Es ist mitten am Nachmittag, als ich mich dem Haus nähere, in dem ich seit kurzem wohne. Von draußen, vom Westen komm ich her … Jetzt lebe ich noch tiefer im Osten. Da kommt mir eine Frau Anfang dreißig entgegen, eine stattliche Erscheinung - so sagt man doch? Sie blickt mich erwartungsvoll an, steuert auf mich zu, scheint mich grüßen zu wollen. Kenne ich sie, wohnt sie hier bei uns? Ein Jammer, dass ich mir Gesichter so schlecht merken kann.
„Wo fährt der Bus ab, das muss ich jetzt wissen“, sagt die junge Frau als Erstes. „Ein Bus?“ frage ich zurück, denn unsere Sackgasse befährt nie ein Linienbus. – „Ja, der Bus zum Elsterwerdaer Platz …“ – Nun bin ich im Bild, sie sucht den Ersatzverkehr. Die U-Bahn endet wegen Bauarbeiten seit Montag in unserer Station, es ist gleich um die Ecke. Gern teile ich mein Wissen mit der Suchenden: „Hier fährt gar keiner ab. Sie müssen erst zu einer Ersatzhaltestelle fahren. Am besten, sie fahren mit der U-Bahn zurück nach Lichtenberg, dort fängt der Ersatzverkehr an …“ Unmut kräuselt schon ihre Stirn, so dass ich rasch einen anderen Vorschlag mache: „ … oder sie nehmen die Straßenbahn ein Stück in die Richtung“ – ich mache eine Handbewegung – „und an der Kreuzung Alt-Friedrichsfelde …“ – Sie unterbricht mich ärgerlich: „Da will ich gar nicht hin. Ich will zum Elsterwerdaer Platz, wo fährt der Bus hier ab?“ – Ich vermeide es, Gute Frau zu sagen, und entgegne nur: „Hier eben nicht. Er kann hier gar nicht vorbeikommen, wie soll er denn durch den Tierpark fahren?“
Auch dieses Argument verfehlt seine Wirkung, so kommen wir nicht weiter. Sie bleibt eisern dabei, sich ihrem Ziel nicht auf Umwegen nähern zu wollen. Mich zieht es ins Haus und ich sage im Weitergehen: „Dann fragen sie mich nicht, wenn sie die Antwort gar nicht hören wollen.“ Da habe ich erst recht ihren Zorn provoziert und höre noch: „Verdammt, ich will jetzt endlich wissen, wo der Bus zum Elsterwerdaer Platz abfährt! Ich arbeite nämlich hier, du Penner!“ Im Lift hinauf frage ich mich: Und wenn das nun die Vox populi war?! Fast könnte man es glauben, es würde manches erklären …