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Literaturforum:
Erfolg und Bosheit
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Autor
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Thema: Erfolg und Bosheit
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Kenon
Mitglied
1482 Forenbeiträge seit dem 02.07.2001
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Eröffnungsbeitrag |
Abgeschickt am: 14.07.2020 um 23:16 Uhr |
„Das bin ich wirklich; böse, besoffen, aber gescheit.“ - das hat Joseph Roth im November 1938 unter eine Zeichnung, die ihn darstellen sollte, geschrieben. Im Mai 1939 starb er. Joseph Roth war sicherlich gescheit und häufig besoffen - aber böse? Bosheit ist mir in seinem Werk nicht begegnet, und als Menschen kannte ich ihn natürlich nicht, aber Bosheit kann ich mir bei ihm schwer vorstellen. Vielleicht, wenn er betrunken war - betrunken verhalten sich viele Menschen abscheulich, wenn sie sich am Morgen danach erinnern, schämen sie sich und sagen gegebenenfalls “Entschuldigung”. Viele Künstler, die bekannt geworden sind, waren auf ihre Art böse. Erfolg ist ja ohne eine gewisse Boshaftigkeit nicht zu denken. Ich könnte zahllose Beispiele anbringen und verzichte deswegen lieber ganz darauf. Wir erfolglosen Menschen haben das Glück, an unserer Erfolglosigkeit, die kein Unglück ist, wachsen zu dürfen - so, wie es uns schon die letzten Neuplatoniker als Trost ausgemalt haben. Die erfolgreichen Menschen gehen an ihrem Erfolg zugrunde - oder auf jeden Fall an irgendetwas anderem. Was uns zerstört bekommt wenigstens niemand mit.
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ArnoAbendschoen
Mitglied
718 Forenbeiträge seit dem 02.05.2010
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1. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 16.07.2020 um 21:54 Uhr |
Was es mit der "Bosheit" Roths auf sich gehabt haben könnte, dazu enthält die rororo-Monographie auf S. 78 einen Hinweis. Es scheint, dass er sich mit Schuldvorwürfen quälte, da er der Situation seiner an Schizophrenie erkrankten Ehefrau Friedl nicht gewachsen war. Auch die späteren Beziehungen zu Andrea Manga Bell und Irmgard Keun endeten disharmonisch. Auffalllend ist, dass bereits die Erzählung "April" von 1925 eine verwandte Thematik aufweist, ein persönliches, erotisches Sichverfehlen und wie es im Bewusstsein verarbeitet wird.
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Kenon
Mitglied
1482 Forenbeiträge seit dem 02.07.2001
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2. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 28.07.2020 um 23:17 Uhr |
In der Dokumentation, die ich mir angeschaut hatte, wird ein Bogen zu Rabbi Nachman von Brazlaw geschlagen, der gesagt habe: „Böse Menschen lieben traurige Lieder“. Dieser Ausspruch soll nach einem Vorsingen trauriger jüdischer Lieder durch Soma Morgenstern gefallen sein.
Zitat:
"So“, rief Roth jubelnd aus, „ich gehöre dazu. Ich bin ein böser böser Mensch!“
Quelle: Soma Morgenstern, Joseph Roths Flucht und Ende, Lüneburg 1994, S.16f
Da kann man nun viel spekulieren. Die Doppelung von "böser" deute ich als eine gewisse Ironie. Dem Spruch des Rabbi kann ich auch nicht zustimmen, es sei denn, er hat eine ganz andere Definition von böse als ich. Verschiedenste Menschen hören gerne traurige Lieder.
Was gibt es noch?
Zitat:
Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder
und auch
Zitat:
Böse Menschen, böse Lieder ...
Uman, der Sterbeort des Rabbi Nachman von Brazlaw, ist übrigens ein ganz besonderer Ort in der Ukraine mit einem jüdischen Stadtteil, der sogar hebräisch beschildert ist. Jährlich pilgern einige Zehntausend Chassidim zu Rosch Haschana nach Uman. Ich habe die Synagoge letztes Jahr besucht. Es gibt angenehmeres, als sich dort als Deutscher zu outen. Die Menschen waren trotzdem nett und bemüht, zu vermitteln, welchen Gedanken sie anhängen.
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