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Literaturforum: Film und Traum


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Forum > Aesthetik > Film und Traum
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 Autor
 Thema: Film und Traum
ArnoAbendschoen
Mitglied

718 Forenbeiträge
seit dem 02.05.2010

Das ist ArnoAbendschoen

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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 18.10.2010 um 14:06 Uhr

- Dargestellt an Quentin Lees „Ethan Mao“ –

Bei Proust bewegt sich das Bewusstsein des Erzählers mühelos durch die Zeit, gleitet wie in einem Fahrstuhl durch die übereinanderliegenden Schichten. Es ist ein vertikales Verfahren, das die beglückende Einheit in einer gegenwärtigen Zeit herstellt oder herstellen soll. In seinem Film „Ethan Mao“ benutzt Quentin Lee anfangs die gleiche Methode eines häufigen Perspektivenwechsels mit Rückblenden aus der erzählten Gegenwart in die vom Helden erinnerte Vergangenheit. Dann aber eröffnet er neben der Zeche Erinnerung einen horizontalen Stollen in den Berg: die Mine Traum. Er geht dabei so diskret vor, dass der Übergang aus der für real erklärten Filmhandlung in die als geträumt konstruierte dem Zuschauer leicht verborgen bleibt. Dazu trägt auch bei, dass die Traumhandlung als kraftvoll inszenierte Thriller-Travestie daherkommt.

Der blutjunge Ethan ist Stricher und wohnt bei dem nur wenig älteren Remigio, einem Drogendealer. In Rückblenden erinnert sich Ethan, wie es dahin gekommen ist. Er vermisst seine früh verstorbene Mutter. Sein Vater hat ihn unter dem Einfluss der Stiefmutter aus dem Haus gejagt, als Ethans Homosexualität zutage trat. Ethan bittet Remigio, ihn demnächst zum Elternhaus zu fahren. Er denkt an die Diamantenhalskette seiner Mutter, die er sich als Erinnerungsstück aneignen möchte.

Die Hauptzeitebene des Films sind ein Abend und eine Nacht in Remigios Wohnung. Während Remigio unterwegs ist, probiert Ethan neuen Stoff. Berauscht hat er die Vision, wie er mit Remigio die an Thanksgiving verwaiste Villa des Vaters betritt und die Alarmanlage ausschaltet. Remigio, zurück vom Dealen, holt ihn in die Realität zurück. Ethan bietet sich jetzt erstmals dem Kumpel zum Sex an, als Dank für die Unterkunft. Er will darin nur ein Geschäft wie seine anderen sehen. Remigio, der ihn liebt, lehnt dankend ab. Ethan fragt, woran man erkenne, selbst verliebt zu sein. Remigio antwortet nur indirekt und erzählt ihm, wie er selbst früher von einem Älteren geliebt und gefördert wurde, ohne das Gefühl erwidern zu können.

Bald darauf ist Thanksgiving. Ethan und Remigio brechen tatsächlich in das verlassene Haus ein – denkt der naive Zuschauer und lässt sich in den Bann der Handlung ziehen, ein rasantes Familienpsychodrama. Quentin Lee führt ihn schon dadurch in die Irre, dass die Traumhandlung mit dem Erwachen von Ethans Verwandten beginnt. Ethan nimmt kühn und kraftvoll Rache für alle Kränkungen. Er ist „high“ – und das ist der Schläfer ja auch - und arbeitet sich an der verkorksten Familiengeschichte ab. Als die Wirkung der Droge nachlässt, wird es auch in der Traumhandlung Nacht und Ethan verliert seinen Mut. Immer stärker lehnt er sich an Remigio an. Sein Zutrauen und seine Zuneigung zu ihm wachsen.

Abrupt wacht er auf und findet sich neben Remigio in dessen Bett … um gleich weiterzuträumen. Die Traumhandlung in der Villa spitzt sich zu. Ethan findet Remigio in einer Blutlache tot vor … und erwacht auch aus diesem Traum. Und ist immer noch zur Verwirrung des Zuschauers im Haus des Vaters. Ja, was ist nun Traum, was Filmrealität? Hier muss man sich klar machen, dass viele von uns gelegentlich im Traum das Bewusstsein davon entwickeln zu träumen. Wir träumen dann, dass wir träumen, und setzen uns mit dem Trauminhalt träumend auseinander. So auch in „Ethan Mao“, dessen Handlung hier nicht in allen Einzelheiten dargestellt werden soll.

Über den Traumsequenzen liegt fast immer ein bläulich-helles Licht. Die Traumhandlung endet damit, dass die beiden jungen Männer sich Polizei und Justiz stellen und damit zugleich ihre familiären Komplexe abschütteln. Sie gehen dem Gefängnis entgegen und paradoxerweise auch der Freiheit. Als das Haustor der Villa aufgeht, verwandelt sich das bläuliche Licht in ein strahlend-weißes, in dem alle Konturen ausgelöscht werden. Und Ethan liegt wieder neben Remigio im Bett in einer rembrandtbraunen und –satten Beleuchtung. Sie knüpfen an ihr vorher unterbrochenes Gespräch an. Remigio bittet den Freund, es ihn wissen zu lassen, wenn er sich einmal verliebt haben sollte. Ethan lächelnd, noch ganz unter dem Eindruck seines Traums: „Du wirst es als Erster erfahren, ich werde dich dann küssen.“

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Matze
Mitglied

719 Forenbeiträge
seit dem 09.04.2006

Das ist Matze

Profil Homepage von Matze besuchen      
1. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 21.10.2010 um 05:52 Uhr

Dazu fällt mir Dalís Arbeit für Hitchcocks ´Spellbound´ ein:

http://www.youtube.com/watch?v=dzxlbgPkxHE

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ArnoAbendschoen
Mitglied

718 Forenbeiträge
seit dem 02.05.2010

Das ist ArnoAbendschoen

Profil      
2. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 21.10.2010 um 14:42 Uhr

Danke, Matze, für den Hinweis. Das ist eine andere Machart, aber auch sehr eindrucksvoll. Träume können wohl auf sehr verschiedene Weise im Film eingesetzt werden. Was mich hier zum Nachdenken und Schreiben veranlasste, war die befremdliche Tatsache, dass kaum ein Rezensent des Films auf das Motiv Traum einging, obwohl die Handlungsbrüche einen doch ins Grübeln bringen müssten. - Arno Abendschön

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