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Literaturforum: Fassbinder - JETZT, Ausstellung in Berlin


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 Thema: Fassbinder - JETZT, Ausstellung in Berlin
ArnoAbendschoen
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 22.05.2015 um 17:34 Uhr

Wer vom Potsdamer Platz zum Ausstellungsort Martin-Gropius-Bau geht, kann sich fragen, wie aktuell ein seit 1982 toter Filmemacher noch sein kann. Gerade dieses Stadtviertel illustriert bestens die umstürzenden Veränderungen seitdem, Veränderungen, die Fassbinder nicht einmal ahnen konnte. Betritt man den ersten Raum der Ausstellung, verflüchtigen sich die Zweifel rasch. Fassbinder spricht abwechselnd auf neun Monitoren zu uns – es sind Ausschnitte aus Interviews mit ihm -, so als lebte er noch, drehte noch immer Filme. Er betont z.B. die Unabdingbarkeit, das Handwerkliche zu beherrschen. Und wenn er sagt, Arbeiten sei ein Mittel, sich weniger einsam zu fühlen, ist man ihm auf einmal sehr nahe.

Die Ausstellung präsentiert eine Fülle von Materialien, die Fassbinder vor allem bei seinem Handwerk des Filmemachens zeigen. Man kann sich noch einmal davon überzeugen, dass er ein Arbeitstier war, klug und exakt arbeitend und von hoher Produktivität. Damit begnügt die Schau sich nicht, sie setzt Schwerpunkte, die einen vertiefenden Einblick in seine Arbeitsweise und seine Kunstmittel bieten. Zu diesem Zweck werden auch auf drei großen Leinwänden fortlaufend Ausschnitte aus vielen seiner Filme gezeigt. Wir machen uns klar, dass die Künstlichkeit seiner Inszenierungen ein sehr wirksames Kunstmittel bei ihm ist. Oder wir erleben aus größter Nähe die für ihn typischen 360-Grad-Kameradrehungen mit. Man staunt, wie lebendig seine Figuren geblieben sind. Fassbinders beste Filme scheinen so wenig zu altern wie Dostojewskis große Romane.

An die Frage der Aktualität pirscht sich die Ausstellung auf einem Seitenpfad heran und zeigt vor allem Videoinstallationen heute lebender Künstler. Deren bewusstes Anknüpfen und Zitieren wirkt zum Teil nur artifiziell, bemüht, wenig erhellend. Überzeugt hat den Rezensenten die Arbeit von Maryam Jafri („Costume Party“). Hätte es nicht näher gelegen, dem immensen Einfluss Fassbinders auf zahlreiche spätere Filmemacher nachzugehen? Darin zeigt sich doch seine Aktualität, dass noch immer jüngere Regisseure in seiner Nachfolge und von ihm künstlerisch angeregt die Schnittstellen von sozialen Zwängen und individuellen Reaktionen in ihren Filmen aufzeigen. Hier ist Fassbinders Nachwirkung bis heute weltumspannend geblieben. Stellvertretend für so viele - auch aus Nord- und Lateinamerika oder Asien - sei hier nur der Hongkong-Chinese Simon Chung mit „End of Love“ aus 2009 genannt, einem Werk über Rauschgift und Prostitution im Geist Fassbinders, doch ohne epigonal zu sein.

Was ferner kaum thematisiert wird: Fassbinder als Mensch, der Zusammenhang zwischen problematischer Biographie und Werk. Man erfährt z.B. vom nicht mehr realisierten Filmprojekt „Kokain“, das Wissen um Fassbinders Kokainproblem muss der Besucher mitbringen. Ist diese Einseitigkeit dem Einfluss der mit dem Ausstellungsmacher Deutsches Filmmuseum Frankfurt am Main kooperierenden Rainer Werner Fassbinder Foundation zuzuschreiben? Aber das ist ein anderes Thema.

Trotz dieser Einschränkungen: Für Cineasten wie für überlebende Zeitgenossen Fassbinders ist die Ausstellung sehr zu empfehlen. Allein schon die umfangreiche Kollektion von Filmgarderobe (Werke der Kostümbildnerin Barbara Baum) lohnt den Besuch.

Ort der Ausstellung: Niederkirchner Str. 8, täglich von 10 – 19 Uhr, außer Dienstag, noch bis 23. August 2015

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