Als meine Eltern alt wurden, entwickelten sie eine seltsame Vorliebe für halbwilde Katzen. Vielleicht hing das mit mir zusammen. Ich glaube, insgeheim war auch ich für sie eine Art streunender Kater, der nur selten nach Hause kam und draußen in der Welt in ihnen unverständliche Abenteuer verwickelt war.
Ich kam wieder einmal zu Besuch. Es war Weihnachten. Meine Mutter hatte mir schon im Sommer geschrieben, ihnen seien zwei junge Kater zugelaufen. Ich erkundigte mich jetzt nach ihnen. Konnte ich sie sehen, mit ihnen spielen?
Spielen auf keinen Fall, sie sind ja nicht zahm ... Sie sind jetzt nicht da. Aber heute Abend kommen sie bestimmt, wenn ich sie füttere. Sie kommen jeden Morgen und jeden Abend an die Kellertür, dort kriegen sie ihr Fressen. Ich koche ihnen Haferflocken, es gibt auch mal Hühnerfleisch.
Wo kommen sie denn her? Und was habt ihr davon, wilde Katzen zu füttern? Wegen der Mäuse?
Meine Mutter erzählte mir die ganze Geschichte. Eine verwilderte Hauskatze habe sie im Vorjahr hier im Gebüsch, nicht weit vom Haus, zur Welt gebracht. Du weißt ja, wie das ist, sagte meine Mutter, wenn sie trächtig sind und man ihnen die Kleinen schon öfter weggenommen hat, dann verschwinden sie gern. - Ja, sie selbst hatte schon so manchen Wurf beseitigt. Wie stellte sie das eigentlich an, ertränkte sie sie? Ich wollte lieber nicht fragen. Auf jeden Fall war meine Mutter eine dutzendfache Katzenmörderin. Und jetzt fütterte sie verwilderte Kater, die durchgekommen waren. Die Menschen sind oft inkonsequent in ihren Handlungen.
Sie fuhr fort: Die Mutter scheint bald umgekommen zu sein. Und die zwei da sind hier bei uns im Gelände geblieben, immer zusammen. Seit dem Frühjahr kommen sie näher ans Haus heran. Der eine von ihnen hinkt, ist wohl schon einmal in ein Fangeisen geraten. Wir geben ihnen zu fressen, sie haben sich daran gewöhnt. Aber natürlich sind sie scheu, sie lassen sich nicht anfassen. Wenn wir im Sommer abends im Garten gearbeitet haben, sind sie die Pfade zwischen den Beeten auf und ab spaziert. Da haben wir doch wieder einmal Gesellschaft gehabt ... Sie sprach nicht weiter. Sollte das eine Anspielung sein? Ja, als einziger Sohn hätte ich nicht fortgehen dürfen, das meinten sie doch und davon würden sie auch nicht mehr abgehen.
Jetzt im Winter schliefen die beiden Kater unter dem Hausvordach in einer ausrangierten Hundehütte. Meine Eltern hatten sie mit Stroh und Säcken ein wenig gegen die Kälte ausgepolstert.
Am Abend stellte ich mich im Souterrain hinter der Tür auf, um sie beim Fressen zu beobachten. Sie sahen wie gewöhnliche Hauskatzen aus, schwarz und weiß in unterschiedlichen Anteilen, recht hübsche und ziemlich kräftige Tiere. Die engmaschige Gardine verhinderte, dass sie mich sehen konnten. Vielleicht hatte ich doch ein Geräusch verursacht. Der eine der beiden hob den schön gezeichneten Kopf und lief dann mühsam den leichten Hang hinter dem Haus hinauf. In der Tat hinkte er stark. Nach fünfzig Metern blieb er stehen, um den Bruder am Napf zu beobachten. Der Bruder, viel weniger ängstlich und in keiner Weise behindert, hätte weiterfressen können. Stattdessen sah er hinauf zu dem Gefährten und als der nicht zurückkam, lief er zu ihm. Er lockte ihn leise maunzend und den Kopf hin- und herrollend allmählich zum Napf zurück. Dann fraßen beide einträchtig weiter. Der Lahme nahm sich im weiteren Verlauf gewisse Vorrechte heraus. Gelegentlich drückte er den Kopf des Bruders vom Napf weg, und der Gesunde ließ es sich gefallen. Es berührte mich seltsam, dass Tiere, die kaum vom Menschen geprägt waren, so miteinander umgingen. Es war für mich ein Beispiel der umfassenden natürlichen oder kreatürlichen Güte, die wir überall entdecken können, nicht nur in der Menschenwelt.
Im Jahr darauf waren sie auf einmal verschwunden. Der Hinkende kam nie mehr zurück. Der andere schleppte sich, als sie schon drei Tage vermisst waren, furchtbar zugerichtet ans Haus heran. Er hatte seine letzten Kräfte eingesetzt, um sich aus einer Falle zu befreien. Nun erst war er bereit, ins Haus zu kommen. Meine Mutter ließ ihn in die Garage, wo er noch einige Stunden schrie und am anderen Tag verendete.
Ich kam wieder einmal zu Besuch. Es war Weihnachten. Meine Mutter hatte mir schon im Sommer geschrieben, ihnen seien zwei junge Kater zugelaufen. Ich erkundigte mich jetzt nach ihnen. Konnte ich sie sehen, mit ihnen spielen?
Spielen auf keinen Fall, sie sind ja nicht zahm ... Sie sind jetzt nicht da. Aber heute Abend kommen sie bestimmt, wenn ich sie füttere. Sie kommen jeden Morgen und jeden Abend an die Kellertür, dort kriegen sie ihr Fressen. Ich koche ihnen Haferflocken, es gibt auch mal Hühnerfleisch.
Wo kommen sie denn her? Und was habt ihr davon, wilde Katzen zu füttern? Wegen der Mäuse?
Meine Mutter erzählte mir die ganze Geschichte. Eine verwilderte Hauskatze habe sie im Vorjahr hier im Gebüsch, nicht weit vom Haus, zur Welt gebracht. Du weißt ja, wie das ist, sagte meine Mutter, wenn sie trächtig sind und man ihnen die Kleinen schon öfter weggenommen hat, dann verschwinden sie gern. - Ja, sie selbst hatte schon so manchen Wurf beseitigt. Wie stellte sie das eigentlich an, ertränkte sie sie? Ich wollte lieber nicht fragen. Auf jeden Fall war meine Mutter eine dutzendfache Katzenmörderin. Und jetzt fütterte sie verwilderte Kater, die durchgekommen waren. Die Menschen sind oft inkonsequent in ihren Handlungen.
Sie fuhr fort: Die Mutter scheint bald umgekommen zu sein. Und die zwei da sind hier bei uns im Gelände geblieben, immer zusammen. Seit dem Frühjahr kommen sie näher ans Haus heran. Der eine von ihnen hinkt, ist wohl schon einmal in ein Fangeisen geraten. Wir geben ihnen zu fressen, sie haben sich daran gewöhnt. Aber natürlich sind sie scheu, sie lassen sich nicht anfassen. Wenn wir im Sommer abends im Garten gearbeitet haben, sind sie die Pfade zwischen den Beeten auf und ab spaziert. Da haben wir doch wieder einmal Gesellschaft gehabt ... Sie sprach nicht weiter. Sollte das eine Anspielung sein? Ja, als einziger Sohn hätte ich nicht fortgehen dürfen, das meinten sie doch und davon würden sie auch nicht mehr abgehen.
Jetzt im Winter schliefen die beiden Kater unter dem Hausvordach in einer ausrangierten Hundehütte. Meine Eltern hatten sie mit Stroh und Säcken ein wenig gegen die Kälte ausgepolstert.
Am Abend stellte ich mich im Souterrain hinter der Tür auf, um sie beim Fressen zu beobachten. Sie sahen wie gewöhnliche Hauskatzen aus, schwarz und weiß in unterschiedlichen Anteilen, recht hübsche und ziemlich kräftige Tiere. Die engmaschige Gardine verhinderte, dass sie mich sehen konnten. Vielleicht hatte ich doch ein Geräusch verursacht. Der eine der beiden hob den schön gezeichneten Kopf und lief dann mühsam den leichten Hang hinter dem Haus hinauf. In der Tat hinkte er stark. Nach fünfzig Metern blieb er stehen, um den Bruder am Napf zu beobachten. Der Bruder, viel weniger ängstlich und in keiner Weise behindert, hätte weiterfressen können. Stattdessen sah er hinauf zu dem Gefährten und als der nicht zurückkam, lief er zu ihm. Er lockte ihn leise maunzend und den Kopf hin- und herrollend allmählich zum Napf zurück. Dann fraßen beide einträchtig weiter. Der Lahme nahm sich im weiteren Verlauf gewisse Vorrechte heraus. Gelegentlich drückte er den Kopf des Bruders vom Napf weg, und der Gesunde ließ es sich gefallen. Es berührte mich seltsam, dass Tiere, die kaum vom Menschen geprägt waren, so miteinander umgingen. Es war für mich ein Beispiel der umfassenden natürlichen oder kreatürlichen Güte, die wir überall entdecken können, nicht nur in der Menschenwelt.
Im Jahr darauf waren sie auf einmal verschwunden. Der Hinkende kam nie mehr zurück. Der andere schleppte sich, als sie schon drei Tage vermisst waren, furchtbar zugerichtet ans Haus heran. Er hatte seine letzten Kräfte eingesetzt, um sich aus einer Falle zu befreien. Nun erst war er bereit, ins Haus zu kommen. Meine Mutter ließ ihn in die Garage, wo er noch einige Stunden schrie und am anderen Tag verendete.