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Die Pyramide von Garzau
Autor: ArnoAbendschoen · Rubrik:
Reiseberichte

Berlin hat neben anderen Vorzügen noch den einer weiträumigen, intensiv grünen und sehr erholsamen Umgebung. Wie schön es da draußen in Brandenburg ist, wissen die meisten Berlinbesucher gewöhnlich nicht. Wissen es denn die Berliner? Daran zweifle ich, nachdem ich mich zwei Wochen lang zu Fuß dort umgesehen habe. Es war fast immer und fast überall ziemlich leer. Ich wohnte am Nordostrand der Stadt und fuhr vormittags hinaus nach Osten oder Norden und am späten Nachmittag wieder zurück. In diese Richtungen liegen die meisten Seen, die dichtesten Wälder, die eindrucksvollsten Schutzgebiete. Mag sein, dass die Stadt zu groß ist, um sie mal eben für einen Halb- oder Ganztagesausflug zu durchqueren. Die meisten Berliner wohnen in den westlichen Bezirken. Und vielleicht verspürt so mancher Ältere von ihnen noch immer eine Hemmung, das ehemals ummauerte West-Berlin zu verlassen …

Draußen kann man manches entdecken: alte Dörfer und Städtchen mit viel Atmosphäre, mit gotischen Kirchen und feudalen Schlössern. Im kleinen Garzau – 25 km östlich der Stadtgrenze, nächste Bahnstation: Rehfelde – gibt es sogar eine Pyramide. Ich las die lakonische Aufschrift auf dem kleinen Wegweiser und folgte ihm … und kam in einen alten Landschaftspark. Da war nur noch wenig Park, er hatte sich mehr oder weniger in die weite Landschaft verloren. Mittendrin ein vor Zeiten aufgeschütteter steiler Hügel, bekrönt von einer wirklichen Pyramide, recht exotisch wirkend.

Das Gut Garzau gehörte im späten 18. Jahrhundert einem Grafen von Schmettau. Er war preußischer Offizier, Militärschriftsteller und Kartograph. Er hat jenen Park anlegen, den Hügel aufschütten und die Pyramide bauen lassen - sie sollte seine Begräbnisstätte werden. Daraus wurde nichts. Schmettau verkaufte Garzau kurz nach 1800. Er selbst starb 1806 an einer Kriegsverletzung (Schlacht von Auerstedt) und liegt in Weimar begraben. Die neuen Eigentümer von Garzau hatten keine Verwendung für sein Monument, es verfiel rasch. Das von Langhans (Brandenburger Tor) entworfene Portal wurde nach Strausberg verkauft und ziert dort noch heute die Marienkirche.

Fast zweihundert Jahre nach Schmettaus Tod ging man in Garzau an die Rekonstruktion der Pyramide. Jetzt ist sie fertig und sieht wie neu aus - ist sie ja beinahe auch. Das Portal eine Kopie des Originals in Strausberg, das Innere gemauerter Backstein, das Äußere behauene Feldsteine. Und es führen wieder Rampen und Treppen außen um sie herum bis zu der überdachten Aussichtsplattform auf ihrer Spitze. Nur: Diese Rampen und Treppen haben wie früher keine Geländer. Ich verspürte sogleich Lust zum Aufsteigen und Furcht vor einem Absturz. Ein auf dem Boden der ersten Rampe aufgebrachtes Piktogramm verbietet einem das Betreten. Der Förderverein Pyramide und Schlosspark Garzau e.V. dazu auf seiner Homepage: „Auf Grund der heutigen gesetzlichen Bestimmungen ist ein Betreten und Besteigen der Pyramide verboten … Der Verein arbeitet an einer Lösung, die es erlaubt, zu besonderen Anlässen und mit Führung die Pyramide zu besteigen.“ Ein schweres, hoffentlich nicht unlösbares Problem.

Also blieb ich unten, saß auf einer der vielen leeren Bänke – außer mir war keiner im Park - und aß Mitgebrachtes. Und stellte mir den Verlauf eines Schulausflugs hierher vor. Hier müsste sich im Wettstreit zwischen Kletterlust und Folgsamkeit erweisen, wie stark die Autorität des Lehrers wirklich ist … Dann ging ich weiter auf die Märkische Schweiz zu, nach Waldsieversdorf, wo sie gerade ein John Heartfield-Museum in dessen altem Sommerhaus eröffnet haben, und nach Buckow mit seinem Brecht-Weigel-Haus.


Einstell-Datum: 2011-02-02

Hinweis: Dieser Artikel spiegelt die Meinung seines Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung der Betreiber von versalia.de übereinstimmen.

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