Eine Altbauwohnung, vermutlich in Amsterdam. Zwei kleine Räume, nur zum Teil im Blickfeld. Die weiß lackierte Tür zwischen ihnen hat einen geschwungenen Messinggriff und steht offen. Die weißen Wände sind kahl. Im hinteren Zimmer ist der Rand eines einfachen Bettes sichtbar.
Ein Mann Anfang Dreißig kommt aus dem Schlafraum, steht im Durchgang. Er hat – sonderbar genug – eine Gasmaske in der Hand. O, das falsche Requisit für diese Aufnahme … Er lässt die Maske hinter der Wand verschwinden, man spürt Bedauern. Er trägt nur blaues Unterzeug und einen Motorradhelm auf dem Kopf. Durch dessen Visier erkennen wir undeutlich die Gesichtszüge eines hellhäutigen, blonden Mannes.
Er beginnt sich vor der Kamera anzukleiden, nacheinander kommen eine schwarze Motorradlederhose, eine Jacke aus gleichem Material und von gleicher Farbe, ein schwarzer Ledergürtel und schwarze Stiefel an die Reihe. Zuvor hat die Kamera einmal kurz eine Nahaufnahme der halbnackten Oberschenkel zustande gebracht. Sie sind, ohne fett zu sein, mehr fleischig als muskulös. Später werden wir, wenn er sich bückt, für Sekunden einen schmalen Streifen nackter Haut um die Leibesmitte sehen, vorn und hinten, mit den ersten Anzeichen etwas zu reichlicher Ernährung. Die Jacke endet über den Hüften, das kurze blaue Shirt wird nicht unter den Hosenbund gezogen.
Er zieht sich zügig an, wie einer, der es rasch hinter sich bringen will. Es ist ein routinierter Ablauf. Sein Bewusstsein von der laufenden Kamera äußert sich nur diskret. Er posiert nicht, geht scheinbar nur zweckbestimmt hin und her. So fragt einer sich: Sind die Fenster geschlossen, ist die Heizung abgedreht? Einmal streicht er kurz mit den Händen über die Gesäßtaschen: Sitzt die Hose ordentlich? Ohne Zweifel.
Der Kontrast zwischen alltäglichem Ankleiden und einer neugierigen, voyeuristischen, unersättlichen Kamera springt ins Auge, schafft erst die Dynamik des Streifens. Es geschieht nichts Ungewöhnliches, es geschieht hier nur Gewöhnliches, eben darin besteht der ungewöhnliche Reiz. Wie beobachten das Selbstverständliche, sonst nie Gezeigte – Magie des Alltags. Rein formal ist die Ankleideszene das Gegenteil eines exhibitionistischen Strips. Später wird er in einem Internet-Forum schreiben: Du wolltest mich nackt sehen?
Dann vielleicht doch eine Pose? Er lehnt mit der Hüfte gegen den Türrahmen, dreht sich in der Hüfte – er tut es nur, weil er einen Handschuh überstreifen und sich dabei abstützen möchte. Wir fühlen uns ein wenig ertappt. Er verhüllt sich und wir lauern auf – ja, auf was? Jetzt scheinen die Rollen vertauscht zu sein. Werden wir mit unseren Interessen entlarvt, während er sich immer mehr bedeckt?
Selbstverständlich ist alles inszeniert. Er ist gleichzeitig Darsteller, Kameramann und Regisseur und von ihm ist auch das Skript. Der Stoff: Einer gewährt Einblick in sein Privates, er ist gegenüber dem anonymen Zuschauer zuerst in der Defensive und gewinnt schließlich die Oberhand. Es ist ein kleines Lehrstück über Zurschaustellung und Ausgesetztsein, Entblößung und Verhüllung, Preisgabe und Rückgewinnung von Kontrolle. Das Interesse dafür ist beträchtlich. Als sein Video von nur zweieinhalb Minuten ein halbes Jahr im Netz steht, sind schon 50.000 Zugriffe erfolgt. Eine Kampfsportschule im Ausland hat es auf ihrer Seite verlinkt.
Hugo von Hofmannsthal, Die Wege und die Begegnungen: „Mich dünkt, es ist nicht die Umarmung, sondern die Begegnung die eigentliche erotischen Pantomime … Die Begegnung verspricht mehr, als die Umarmung halten kann.“ Der Unbekannte nimmt nun doch eine eindeutige Positur vor der Kamera ein – um sie auszuschalten.
Ein Mann Anfang Dreißig kommt aus dem Schlafraum, steht im Durchgang. Er hat – sonderbar genug – eine Gasmaske in der Hand. O, das falsche Requisit für diese Aufnahme … Er lässt die Maske hinter der Wand verschwinden, man spürt Bedauern. Er trägt nur blaues Unterzeug und einen Motorradhelm auf dem Kopf. Durch dessen Visier erkennen wir undeutlich die Gesichtszüge eines hellhäutigen, blonden Mannes.
Er beginnt sich vor der Kamera anzukleiden, nacheinander kommen eine schwarze Motorradlederhose, eine Jacke aus gleichem Material und von gleicher Farbe, ein schwarzer Ledergürtel und schwarze Stiefel an die Reihe. Zuvor hat die Kamera einmal kurz eine Nahaufnahme der halbnackten Oberschenkel zustande gebracht. Sie sind, ohne fett zu sein, mehr fleischig als muskulös. Später werden wir, wenn er sich bückt, für Sekunden einen schmalen Streifen nackter Haut um die Leibesmitte sehen, vorn und hinten, mit den ersten Anzeichen etwas zu reichlicher Ernährung. Die Jacke endet über den Hüften, das kurze blaue Shirt wird nicht unter den Hosenbund gezogen.
Er zieht sich zügig an, wie einer, der es rasch hinter sich bringen will. Es ist ein routinierter Ablauf. Sein Bewusstsein von der laufenden Kamera äußert sich nur diskret. Er posiert nicht, geht scheinbar nur zweckbestimmt hin und her. So fragt einer sich: Sind die Fenster geschlossen, ist die Heizung abgedreht? Einmal streicht er kurz mit den Händen über die Gesäßtaschen: Sitzt die Hose ordentlich? Ohne Zweifel.
Der Kontrast zwischen alltäglichem Ankleiden und einer neugierigen, voyeuristischen, unersättlichen Kamera springt ins Auge, schafft erst die Dynamik des Streifens. Es geschieht nichts Ungewöhnliches, es geschieht hier nur Gewöhnliches, eben darin besteht der ungewöhnliche Reiz. Wie beobachten das Selbstverständliche, sonst nie Gezeigte – Magie des Alltags. Rein formal ist die Ankleideszene das Gegenteil eines exhibitionistischen Strips. Später wird er in einem Internet-Forum schreiben: Du wolltest mich nackt sehen?
Dann vielleicht doch eine Pose? Er lehnt mit der Hüfte gegen den Türrahmen, dreht sich in der Hüfte – er tut es nur, weil er einen Handschuh überstreifen und sich dabei abstützen möchte. Wir fühlen uns ein wenig ertappt. Er verhüllt sich und wir lauern auf – ja, auf was? Jetzt scheinen die Rollen vertauscht zu sein. Werden wir mit unseren Interessen entlarvt, während er sich immer mehr bedeckt?
Selbstverständlich ist alles inszeniert. Er ist gleichzeitig Darsteller, Kameramann und Regisseur und von ihm ist auch das Skript. Der Stoff: Einer gewährt Einblick in sein Privates, er ist gegenüber dem anonymen Zuschauer zuerst in der Defensive und gewinnt schließlich die Oberhand. Es ist ein kleines Lehrstück über Zurschaustellung und Ausgesetztsein, Entblößung und Verhüllung, Preisgabe und Rückgewinnung von Kontrolle. Das Interesse dafür ist beträchtlich. Als sein Video von nur zweieinhalb Minuten ein halbes Jahr im Netz steht, sind schon 50.000 Zugriffe erfolgt. Eine Kampfsportschule im Ausland hat es auf ihrer Seite verlinkt.
Hugo von Hofmannsthal, Die Wege und die Begegnungen: „Mich dünkt, es ist nicht die Umarmung, sondern die Begegnung die eigentliche erotischen Pantomime … Die Begegnung verspricht mehr, als die Umarmung halten kann.“ Der Unbekannte nimmt nun doch eine eindeutige Positur vor der Kamera ein – um sie auszuschalten.