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Hochherbst
Autor: Karsten Rube · Rubrik:
Humor & Satire

Des Herbstes deutlichstes Herannahen ist das laute Herannahen seiner Bekämpfer. Der Herbstbekämpfer läuft mit Benzin und pustet Laub. Sein Knecht, der ihn benutzt trägt wahlweise orange oder grün, heißt Stadtreinigung oder Grünflächenamt und tritt bevorzugt morgens um sieben Uhr in Erscheinung. Schon im lauen Sommer übt er Motorenstarts und
pustet schon mal in launigen Trainingsrunden die Igel aus dem Unterholz.
Im Herbst, wenn Blätterdächer sich auf Autodächer senken, Friedhöfe feucht und friedhöflich duften und die Wegplatten in Krankenhausparks gefährlich rutschig werden, zieht der Herbstbekämpfer laut brummend mit dem Laubpuster heran, wirbelt die Blätter unter den Autos und Sträuchern vor, bläst sie an den Straßenrand und lässt sie erstmal liegen. Die Laubsammler kommen später. Für diesen Tag haben sie einen Auftrag in einem anderen Stadtteil. Abends frischt der Wind auf. Morgen früh um Sieben beginnt der Dienst des Laubpusters erneut. Der Rentner, Nachtschichtler und Spätdienstler, der Genesende im Krankhaus, der Leichnam auf dem nahen Friedhof, sie alle sparen sich Weckmeldodie und Uhr, denn das Grünflächeamt ist zuverlässig laut.

Es ist also Hochherbst, Indian Summer, Rheumawetter. Das Bananengelb der Kastanienblätter hat man hier schon lange nicht mehr gesehen, da die Miniermotte, der Kastanie schon im Juli den Garaus macht.
Vor dem Küchenfester glitzert ein Spinnennetz. Eine Kreuzspinne wohnt dort, fett und gefährlich. Die Mischung aus natürlichem Ekel, biologischem Bewusstsein und häuslicher Schlamperei findet damit eine Kollektion an Ausreden, dieses Fenster vorerst nicht zu putzen.

Im Park ist der Herbst ein Ort der Begegnung. Man begegnet dem Frischluftfan, der sich von reduzierter Ausgangstemperatur nicht entmutigen lässt und seine eigenen Temperatur sportlich in die Höhe schraubt. Bei einem ruhigen Spaziergang um den See, sieht man Bäume, Wasservögel und andere Seeumrunder in freier Wildbahn. Dabei ist besonders die Klientel der Sportlichkeit zu bewundern. Jeder Jogger und Walker hat eine andere, selbstentwickelte Haltung.
Der erste, den ich beobachte, ist ein sich selbst kasteiender Mann, der kurz vor der Erreichung des Zustandes vor Sauerstoffzelt angelangt ist. Er schleppt sich schnaufend über den Parkboden, seine Arme hängen kraftlos herab und seine Füße schaffen es kaum noch sich über das schurrende Geräusch schleifender Schlappen zu erheben. Vorbeieilende zum Dienst zischende Krankenschwester gucken vorsorglich weg.
Danach brosselt die hektische Omi über die Rennbahn, ein kleines dürres Weibchen unbestimmbaren Alters jenseits der Siebzig. In enge Sportseide getaucht, die Brille stur aufs Geradeaus gerichtet und mit Zornesfalten über der Stirn hirscht sie voraus. Ich möchte nicht der Handtaschendieb sein, den sie verfolgt.
Eine Sportlerin um die Fünfzig walkt in weißem Sportornat locker wippend vorbei, wo bei alles an ihr am wippen ist, was man sich nicht vorstellen mag. Schön dass sie sich dem Sport widmet. Besser spät, als nie. Die Arme winkelt sie etwas tuckig an. Mit dieser an Kaninchenläufe erinnernden Armhaltung schrubbelt sie zaghaft voran, das Lächeln des Ausdauersportlers im Gesicht.

Unter Läufern finden sich einige bemerkenswerte Techniken. Manche Jogger sind mit hochgedrücktem Rücken unterwegs, gerade zu beängstigend aufrecht, andere laufen leicht vornüber gebeugt, voranstürmend. Einige mit weit ausholenden Schritten, andere mit kurzen Trippelfüßen. Attraktiv schwitzen sich junge Frauen um den See, kerllich machorieren sich sportliche Jungs an den Mädchen vorbei.
Kinder, Hunde und Rentner springen im Zickzack den Athleten aus dem Weg.
Die hasenarmige Masse wippt eine zweite Runde an mir vorbei, nun bereits deutlich hörbar, die sportlichen Kerle grinsen den sie nun doch wieder überholenden Mädchen hinterher und der schnaufende Schleppsportler scheint irgendwo zusammengebrochen zu sein.

Indes bewerfen Kinder die Seeenten mit Brot oder lassen sich von den Schwänen anfauchen. Ein Bleßhuhn quiekt, eine Ente quakt und ein Haubentaucher versteckt sich unter Wasser. Gelb schweben die Blätter von den Bäumen herab, um auf dem See zu schwimmen. Hunde verrichten ihr Geschäft und Kinder greifen beim Blättersammeln beherzt ins Gras. Ein idyllischer Sonntagmorgen in Park.


Einstell-Datum: 2008-11-03

Hinweis: Dieser Artikel spiegelt die Meinung seines Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung der Betreiber von versalia.de übereinstimmen.

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