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Literaturforum:
Von Haupt- und Nebensachen
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Autor
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Thema: Von Haupt- und Nebensachen
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ArnoAbendschoen
Mitglied
718 Forenbeiträge seit dem 02.05.2010
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10. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 12.03.2022 um 18:44 Uhr |
Noch mehr Haupt- und Nebensachen:
(6) Sex und Liebe als Stoff? Über Sex zu reden, kann einen bis zu Wittgensteinscher Resignation führen. Jede bestimmte Aussage darüber ist zugleich richtig und falsch. Sprache und sexuelle Handlungen erscheinen mir derart verschiedenen Sphären anzugehören, dass sie kaum kompatibel sind. Die Begriffe, die wir insoweit anwenden, die schon bereitliegen, sie decken sich kaum einmal mit der individuellen Wahrheit des jeweiligen Erlebens. Und mit Liebe tue ich mich noch schwerer … In Jahnns „Fluss ohne Ufer“ erzählt Horn seinem Gefährten Tutein gegen Ende ihrer gemeinsamen Zeit seine bittersüßen Jugenderinnerungen, und Tutein stellt sachlich fest: „Du warst schwach in der Liebe.“ Das könnte ich auch von mir sagen und es wäre zugleich vollkommen falsch. Ich finde den Begriff unbrauchbar, ich meide ihn.
(7) Manche wollen Liebe überhaupt für eine Illusion erklären. So weit gehe ich nicht. Ich frage mich nur: Handelt der Liebende tatsächlich jemals gegen seine eigenen Interessen? Ist Liebe wirklich kein Geschäft? Das Charakteristische dieser Liebe-an-sich-Diskussion ist, dass in ihr Liebe zu einem abstrakten Begriff wird, losgelöst von den Umgebungen, in denen sie auftritt. Dabei ist dieser Zusammenhang das Entscheidende: Sie tritt gar nicht rein auf, sondern immer in einer Legierung, in ständig wechselnden Mischungsverhältnissen mit einer Vielzahl anderer Motive, z.B. körperliches Bedürfnis, ästhetisches Vergnügen, Herrschsucht, soziales Geltungsbedürfnis, Versorgungsstreben usw. Wenn Liebe jedoch nie für sich allein existiert, sondern als ein Gefühlszustand definiert werden kann, der sich in den unterschiedlichsten Situationen auf nicht restlos aufzuklärende Weise einstellt, dann frage ich mich: Welchen Wert haben Aussagen über die „Macht der Liebe“? Vielleicht ist sie gar keine Macht, sondern nur ein Nebenprodukt innerhalb unseres emotionalen Stoffwechsels? Auffallend ist, dass Liebe sich in sowohl zeitlicher wie räumlicher Distanz zum Liebesobjekt entwickeln kann, dann manchmal sogar besonders gut. Liebe ist außerdem synthetisch herstellbar. Das zeigen gewisse Produkte der Unterhaltungsindustrie, z.B. Liebesgroschenromane. Ihre Verfasser wissen, wie sie es anstellen müssen, dass eine Leserin sich mit der Heldin vollkommen identifiziert, mit dem Ergebnis, dass sie vorübergehend fühlt wie diese. Ich sehe keinen Grund, den Begriff Liebe zu verklären, sie als einzigartige, auf irgendeine Weise erhabene Grenzerfahrung anzusehen. Dergleichen kennt auch die Religion. Ist unsere moderne Auffassung von Liebe vielleicht nichts anderes als säkularisierter religiöser Inhalt oder gar Wahn?
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