Wer schreibt denn so etwas:
"Unter ihren Gästen befinden sich ein paar wirklich hervorragende Vertreter der Kunst- und Finanzwelt. Außerdem sind einige bekannte Homosexuelle, Wüstlinge, Verschwender und andere Dekadente zugegen …"
Zwei Welten begegnen sich dort also, die Spitzen der Kunst- und Finanzwelt und - außerdem! - jene anderen Spielarten der Spezies Mensch. Der Text ist vom amerikanischen Historiker und Literaturprofessor Herbert Joseph Muller (1905 – 1980) und bezieht sich auf Thomas Wolfes posthum erschienenen Roman „Es führt kein Weg zurück“. Die erwähnten Gastgeber, das sind Mr. und Mrs. Jack, deren Geschichte nicht nur in dem etwas angestaubten Buch nachzulesen ist, sondern neuerdings wiederum in dem vielfach rezensierten „Die Party bei den Jacks“ (dt. erstmals 2011 bei Manesse) – nur der gleiche Stoff in einer weiteren posthum aufgefundenen Version.
Muller hat seine Wolfe-Biographie 1947 veröffentlicht. Sie beleuchtet die großen Vorzüge wie die allzu augenfälligen Schwächen des Wolfeschen Gesamtwerks im Wesentlichen angemessen. Muller war ein kultivierter, fortschrittlicher, friedliebender Intellektueller, ein entschiedener Liberaler amerikanischer Prägung. Er war Mitunterzeichner des Zweiten Humanistischen Manifestes von 1973. Und von einer solchen Lichtgestalt der Wissenschaft nun eine Formulierung wie die eingangs zitierte – da wird das ganze Elend liberaler Geistesverfassung damals deutlich. Es ist nicht der einzige progressive Faux-pas, den er sich leistet. Starwick z.B., eine Gestalt aus Wolfes „Von Zeit und Strom“, "entpuppt sich als Homosexueller …" Horribile dictu, natürlich.
Auf Deutsch kam Mullers Wolfe-Buch 1962 als Taschenbuch bei Rowohlt heraus, dieser Speerspitze verlegerischer Aufklärung im Nachkriegsdeutschland. Rowohlt sammelte bei fortschrittlich Gesinnten auch Pluspunkte, als es 1967 den Band „Homosexualität oder Politik mit dem §175“ auf den Markt brachte, mit Vorwort von Professor Giese. Und leider auch mit einem Beitrag des Starjuristen Jescheck (1915 – 2009, Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland 1984), der nach einer Übersicht über die Rechtslage in anderen Ländern seine Empfehlung an den deutschen Gesetzgeber so untermauert:
"Im übrigen zeigt die Homosexualität jene Missachtung von fundamentalen Forderungen der sozialen Moral, die zur Erhaltung des Rechtsgehorsams der Allgemeinheit nicht ohne staatliche Reaktion bleiben kann …"
Zwei weitere Blüten aus jenem pseudoliberalen Paradiesgärtlein. Eine West-Berliner Zeitung, nicht von Springer und eher linksliberal, rezensierte einmal einen Film und der Redakteur formulierte, der tragische Held sei schwer homosexuell. So sagt einer von seinem Onkel, er sei schwer zuckerkrank. Und ein schwer liberaler evangelischer Pfarrer jener Zeit, der es später bis zum Superintendenten brachte, betrieb in seinem Religionsunterricht am Gymnasium nebenbei Sexualaufklärung und zwar so: "Homosexualität, wisst ihr, ist schließlich kein Verbrechen, es ist ja Krankheit, ungefähr so wie Krebs …"
Ja, so waren die Zeiten damals, Zeiten, in denen eine dicke Hornschicht sehr nützlich war. Wir wollen all das nie vergessen. Es geht aber nicht nur um Vergangenes und Literarisches. Wie sehr sich dieses Denken bis in die Gegenwart erstreckt, kann man z.B. der aktuellen Anklageschrift der Berliner Staatsanwaltschaft gegen den Rapper Bushido entnehmen; nachzulesen mit ihrer z. T. hanebüchenen Begründung im „Tagesspiegel“ (Online-Ausgabe) vom 16.01.2014.
Und was noch Thomas Wolfe angeht: Seine Homophobie ist diskret, verschämt – unverschämt deutlich dafür sein Antisemitismus, vor allem in „Von Zeit und Strom“, erschienen erstmals auf Deutsch 1935 und später gern nachgedruckt - zuletzt 1989 - von Rowohlt. Aber das ist eine andere Geschichte …
"Unter ihren Gästen befinden sich ein paar wirklich hervorragende Vertreter der Kunst- und Finanzwelt. Außerdem sind einige bekannte Homosexuelle, Wüstlinge, Verschwender und andere Dekadente zugegen …"
Zwei Welten begegnen sich dort also, die Spitzen der Kunst- und Finanzwelt und - außerdem! - jene anderen Spielarten der Spezies Mensch. Der Text ist vom amerikanischen Historiker und Literaturprofessor Herbert Joseph Muller (1905 – 1980) und bezieht sich auf Thomas Wolfes posthum erschienenen Roman „Es führt kein Weg zurück“. Die erwähnten Gastgeber, das sind Mr. und Mrs. Jack, deren Geschichte nicht nur in dem etwas angestaubten Buch nachzulesen ist, sondern neuerdings wiederum in dem vielfach rezensierten „Die Party bei den Jacks“ (dt. erstmals 2011 bei Manesse) – nur der gleiche Stoff in einer weiteren posthum aufgefundenen Version.
Muller hat seine Wolfe-Biographie 1947 veröffentlicht. Sie beleuchtet die großen Vorzüge wie die allzu augenfälligen Schwächen des Wolfeschen Gesamtwerks im Wesentlichen angemessen. Muller war ein kultivierter, fortschrittlicher, friedliebender Intellektueller, ein entschiedener Liberaler amerikanischer Prägung. Er war Mitunterzeichner des Zweiten Humanistischen Manifestes von 1973. Und von einer solchen Lichtgestalt der Wissenschaft nun eine Formulierung wie die eingangs zitierte – da wird das ganze Elend liberaler Geistesverfassung damals deutlich. Es ist nicht der einzige progressive Faux-pas, den er sich leistet. Starwick z.B., eine Gestalt aus Wolfes „Von Zeit und Strom“, "entpuppt sich als Homosexueller …" Horribile dictu, natürlich.
Auf Deutsch kam Mullers Wolfe-Buch 1962 als Taschenbuch bei Rowohlt heraus, dieser Speerspitze verlegerischer Aufklärung im Nachkriegsdeutschland. Rowohlt sammelte bei fortschrittlich Gesinnten auch Pluspunkte, als es 1967 den Band „Homosexualität oder Politik mit dem §175“ auf den Markt brachte, mit Vorwort von Professor Giese. Und leider auch mit einem Beitrag des Starjuristen Jescheck (1915 – 2009, Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland 1984), der nach einer Übersicht über die Rechtslage in anderen Ländern seine Empfehlung an den deutschen Gesetzgeber so untermauert:
"Im übrigen zeigt die Homosexualität jene Missachtung von fundamentalen Forderungen der sozialen Moral, die zur Erhaltung des Rechtsgehorsams der Allgemeinheit nicht ohne staatliche Reaktion bleiben kann …"
Zwei weitere Blüten aus jenem pseudoliberalen Paradiesgärtlein. Eine West-Berliner Zeitung, nicht von Springer und eher linksliberal, rezensierte einmal einen Film und der Redakteur formulierte, der tragische Held sei schwer homosexuell. So sagt einer von seinem Onkel, er sei schwer zuckerkrank. Und ein schwer liberaler evangelischer Pfarrer jener Zeit, der es später bis zum Superintendenten brachte, betrieb in seinem Religionsunterricht am Gymnasium nebenbei Sexualaufklärung und zwar so: "Homosexualität, wisst ihr, ist schließlich kein Verbrechen, es ist ja Krankheit, ungefähr so wie Krebs …"
Ja, so waren die Zeiten damals, Zeiten, in denen eine dicke Hornschicht sehr nützlich war. Wir wollen all das nie vergessen. Es geht aber nicht nur um Vergangenes und Literarisches. Wie sehr sich dieses Denken bis in die Gegenwart erstreckt, kann man z.B. der aktuellen Anklageschrift der Berliner Staatsanwaltschaft gegen den Rapper Bushido entnehmen; nachzulesen mit ihrer z. T. hanebüchenen Begründung im „Tagesspiegel“ (Online-Ausgabe) vom 16.01.2014.
Und was noch Thomas Wolfe angeht: Seine Homophobie ist diskret, verschämt – unverschämt deutlich dafür sein Antisemitismus, vor allem in „Von Zeit und Strom“, erschienen erstmals auf Deutsch 1935 und später gern nachgedruckt - zuletzt 1989 - von Rowohlt. Aber das ist eine andere Geschichte …