ArnoAbendschoen
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Eröffnungsbeitrag |
Abgeschickt am: 23.01.2016 um 16:54 Uhr |
Der Regisseur Antonio Hens ist Spanier. Er hat sich, erfahren wir, seit den 1990er Jahren häufig auf Kuba aufgehalten, um Verwandte zu besuchen. Sein zweiter Spielfilm „La Partida“ (dt. "Das letzte Spiel") spielt ausschließlich in Havanna, gedreht mit kubanischen Schauspielern und kubanischer Crew. Nach seiner Fertigstellung 2013 wurde er rasch hintereinander auf Filmfestivals in Sevilla, San Francisco und dann auch Havanna vorgestellt. Anlässlich dieser ersten Präsentation in Kuba interviewte ihn die linke, regierungskritische Internet-Zeitung „Havana Times“ (englisch- und spanischsprachig). Der Blog wird von Nicaragua aus betrieben, mit Autoren zumeist in Kuba. Die Aufführung des Problemfilms in Havanna ist ein Gradmesser der Liberalisierung Kubas - und Hens’ vorsichtige Antworten im Interview einer für deren Grenzen.
Hens weist in diesem Gespräch ausdrücklich die Auffassung zurück, er habe mit dem Film spezifisch kubanische Probleme darstellen wollen. Es sei ihm vielmehr um ein universales Thema gegangen, um unterprivilegierte Menschen und ihre Suche nach persönlicher Freiheit – man könne solche Gestalten in der kubanischen wie in jeder anderen Gesellschaft finden. Es scheint, Hens hat hier vielleicht Rücksicht auf seine Interessen in Kuba genommen, im Hinblick auf die Vermarktung des Filmes dort und auf die Situation der Mitwirkenden. Denn zumindest der europäische Zuschauer wird in seinem Film ein recht genaues Bild der kubanischen Gesellschaft wie des Alltags in Havanna von heute erkennen. Die Szenen spielen überwiegend im heruntergekommenen Teil des Zentrums der Hauptstadt, sie zeigen die erbärmlichen Wohnverhältnisse, die Geldnöte, die teilweise schwierige Ernährungslage, den Auswanderungsdruck. Schwarzmarkt und Privilegien werden nebenbei gestreift. Als Reinier (Reinier Diaz) von seinem ersten Training in der Jugendnationalmannschaft heimkommt, berichtet er: Sie haben mir sogar Fisch und Pommes frites gegeben … Und es stellt sich für die Familie die Frage, wieso sie auf ihn verfallen sind, da doch sonst nur die Söhne von hohen Bonzen genommen würden.
Reinier ist jungverheiratet, ein Kind ist schon da, alle wohnen sehr beengt bei der Schwiegermutter. Er hat keine Arbeit und Einkünfte nur, wenn ihm Fortuna im Glücksspiel gewogen – oder wenn er als Stricher erfolgreich gewesen. Er spielt Fußball in Mannschaften, die sich aus den jungen Männern des Armenviertels spontan bilden - dabei wird er von Talentsuchern entdeckt. Yosvani (Milton Garcia), einer der Mitspieler im Kiez, steht materiell besser da. Er lebt mit seiner Verlobten bei deren Vater und hilft ihm bei nicht immer sauberen Geschäften. Reinier und Yosvani kommen sich viel näher als gewöhnlich beim Fußball üblich. Und dann ist da noch ein spanischer Tourist, auf den sich die Hoffnungen von Reiniers Familie richten: Der junge Kubaner soll den Fremden in Spanien heiraten und die anderen dann nachholen. Hens zeigt im Film die Massen männlicher Prostituierter an der Strandpromenade von Havanna. Bei der Präsentation seines Werks berichtet er von jungen Männern, die von hier aus nach Europa gelangen und wie ihre Schicksale dort verlaufen. In der Filmhandlung scheitert der Plan, nur der Spanier verlässt dieses düstere Havanna. Der Film endet mit einer melodramatisch aufgeladenen Bluttat tragisch.
Der Streifen ist professionell gut gemacht, weist relativ hohes künstlerisches Niveau auf und stützt sich vor allem auf zwei ausgesprochen sehenswerte Nachwuchsschauspieler. Die beiden verkörpern mit ihren Rollen zwei entgegengesetzte Typen - und hier ist die Thematik tatsächlich universal und die Handlung über Kuba hinausweisend. Während Reinier im Lauf ihrer Beziehung allmählich klüger, vorsichtiger, verantwortungsvoller wird, rennt Yosvani – er hat den sympathischeren Part - mit der Unbedingtheit seiner Liebe schnurstracks ins Unglück. Wieder einmal: zum Weinen schön.
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