplatz ansprachen und über lange Zeit wortreich beknieten, ihnen doch zu einem für mich sehr vorteilhaften Wechselkurs DDR-Mark in D-Mark zu wechseln. Und es sei überhaupt kein Problem, nicht ausgegebene Ostwährung bei der Ausreise ganz legal wiederumzurubeln. Diesen Unsinn, verbunden mit einer langen Lügengeschichte, schwatzten sie mir zwar vor, doch nicht auf, so sympathisch sie im Übrigen auch wirkten.
Eine ähnliche Begegnung auf einem Parkplatz an der Autobahn zwischen Berlin und Magdeburg. Wir hätten da womöglich gar nicht halten dürfen, vielleicht wollte der Fahrer nach dem Motor sehen. Da kam ein junger Bursche, ein wenig verwildert, wie unter starkem Druck stehend, aus dem Gebüsch auf uns zu, bat um Westgeld, nicht gewechselt, sondern geschenkt. Wir waren auf der Hut und lehnten gleich ab. Er verdrückte sich sofort.
Mit Freunden war ich einmal zum Kaffeetrinken bei einem Brieffreund von einem von uns. Es war in einem Ost-Berliner Vorort, Kaulsdorf-Süd, glaube ich. Der Gastgeber war ein Orchestermusiker in mittleren Jahren. Wir saßen im Garten, umgeben von seiner Familie und Verwandtschaft. Die Gespräche waren lebhaft, offen, freimütig. Der Musiker fing selbst davon an, von einer möglichen Flucht zu sprechen. Ab und zu reise er ja mit dem Orchester ins westliche oder neutrale Ausland - wenn er einfach wegbliebe? Na ja, sagte er, er habe eben Familie, zuckte mit den Achseln und ging zu etwas anderem über.
Am meisten hat mich das Folgende beeindruckt. Ich kam von Kopenhagen und landete auf dem DDR-Flughafen Schönefeld. Eben war auch eine Maschine aus Budapest angekommen, mit vielen DDR-Bürgern. Die Pass- und Zollkontrollen für den Transit nach West-Berlin einerseits und die Einreise in die DDR andererseits erfolgten natürlich an verschiedenen Schaltern. Sie waren nicht weit voneinander entfernt, und ich konnte von meiner kleinen Schlange die größere drüben beobachten – und wie die Amtspersonen jeweils mit den Wartenden umgingen. Die Behandlung hätte kaum unterschiedlicher sein können. Während wir Westler distanziert-korrekt und durchaus höflich abgefertigt wurden, herrschte innerstaatlich ein ganz anderer Umgangston. Da wurde durchweg barsch aufgefordert und nicht selten auch kurz angeschnauzt, so dass man kaum glaubte, was man hörte und sah … Und die ließen sich das, ohne zu murren, alles gefallen? Und bekamen dabei mit, wie ganz anders international die Sitten waren?
Ich wähle einen Vergleich, um den Eindruck dieser Schönefelder Szene zu vermitteln: Stellen Sie sich eine Schafherde vor, um die ein Hütehund bellend herumspringt. Er hat nur eins im Sinn: die Herde gemäß den Befehlen seines Herrn beisammen zu halten und in die gewünschte Richtung zu drängen. Dass ihm ja keines ausbüchst oder Sonderwege einschlägt. Und in seinen Mitteln ist er nicht wählerisch, beißt auch schon mal in die Hinterläufe. Hauptsache, sie spuren.
Man kann es auch gehobener ausdrücken. Die DDR pflegte im Umgang mit den eigenen Bürgern gewisse preußische Tugenden. Wie Fontane mal sagte: Stramm, stramm, alles über einen Kamm. Oder Tucholsky über die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg: Das Land war ein einziger Kasernenhof.
Alles vorbei und Geschichte, klar. Aber was ist nachher aus den Schäferhunden und –hündinnen geworden? Keiner mehr da zum Schurigeln? Und wie haben sich die Schafe von damals später entwickelt? Ach, das ist ein zu weites Feld … Mir scheint, einige von ihnen – nur wenige, hoffe ich - haben selbst Lust bekommen, den Schäferhundepart zu übernehmen. Ein Elend ist es zuweilen mit früher Prägung.