„ Die DDR zu erhalten, wäre möglich gewesen.
Größter Fehler der damaligen Führung: die Reiseeinschränkung.
Heute, nach mehr als 10 Jahren BRD, haben viele ehemalige DDR- Bürger, den Wunsch wieder in der DDR leben zu wollen. Jedenfalls mehr, als in den Jahren der DDR- Existenz DDR- Bürger bereit waren, nach einer Öffnung der Grenzen zu bleiben. Jetzt wollten sie nicht wirklich die alte DDR zurück haben, aber doch die Sicherheit und Geborgenheit dieser Zeit, die hätten sie gerne wieder.“
(aus Thesen eines ewig Gestrigen )
Gissi kannten alle. Weder Klops noch der aktuelle Kanzler kamen an ihm vorbei. Während Klops ihn immer als Krebsgeschwür an der freiheitlich – demokratischen Ordnung betrachtete, versuchte Schlöder den Spagat zwischen Nichtanerkennung der Partei und Ausnutzung der so wohltuenden , sympathischen und natürlichen Ausstrahlung des fröhlichen, wortgewandten und wortgewaltigen Geistes, den ihm die 1.Wende in sein bundesdeutsches Kanzlernest gelegt hatte.
Klops hatte nur die Chance, Gissi während der Sitzungen des Bundestages, an denen er noch teilnahm, mit seinem nachsichtig, verächtlichen Lächeln zu bedenken, die Macht eines ehemaligen Kanzlers ist doch vergleichsweise sehr eingeschränkt. Und Schlöder ?
Schlöder nahm den Mann in seine Arme, nicht aber seine Partei. Schlöder bewunderte Gissis Charisma. Schlöder beneidete Gissi um seine einfallsreichen Sprüche.
„Daß Demokratie da endet, wo nur noch zwei Menschen auf der Welt existieren“, stammt eindeutig aus Gissis Mund. Schlöder versuchte danach einen ähnlichen Satz zu kreieren, wurde dann aber von den Anforderungen nach dem 11. September des Jahres 2001 von seinem Vorhaben abgelenkt. Schulze sieht sich um :
Kopfwende !
In ganz Ostdeutschland dauerte es nur 10 Jahre, dann gab es für einen großen Teil der Menschen bereits eine neue Wende. Unauffällig, aber ohne eine Möglichkeit sie aufzuhalten. Sie ergriff zuerst die Menschen, die an der ersten Wende nicht unbedingt soviel verdienten, wie sie hätten bekommen müssen. Also all die, die nicht Pastor oder Rechtsanwalt von Beruf waren , die neue, einträgliche Aufgaben übernahmen- , all die nicht auf verborgene Ressourcen des gerade zu Grabe getragenen deutschen Staates zurück greifen konnten, der Begriff von den „alten Seilschaften“ machte zuerst im Osten die Runde, obwohl es viel ältere Seilschaften im Westen gibt.
Wen ergriff dieses Wenden noch ? All die, die nicht das Glück hatten, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Einige mußten sich später allerdings wieder zurückziehen, weil die Gauck-& Birtlerbehörde einfach nicht aufhören wollte, die ollen Schnipsel zusammen zu fügen. Dann die Menschen, das nette kleine Viertel der Menschen, die von der Arbeit befreit wurden. Zuerst genossen sie den Vorteil des lange anhaltenden Urlaubs, dann das Bildungsprivileg der „herrschenden“ Klasse, äh, jedenfalls erkannten die meisten, daß sie mit den vielen Bildungslehrgängen, Schulungskursen, Umschulungen und anderen arbeitslosengelderhaltenden Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit zwar über eine Unmenge an Wissen und Kenntnissen verfügen können, nicht jedoch über einen tagtäglich geregelten Ablauf, verbunden mit einer sinnvollen Tätigkeit, einem Ergebnis, das Erfolgsgefühle erzeugt sowie dem überaus wohltuenden Lohn- oder Gehaltstag am Ende einen Monats.
Kurzum, für diese Menschen , so fiel Schulze auf, hatte die Werbung schlichtweg gelogen, denn die Fernseh-Werbung von ARD und ZDF war es ja, die ihnen zu den Zeiten des zweiten, ach so sozialistischen Staates, von jener Welt erzählte, oft mühevoll, schließlich war es gar nicht so leicht, die Fernsehantenne nach dem Westen auszurichten und gleichzeitig die Vorzüge des Sozialismus zu predigen. Schulze hatte immer gewundert, warum auch die Bewohner des „Tales der Ahnungslosen“ – die ja keine bunte Werbung empfangen konnten - ebenso dringlich nach der Wende strebten, wohl verstanden, der 1. Wende.
Aber die Rolle der Werbung als wesentlichste Quelle des ersten Wendedranges ist unverkennbar. Schließlich riefen in Leipzig die Leute: „Wir sind das Volk !“. Und in Leipzig war es kein Problem Westfernsehen zu empfangen.
Ein ganz Schlauer könnte nun natürlich fragen: „Und was ist mit den Berlinern ? Da brauchte man doch nur das Antennenkabel auf den Fernsehtisch zu legen, dann kamen die Westsender doch von ganz alleine auf die schwarz- weiße Röhre ?!“ Die Antwort liegt auf der Hand:
Während den Leipzigern die Versorgung mit Fleisch und Obst und Gemüse nur in Wellen um die Ohren schlug, die Wellen der Messetermine, hatten die Berliner eine dauerhaft hohe Versorgung mit all den Dingen, die das Herz und der Magen der Ostdeutschen bewegte. Berliner waren Hauptstädter, Hauptstädter der späteren fast 17 Millionen Widerstandkämpfer gegen den SED- Willkürstaat. Eine zentrale Reisebewegung entstand mit der Zeit. Die Reisebewegung von Sachsen und Rostock gen Berlin. Es entstanden völlig neue Parolen. Aus: „Wie wir heute arbeiten, werden wir morgen leben !“, wurde: „Wie wir heute arbeiten, wird Berlin morgen leben !“.
Kurz gesagt, Berliner lebten damals nicht schlecht genug, um den Verlockungen der Werbung zu unterliegen.
Schulze denkt nach:
Enttäuscht und deswegen wieder zur Wende bereit, waren nun jene, die den ersten drei Wochen nach dem Ende der DDR zuviel Bedeutung beimaßen und Hoffnungen regten, etwas völlig neues zu schaffen, ein neues Deutschland mit den Vorzügen beider alter deutschen Staaten. In den Skat drücken, wollten sie alle Nachteile und Ungerechtigkeiten der alten Staatssysteme, bloß das hat nicht geklappt.
Die Heerscharen der sozialen Marktwirtschaft fielen in den Osten ein. Große Märkte entstanden aus den alten GHG- Lagerhallen. Warenmassen strömten in den Osten und Geldströme wanderten in den Westen zurück. Die Seuche „Treuhand“ Grausescher und Schäumlicher Prägung wütete im Osten und das erträumte Neue ging ebenso unter, wie die ehemals volkseigen genannten – wirklich waren es ja doch nie unsere – Betriebe.
Wundersam neu, das war der Begriff der SOLIDARITÄT. Wir kannten sie ja schon, in Form der monatlichen Abgaben vom Gehalt, bezogen in Prozent, auf die Mitgliedsbeiträge für den FDGB. Heute aber, war es die Solidarität aller Deutschen, die Lohn und Gehalt bezogen, mit Deutschland. Bloß, wo das Geld nun wirklich hinkam, wer es wirklich bekam, das blieb nicht nur Schulze verborgen, für die Westdeutschen war es eine Erfahrung, mit der sie sich dann irgendwann abfanden. Die Ostdeutschen auch. Hier also war sie,
die erste Gemeinsamkeit der neuen Deutschen. Es gab auch Unterschiede, die für Schulze aber keine Rolle spielen sollen.Große Teile der Bewohner der „neuen Bundesländer“ konnten sich nicht daran gewöhnen, daß Babys zum einfachen Handelsgegenstand werden können, sie konnten sich nicht daran gewöhnen, daß es mehr Drogen braucht als „Weißen“ und „Braunen“, als „F6“ oder Pilsner.Und das es immer schwieriger wurde, Miete zu bezahlen und daß man viel, viel mehr versichern kann, als Gesundheit, Leben , Haushalt, Haftpflicht und Auto.
Nicht einverstanden waren sie auch mit den Diäten, die sich die Abgeordneten – Achtung hier war sie, die zweite Gemeinsamkeit der neuen Deutschen ! – im ständig steigendem Maße genehmigten. Sicherlich auch, weil das Wort DIÄT ja unterstellt, weniger zu sich zu nehmen bzw. abzunehmen, als das Gegenteil zu tun. Na klar, die DDR wollte Schulze auch nicht wieder zurück haben. Wenn er bedenkt: Immer mußte erst einmal Sozialismus gesagt werden, bevor man zur Sache kommen konnte. Andererseits war die Anpassung an diese, von „oben“ verordnete Erwähnung von Sozialismus und Parteitag der SED fast perfektioniert. In den meisten Kultursälen und Betriebskantinen prangten die Losungen des Sozialismus an den Wänden, deren Aktualisierung nur durch Einfügen der neuen Jahreszahlen und der neuen Nummer des gerade statt gefundenen Parteitages der SED erfolgte. Deswegen waren diese beiden Stellen des Transparentes meist von hervorragender Helligkeit, während die übrigen Buchstaben im Laufe der Jahrzehnte nach und nach verblaßten. Dennoch ! Da wollte keiner neu beginnen.
Schulze erinnert sich.
Alleine in den VEB, in den Betrieben gab es viel zu viel Menschen, die ohne wirklich zu arbeiten, am Ende des Monats Geld bekamen, aber nicht verdient hatten.
Ja, da gab es Versorgungslücken und Engpässe.
Engpässe ist sicherlich übertrieben, aber gibt es denn auch WEITPÄSSE ? Das Volk reagierte. Nicht gleich mit dem Neuen Forum, aber mit ähnlichen Witzen. Schulzes Witz: Die Fleischverkaufstelle der HO, die ein Schild anbrachte, mit großen Buchstaben:
„Wurst- und Fleischwaren“, damit keiner auf die Idee kam, daß da Fliesen und Kacheln verkauft werden. Der doppelte Mangel ? Den haben die Ostdeutschen meistens beherrscht. Was für tolle Tauschgeschäfte :
Autoreifen gegen Zylinderkopfdichtung; Kaffee gegen Antennenkabel oder Oelsardinen gegen Waschmaschinenteil. Die Bereitschaft zu einer erneuten Wende hatte auch andere Ursachen. Aus dem Westen kamen Knastologen, die ihren Freigang nutzten, denen im Osten zu zeigen, wie die Marktwirtschaft funktioniert. Sie kamen in schwarzen Leihwagen, bekleidet mit schwarzem Anzug (ohne Streifen) und dem Auftreten des Weltmannes.
Sie gingen mit vollen Aktentaschen und großen Beträgen von dem Geld, das die Ostdeutschen vor der Wende noch 1 zu 10 getauscht hatten. Viele der Ostdeutschen blieben auf ihren Schulden sitzen, weil sie den Ratschlägen folgend, investierten und verkauften, Kredite aufnahmen und wieder verkauften. Der wohl zurück gebliebene Ostdeutsche begann damit sich eine neue Arbeit zu suchen, um in 20 Jahren als sparsamer Arbeitnehmer all seine Schulden bezahlt zu haben. Vielleicht !?
Schulze fällt das aktuelle Gemecker auf den Wecker.
Die Ossis wählen immer
mehr PDS. Das Wahlverhalten wurde kritisiert. Was zur DDR- Zeit im Promillebereich – Nichtwähler und Gegenstimmen fanden sich ja nur im allerletzten Prozentpunkt nach der 99 wieder, erreichte nun überschaubare Größen. Die Kritik war harsch und – Dank der Medienaktivitäten – auch überall hörbar. Kritik von West nach Ost. Die Empfänger wurden sauer. Schließlich machten sie nur das, was ihnen die freiheitliche Demokratie erlaubte. Sie gingen zur Wahl und wählten.
Sie wählten die Menschen, die sie meinten zu kennen und von denen sie meinten, daß sie in der Lage seien, ihre Zufriedenheit wieder zu erhöhen, denn – wie gesagt – die Werbung hatte gelogen. Einige hatten eine längere Zeit die Illusion, daß sie Politiker wählen müßten, die ihnen aus dem Fernehen so gut bekannt wurden. Sie ahnten lange Zeit nicht, daß Fernsehauftritte und gelegentliche Besuche von solchen Politikern auf einer sorgfältigen Vorbereitung, geschulter Wortwahl, psychologischer Studien und einer ausgefeilten Regie basiert. Alles, was da gesagt und getan wurde, hatte nur ein Ziel: Sympatien, Sympatien usw.
Da brauchte es schon einige Zeit, ehe die Qualität des Gewählten für den Wähler klar wurde. Wie lange es dauert, ehe der Ostdeutsche reagiert, hat ja die Geschichte gezeigt. Aber, Schulze lernte schneller, schneller als früher.
Er lernte die neuen Palästen der Republik, die neu erbauten Arbeitsämtern und Finanzämtern kennen.
Er sucht Alternativen.
Z.B. Eisenhüttenstadt: Sympathisanten der als rechtspopulistisch geltenden Schill-Partei wollen in Eisenhüttenstadt den ersten Ortsverband der Region Berlin-Brandenburg gründen. Nach Informationen der "Berliner Zeitung" (Mittwochausgabe) stammen zwei der Initiatoren aus der DDR- Bürgerrechtsbewegung.
Quelle: Videotext MDR Mi.09.01.02
Schulzes Chancen werden schlechter:
EXPERTEN: OST-ARBEITSLOSIGKEIT STEIGT
Die Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern wird nach Ansicht des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) steigen. Den Experten zufolge wird die Quote von 9,0 Prozent 2001 auf 9,4 Prozent in diesem Jahr steigen.
Für Ostdeutschland sagt das IWH eine Stagnation des Wirtschaftswachstums voraus. Hingegen sei in der gesamten Bundesrepublik ein Wachstum von 0,6 Prozent zu erwarten. Quelle: s.o.
Erst hatte Schulze es mit den Grünen versucht.
Mit konsequenter Hartnäckigkeit hatten sich die Grünen entwickelt. Die 68´iger lebten bei ihnen ebenso auf, wie Hippys und Revoluzzer. Für Tier und Pflanze gegen Schlips und Kragen. Mit Turnschuh gegen Atomkraft. Mit Babyparteitag gegen die NATO. Mit Blumen gegen Waffenexport und Krieg. Schulze mochten sie.
Er hat sie sogar noch gewählt als die Bündnis 90- die Grünen – Bewegung kreiert wurde. Denn eigentlich vertraten sie alles, was sich so kurz nach der ersten Wende als Wunschtraum im Osten etabliert hatte und inzwischen eben nur Wunschtraum geblieben ist.
Woher kommt bloß dieser Satz: „ Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben“ ? Der Satz stimmt zwar, aber er enthält keine Aussage über die Richtung. Kurz, Fischi´s Partei war für Schulze auch nur eine weitere Enttäuschung. Das hatte – aha, schon wieder eine Gemeinsamkeit aller Deutschen – dazu geführt, daß die Grünen immer weniger gewählt wurden. Schulze denkt.
Als immer mehr Menschen damit begannen, als Ausweg aus der Alternativlosigkeit, das rechte Spektrum zu wählen, bekam er kalte Füße. Das passierte in den vergangenen Jahren relativ häufig, aber dieses Mal schien es ihm ernster und problematischer zu sein. Der blonde Bajuware, der Stopser war erschienen. Als zweiter Kanzlerkandidat der CDU/CSU, der erste war ja der Strauß im Jahr 80, als die BRD noch eine gute Adresse des Klassengegners war, war dem gesamtdeutschen Volk der neue erschienen. In der Hinterhand (für Leute, die das Skatspiel nicht kennen, der hatte vielleicht etwas Vielversprechendes in der Reserve) die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte Bayern, das Land im Süden Deutschlands, wo nur die Berge den Expansionsdrang auf ganz natürliche Weise gebremst haben. Außerdem die uneingeschränkte Unterstützung der ostdeutschen Frauenhoffnung, der „verkohlten“ Angela Mergel, dem trotzigen, ochsenköpfigen Urgestein der CDU- Führung, der Mischung von demütiger Pfarrerstochter und gekreuzigtem Jesus, wenn man ihrem Mienenspiel folgen kann oder möchte. Schulze wollte nicht. Schulze überlegt wieder.
Er ermahnt sich. Positiv Denken ! Das vielbeschworene positive Denken, ist eigentlich nichts anderes als zu hoffen, daß es beim nächsten Mal besser klappt.
Hoffnung basiert auf Glauben. Man glaubt, daß es besser wird. Glaubt man das stark genug, dann ist es positives Denken. Glauben passiert da, wo es keine gesicherten Fakten gibt. Da positives Denken heute zum gesellschaftlichen Ansehen gehört, sind die Weichen zugunsten von Stopser gestellt. Schulze fürchtet.
Er fürchtet, es sind zu viele die Stopser wählen würden. Schulze fürchtet, daß es künftig auf dem Alexanderplatz ein Müchner Hofbräuhaus gibt. Schulzes Furcht beflügelt seinen Geist. Am Ende erster Überlegungen angekommen, stellt sich Schulze dem Ergebnis.
Eine Alternative ! Finden !? Schulze geht in sich.
Was bewegt diese Gesellschaft ? Zum Gelde drängt, am Gelde hängt es ! Wie kommt man zu Geld ? Durch Verkauf.
Verkauf von vorher produzierten Sachen oder Leistungen.
Was für eine Sache, eine Leistung könnte das sein ?
Schulze nennt es Produkt, was gefunden werden muß.
Das ist zwar ein Plagiat, aber das macht nichts.
Ein Produkt, das, wenn es verkauft wird, mehr einbringt, als es kostet. Schulze geht schlafen, im Kopf dreht sich die Frage, was könnte es sein, was jeder braucht und viele leisten können ? Schulze steht wieder auf. Im Kopf, in Mundhöhe die Zahnbürste, die Augen erblicken zersauste Haare und gerötete Augen im Spiegel, während sich hinter diesen Augen die Frage erneut formuliert: Was kann der Ostdeutsche, was kein anderer so kann, wie er ?
Der Ansatz: Die Ostdeutschen haben 40 Jahre nicht in der Marktwirtschaft gelebt. Haben sich Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickelt, die in der Marktwirtschaft nicht oder nur in geringem Maße entwickelt werden ? Das Produkt muß preiswert sein. Möglichst wenig kosten, es herzustellen und möglichst so begehrt sein, daß der Preis hoch ist. Aus dem Unterschied zwischen Preis und Kosten sollen viele Menschen leben können, als muß der Unterschied groß sein.
Was haben die Kontakte mit den Menschen aus den alten Bundesländern in den vergangenen Jahren gebracht ?
Die meisten Leute aus den alten Bundesländern haben sich bei Schulze beklagt, weil sie schon so lange in einer Ellenbogen- Gesellschaft leben. Jeder ist gegen jeden, da der andere ja ein Konkurrent sein könnte.
Gespräche unter den Westdeutschen finden immer unter Vorbehalt statt. Ja, Schulze erbebt unter der Ahnung, daß ein Produkt gefunden sein könnte, ja, das könnte es sein !
Die Ostdeutschen waren 40 Jahre lang, keine Konkurrenten. Sie konnten miteinander reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen war, mal abgesehen von den Sonderfällen der Bespitzelung durch die Stasi.
Unbefangen hatten die Ostdeutschen miteinander gefeiert.
In der „Platte“ bebten die Gemeinschaftskeller vom Lachen der Mieter, die ihre monatliche Aufgangsfeier durchführten und sich gerade einen Witz erzählt hatten.
Schulzes Witz, damals: Treffen sich Tünnes und Scheel nach 10 Jahren wieder. Tünnes, etwas alltäglich angezogen entdeckt an Scheel den tollen Pelzmantel, die Schuhe aus dem Westen und die Goldringe an den Fingern beider Hände. „Mensch, Scheel, du bist wohl reich geworden ? Wo arbeitest du denn ?“ Scheel, erfreut, aber auch zurückhaltend: „Im Zentralkomitee der SED.“
„Oh, das wußte ich ja gar nicht. In welcher Abteilung bist du ?“ Scheel, leicht distinguiert: „In der Abteilung WITZE !“
„Was, die gibt es wirklich ? Wieviel Leute seid ihr denn da ?“ „Etwa 2500 .“ „Waaas ? Das gibt es doch nicht ! Habt ihr denn noch gar nichts von der Losung :
Weniger produzieren mehr ! gehört ?“ „Na, der Witz ist auch von uns !“
Schulze ist auf der Spur. Das Produkt ist erahnt. Die Leute sind es. Der Ostdeutsche kann mit anderen Menschen reden, ohne einen Hintergedanken, eine Intrige, eine Konkurrenz. Der Ostdeutsche ist die Ruhepause !
Die Pause für den Menschen aus und in der Marktwirtschaft. Der Ausgleich für den Ellenbogen.
Das Produkt „Ohne- Furcht- Date“
Abgerechnet in Minuten. Sprechen Sie mit ihrem Menschen. Angebot in jeglicher Qualifikation, Alter oder Geschlecht. Ihr Gesprächspartner hat keinerlei kommerzielle Interessen. Nur Zuhören und Antworten.
Alle Antworten ohne Gewähr, aber auch ohne jede Verpflichtung für Sie.
Familienkontakte auf Anfrage. Telefongespräche ebenso möglich, wie Internetkontakte. Besuche auf Anforderung.
Terminabsprachen erbeten. Zielgruppe:
Rd. 70 Millionen Menschen in den alten Bundesländern.
Anbieter: Rd. 15 Millionen Ostdeutsche. Form:
Nach der zweiten Wende bildeten die ehemaligen Ostdeutschen eine NL. Das Neue Land. Ohne eigenes Land. Auch ohne Mauer. Es wollte eh keiner weg, aus dem NL. Jeder bekam die Dinge, die er benötigte, ohne sie zu bezahlen. Die Bezahlung erfolgte über das ONL Org.-komitee Neues Land), alle Lieferanten rissen sich um die Lieferungen an die NL, denn es gab keinen besseren, ganz bestimmt zahlenden Geschäftspartner. Gissi wurde in einer, der einzigen Wahl, die in der NL durchgeführt wurde, an die Spitze des Organisationskomitee gewählt.
Die Nachfolge organisierte eine einfache Regel. Schied einer aus dem Berufsleben aus, dann übernahm der nächste Anwärter, der jeweils am längsten im Komitee Tätige, die Spitze des Org.- Komitees. Der Sitz des (ONL) blieb in Berlin. Gissi brauchte sich also kaum zu verändern.
Alle noch in den neuen fünf Bundesländern verbliebenen Menschen kündigten die bestehenden Arbeitsverträge, 25 % brauchten
dies ohnehin nicht. Frauen und Männer schlossen, mit Ausnahme der Rentner, aber die konnten unbegrenzt hinzu verdienen, Arbeitsverträge mit dem ONL , die Arbeitszeit war flexibel und wurde nur dann geleistet, wenn das ONL eine entsprechende Anforderung bekam und die Bezahlung – nur Vorkasse !- eingetroffen war.
Die Fahrten zu den Kunden organisierten und bezahlten die Kunden. Die Minuten waren sehr teuer, aber
die Ostdeutschen wollten die Welt sowie so nicht mehr verbessern. Es lebte der Status- Quo !
Größter Fehler der damaligen Führung: die Reiseeinschränkung.
Heute, nach mehr als 10 Jahren BRD, haben viele ehemalige DDR- Bürger, den Wunsch wieder in der DDR leben zu wollen. Jedenfalls mehr, als in den Jahren der DDR- Existenz DDR- Bürger bereit waren, nach einer Öffnung der Grenzen zu bleiben. Jetzt wollten sie nicht wirklich die alte DDR zurück haben, aber doch die Sicherheit und Geborgenheit dieser Zeit, die hätten sie gerne wieder.“
(aus Thesen eines ewig Gestrigen )
Gissi kannten alle. Weder Klops noch der aktuelle Kanzler kamen an ihm vorbei. Während Klops ihn immer als Krebsgeschwür an der freiheitlich – demokratischen Ordnung betrachtete, versuchte Schlöder den Spagat zwischen Nichtanerkennung der Partei und Ausnutzung der so wohltuenden , sympathischen und natürlichen Ausstrahlung des fröhlichen, wortgewandten und wortgewaltigen Geistes, den ihm die 1.Wende in sein bundesdeutsches Kanzlernest gelegt hatte.
Klops hatte nur die Chance, Gissi während der Sitzungen des Bundestages, an denen er noch teilnahm, mit seinem nachsichtig, verächtlichen Lächeln zu bedenken, die Macht eines ehemaligen Kanzlers ist doch vergleichsweise sehr eingeschränkt. Und Schlöder ?
Schlöder nahm den Mann in seine Arme, nicht aber seine Partei. Schlöder bewunderte Gissis Charisma. Schlöder beneidete Gissi um seine einfallsreichen Sprüche.
„Daß Demokratie da endet, wo nur noch zwei Menschen auf der Welt existieren“, stammt eindeutig aus Gissis Mund. Schlöder versuchte danach einen ähnlichen Satz zu kreieren, wurde dann aber von den Anforderungen nach dem 11. September des Jahres 2001 von seinem Vorhaben abgelenkt. Schulze sieht sich um :
Kopfwende !
In ganz Ostdeutschland dauerte es nur 10 Jahre, dann gab es für einen großen Teil der Menschen bereits eine neue Wende. Unauffällig, aber ohne eine Möglichkeit sie aufzuhalten. Sie ergriff zuerst die Menschen, die an der ersten Wende nicht unbedingt soviel verdienten, wie sie hätten bekommen müssen. Also all die, die nicht Pastor oder Rechtsanwalt von Beruf waren , die neue, einträgliche Aufgaben übernahmen- , all die nicht auf verborgene Ressourcen des gerade zu Grabe getragenen deutschen Staates zurück greifen konnten, der Begriff von den „alten Seilschaften“ machte zuerst im Osten die Runde, obwohl es viel ältere Seilschaften im Westen gibt.
Wen ergriff dieses Wenden noch ? All die, die nicht das Glück hatten, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Einige mußten sich später allerdings wieder zurückziehen, weil die Gauck-& Birtlerbehörde einfach nicht aufhören wollte, die ollen Schnipsel zusammen zu fügen. Dann die Menschen, das nette kleine Viertel der Menschen, die von der Arbeit befreit wurden. Zuerst genossen sie den Vorteil des lange anhaltenden Urlaubs, dann das Bildungsprivileg der „herrschenden“ Klasse, äh, jedenfalls erkannten die meisten, daß sie mit den vielen Bildungslehrgängen, Schulungskursen, Umschulungen und anderen arbeitslosengelderhaltenden Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit zwar über eine Unmenge an Wissen und Kenntnissen verfügen können, nicht jedoch über einen tagtäglich geregelten Ablauf, verbunden mit einer sinnvollen Tätigkeit, einem Ergebnis, das Erfolgsgefühle erzeugt sowie dem überaus wohltuenden Lohn- oder Gehaltstag am Ende einen Monats.
Kurzum, für diese Menschen , so fiel Schulze auf, hatte die Werbung schlichtweg gelogen, denn die Fernseh-Werbung von ARD und ZDF war es ja, die ihnen zu den Zeiten des zweiten, ach so sozialistischen Staates, von jener Welt erzählte, oft mühevoll, schließlich war es gar nicht so leicht, die Fernsehantenne nach dem Westen auszurichten und gleichzeitig die Vorzüge des Sozialismus zu predigen. Schulze hatte immer gewundert, warum auch die Bewohner des „Tales der Ahnungslosen“ – die ja keine bunte Werbung empfangen konnten - ebenso dringlich nach der Wende strebten, wohl verstanden, der 1. Wende.
Aber die Rolle der Werbung als wesentlichste Quelle des ersten Wendedranges ist unverkennbar. Schließlich riefen in Leipzig die Leute: „Wir sind das Volk !“. Und in Leipzig war es kein Problem Westfernsehen zu empfangen.
Ein ganz Schlauer könnte nun natürlich fragen: „Und was ist mit den Berlinern ? Da brauchte man doch nur das Antennenkabel auf den Fernsehtisch zu legen, dann kamen die Westsender doch von ganz alleine auf die schwarz- weiße Röhre ?!“ Die Antwort liegt auf der Hand:
Während den Leipzigern die Versorgung mit Fleisch und Obst und Gemüse nur in Wellen um die Ohren schlug, die Wellen der Messetermine, hatten die Berliner eine dauerhaft hohe Versorgung mit all den Dingen, die das Herz und der Magen der Ostdeutschen bewegte. Berliner waren Hauptstädter, Hauptstädter der späteren fast 17 Millionen Widerstandkämpfer gegen den SED- Willkürstaat. Eine zentrale Reisebewegung entstand mit der Zeit. Die Reisebewegung von Sachsen und Rostock gen Berlin. Es entstanden völlig neue Parolen. Aus: „Wie wir heute arbeiten, werden wir morgen leben !“, wurde: „Wie wir heute arbeiten, wird Berlin morgen leben !“.
Kurz gesagt, Berliner lebten damals nicht schlecht genug, um den Verlockungen der Werbung zu unterliegen.
Schulze denkt nach:
Enttäuscht und deswegen wieder zur Wende bereit, waren nun jene, die den ersten drei Wochen nach dem Ende der DDR zuviel Bedeutung beimaßen und Hoffnungen regten, etwas völlig neues zu schaffen, ein neues Deutschland mit den Vorzügen beider alter deutschen Staaten. In den Skat drücken, wollten sie alle Nachteile und Ungerechtigkeiten der alten Staatssysteme, bloß das hat nicht geklappt.
Die Heerscharen der sozialen Marktwirtschaft fielen in den Osten ein. Große Märkte entstanden aus den alten GHG- Lagerhallen. Warenmassen strömten in den Osten und Geldströme wanderten in den Westen zurück. Die Seuche „Treuhand“ Grausescher und Schäumlicher Prägung wütete im Osten und das erträumte Neue ging ebenso unter, wie die ehemals volkseigen genannten – wirklich waren es ja doch nie unsere – Betriebe.
Wundersam neu, das war der Begriff der SOLIDARITÄT. Wir kannten sie ja schon, in Form der monatlichen Abgaben vom Gehalt, bezogen in Prozent, auf die Mitgliedsbeiträge für den FDGB. Heute aber, war es die Solidarität aller Deutschen, die Lohn und Gehalt bezogen, mit Deutschland. Bloß, wo das Geld nun wirklich hinkam, wer es wirklich bekam, das blieb nicht nur Schulze verborgen, für die Westdeutschen war es eine Erfahrung, mit der sie sich dann irgendwann abfanden. Die Ostdeutschen auch. Hier also war sie,
die erste Gemeinsamkeit der neuen Deutschen. Es gab auch Unterschiede, die für Schulze aber keine Rolle spielen sollen.Große Teile der Bewohner der „neuen Bundesländer“ konnten sich nicht daran gewöhnen, daß Babys zum einfachen Handelsgegenstand werden können, sie konnten sich nicht daran gewöhnen, daß es mehr Drogen braucht als „Weißen“ und „Braunen“, als „F6“ oder Pilsner.Und das es immer schwieriger wurde, Miete zu bezahlen und daß man viel, viel mehr versichern kann, als Gesundheit, Leben , Haushalt, Haftpflicht und Auto.
Nicht einverstanden waren sie auch mit den Diäten, die sich die Abgeordneten – Achtung hier war sie, die zweite Gemeinsamkeit der neuen Deutschen ! – im ständig steigendem Maße genehmigten. Sicherlich auch, weil das Wort DIÄT ja unterstellt, weniger zu sich zu nehmen bzw. abzunehmen, als das Gegenteil zu tun. Na klar, die DDR wollte Schulze auch nicht wieder zurück haben. Wenn er bedenkt: Immer mußte erst einmal Sozialismus gesagt werden, bevor man zur Sache kommen konnte. Andererseits war die Anpassung an diese, von „oben“ verordnete Erwähnung von Sozialismus und Parteitag der SED fast perfektioniert. In den meisten Kultursälen und Betriebskantinen prangten die Losungen des Sozialismus an den Wänden, deren Aktualisierung nur durch Einfügen der neuen Jahreszahlen und der neuen Nummer des gerade statt gefundenen Parteitages der SED erfolgte. Deswegen waren diese beiden Stellen des Transparentes meist von hervorragender Helligkeit, während die übrigen Buchstaben im Laufe der Jahrzehnte nach und nach verblaßten. Dennoch ! Da wollte keiner neu beginnen.
Schulze erinnert sich.
Alleine in den VEB, in den Betrieben gab es viel zu viel Menschen, die ohne wirklich zu arbeiten, am Ende des Monats Geld bekamen, aber nicht verdient hatten.
Ja, da gab es Versorgungslücken und Engpässe.
Engpässe ist sicherlich übertrieben, aber gibt es denn auch WEITPÄSSE ? Das Volk reagierte. Nicht gleich mit dem Neuen Forum, aber mit ähnlichen Witzen. Schulzes Witz: Die Fleischverkaufstelle der HO, die ein Schild anbrachte, mit großen Buchstaben:
„Wurst- und Fleischwaren“, damit keiner auf die Idee kam, daß da Fliesen und Kacheln verkauft werden. Der doppelte Mangel ? Den haben die Ostdeutschen meistens beherrscht. Was für tolle Tauschgeschäfte :
Autoreifen gegen Zylinderkopfdichtung; Kaffee gegen Antennenkabel oder Oelsardinen gegen Waschmaschinenteil. Die Bereitschaft zu einer erneuten Wende hatte auch andere Ursachen. Aus dem Westen kamen Knastologen, die ihren Freigang nutzten, denen im Osten zu zeigen, wie die Marktwirtschaft funktioniert. Sie kamen in schwarzen Leihwagen, bekleidet mit schwarzem Anzug (ohne Streifen) und dem Auftreten des Weltmannes.
Sie gingen mit vollen Aktentaschen und großen Beträgen von dem Geld, das die Ostdeutschen vor der Wende noch 1 zu 10 getauscht hatten. Viele der Ostdeutschen blieben auf ihren Schulden sitzen, weil sie den Ratschlägen folgend, investierten und verkauften, Kredite aufnahmen und wieder verkauften. Der wohl zurück gebliebene Ostdeutsche begann damit sich eine neue Arbeit zu suchen, um in 20 Jahren als sparsamer Arbeitnehmer all seine Schulden bezahlt zu haben. Vielleicht !?
Schulze fällt das aktuelle Gemecker auf den Wecker.
Die Ossis wählen immer
mehr PDS. Das Wahlverhalten wurde kritisiert. Was zur DDR- Zeit im Promillebereich – Nichtwähler und Gegenstimmen fanden sich ja nur im allerletzten Prozentpunkt nach der 99 wieder, erreichte nun überschaubare Größen. Die Kritik war harsch und – Dank der Medienaktivitäten – auch überall hörbar. Kritik von West nach Ost. Die Empfänger wurden sauer. Schließlich machten sie nur das, was ihnen die freiheitliche Demokratie erlaubte. Sie gingen zur Wahl und wählten.
Sie wählten die Menschen, die sie meinten zu kennen und von denen sie meinten, daß sie in der Lage seien, ihre Zufriedenheit wieder zu erhöhen, denn – wie gesagt – die Werbung hatte gelogen. Einige hatten eine längere Zeit die Illusion, daß sie Politiker wählen müßten, die ihnen aus dem Fernehen so gut bekannt wurden. Sie ahnten lange Zeit nicht, daß Fernsehauftritte und gelegentliche Besuche von solchen Politikern auf einer sorgfältigen Vorbereitung, geschulter Wortwahl, psychologischer Studien und einer ausgefeilten Regie basiert. Alles, was da gesagt und getan wurde, hatte nur ein Ziel: Sympatien, Sympatien usw.
Da brauchte es schon einige Zeit, ehe die Qualität des Gewählten für den Wähler klar wurde. Wie lange es dauert, ehe der Ostdeutsche reagiert, hat ja die Geschichte gezeigt. Aber, Schulze lernte schneller, schneller als früher.
Er lernte die neuen Palästen der Republik, die neu erbauten Arbeitsämtern und Finanzämtern kennen.
Er sucht Alternativen.
Z.B. Eisenhüttenstadt: Sympathisanten der als rechtspopulistisch geltenden Schill-Partei wollen in Eisenhüttenstadt den ersten Ortsverband der Region Berlin-Brandenburg gründen. Nach Informationen der "Berliner Zeitung" (Mittwochausgabe) stammen zwei der Initiatoren aus der DDR- Bürgerrechtsbewegung.
Quelle: Videotext MDR Mi.09.01.02
Schulzes Chancen werden schlechter:
EXPERTEN: OST-ARBEITSLOSIGKEIT STEIGT
Die Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern wird nach Ansicht des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) steigen. Den Experten zufolge wird die Quote von 9,0 Prozent 2001 auf 9,4 Prozent in diesem Jahr steigen.
Für Ostdeutschland sagt das IWH eine Stagnation des Wirtschaftswachstums voraus. Hingegen sei in der gesamten Bundesrepublik ein Wachstum von 0,6 Prozent zu erwarten. Quelle: s.o.
Erst hatte Schulze es mit den Grünen versucht.
Mit konsequenter Hartnäckigkeit hatten sich die Grünen entwickelt. Die 68´iger lebten bei ihnen ebenso auf, wie Hippys und Revoluzzer. Für Tier und Pflanze gegen Schlips und Kragen. Mit Turnschuh gegen Atomkraft. Mit Babyparteitag gegen die NATO. Mit Blumen gegen Waffenexport und Krieg. Schulze mochten sie.
Er hat sie sogar noch gewählt als die Bündnis 90- die Grünen – Bewegung kreiert wurde. Denn eigentlich vertraten sie alles, was sich so kurz nach der ersten Wende als Wunschtraum im Osten etabliert hatte und inzwischen eben nur Wunschtraum geblieben ist.
Woher kommt bloß dieser Satz: „ Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben“ ? Der Satz stimmt zwar, aber er enthält keine Aussage über die Richtung. Kurz, Fischi´s Partei war für Schulze auch nur eine weitere Enttäuschung. Das hatte – aha, schon wieder eine Gemeinsamkeit aller Deutschen – dazu geführt, daß die Grünen immer weniger gewählt wurden. Schulze denkt.
Als immer mehr Menschen damit begannen, als Ausweg aus der Alternativlosigkeit, das rechte Spektrum zu wählen, bekam er kalte Füße. Das passierte in den vergangenen Jahren relativ häufig, aber dieses Mal schien es ihm ernster und problematischer zu sein. Der blonde Bajuware, der Stopser war erschienen. Als zweiter Kanzlerkandidat der CDU/CSU, der erste war ja der Strauß im Jahr 80, als die BRD noch eine gute Adresse des Klassengegners war, war dem gesamtdeutschen Volk der neue erschienen. In der Hinterhand (für Leute, die das Skatspiel nicht kennen, der hatte vielleicht etwas Vielversprechendes in der Reserve) die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte Bayern, das Land im Süden Deutschlands, wo nur die Berge den Expansionsdrang auf ganz natürliche Weise gebremst haben. Außerdem die uneingeschränkte Unterstützung der ostdeutschen Frauenhoffnung, der „verkohlten“ Angela Mergel, dem trotzigen, ochsenköpfigen Urgestein der CDU- Führung, der Mischung von demütiger Pfarrerstochter und gekreuzigtem Jesus, wenn man ihrem Mienenspiel folgen kann oder möchte. Schulze wollte nicht. Schulze überlegt wieder.
Er ermahnt sich. Positiv Denken ! Das vielbeschworene positive Denken, ist eigentlich nichts anderes als zu hoffen, daß es beim nächsten Mal besser klappt.
Hoffnung basiert auf Glauben. Man glaubt, daß es besser wird. Glaubt man das stark genug, dann ist es positives Denken. Glauben passiert da, wo es keine gesicherten Fakten gibt. Da positives Denken heute zum gesellschaftlichen Ansehen gehört, sind die Weichen zugunsten von Stopser gestellt. Schulze fürchtet.
Er fürchtet, es sind zu viele die Stopser wählen würden. Schulze fürchtet, daß es künftig auf dem Alexanderplatz ein Müchner Hofbräuhaus gibt. Schulzes Furcht beflügelt seinen Geist. Am Ende erster Überlegungen angekommen, stellt sich Schulze dem Ergebnis.
Eine Alternative ! Finden !? Schulze geht in sich.
Was bewegt diese Gesellschaft ? Zum Gelde drängt, am Gelde hängt es ! Wie kommt man zu Geld ? Durch Verkauf.
Verkauf von vorher produzierten Sachen oder Leistungen.
Was für eine Sache, eine Leistung könnte das sein ?
Schulze nennt es Produkt, was gefunden werden muß.
Das ist zwar ein Plagiat, aber das macht nichts.
Ein Produkt, das, wenn es verkauft wird, mehr einbringt, als es kostet. Schulze geht schlafen, im Kopf dreht sich die Frage, was könnte es sein, was jeder braucht und viele leisten können ? Schulze steht wieder auf. Im Kopf, in Mundhöhe die Zahnbürste, die Augen erblicken zersauste Haare und gerötete Augen im Spiegel, während sich hinter diesen Augen die Frage erneut formuliert: Was kann der Ostdeutsche, was kein anderer so kann, wie er ?
Der Ansatz: Die Ostdeutschen haben 40 Jahre nicht in der Marktwirtschaft gelebt. Haben sich Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickelt, die in der Marktwirtschaft nicht oder nur in geringem Maße entwickelt werden ? Das Produkt muß preiswert sein. Möglichst wenig kosten, es herzustellen und möglichst so begehrt sein, daß der Preis hoch ist. Aus dem Unterschied zwischen Preis und Kosten sollen viele Menschen leben können, als muß der Unterschied groß sein.
Was haben die Kontakte mit den Menschen aus den alten Bundesländern in den vergangenen Jahren gebracht ?
Die meisten Leute aus den alten Bundesländern haben sich bei Schulze beklagt, weil sie schon so lange in einer Ellenbogen- Gesellschaft leben. Jeder ist gegen jeden, da der andere ja ein Konkurrent sein könnte.
Gespräche unter den Westdeutschen finden immer unter Vorbehalt statt. Ja, Schulze erbebt unter der Ahnung, daß ein Produkt gefunden sein könnte, ja, das könnte es sein !
Die Ostdeutschen waren 40 Jahre lang, keine Konkurrenten. Sie konnten miteinander reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen war, mal abgesehen von den Sonderfällen der Bespitzelung durch die Stasi.
Unbefangen hatten die Ostdeutschen miteinander gefeiert.
In der „Platte“ bebten die Gemeinschaftskeller vom Lachen der Mieter, die ihre monatliche Aufgangsfeier durchführten und sich gerade einen Witz erzählt hatten.
Schulzes Witz, damals: Treffen sich Tünnes und Scheel nach 10 Jahren wieder. Tünnes, etwas alltäglich angezogen entdeckt an Scheel den tollen Pelzmantel, die Schuhe aus dem Westen und die Goldringe an den Fingern beider Hände. „Mensch, Scheel, du bist wohl reich geworden ? Wo arbeitest du denn ?“ Scheel, erfreut, aber auch zurückhaltend: „Im Zentralkomitee der SED.“
„Oh, das wußte ich ja gar nicht. In welcher Abteilung bist du ?“ Scheel, leicht distinguiert: „In der Abteilung WITZE !“
„Was, die gibt es wirklich ? Wieviel Leute seid ihr denn da ?“ „Etwa 2500 .“ „Waaas ? Das gibt es doch nicht ! Habt ihr denn noch gar nichts von der Losung :
Weniger produzieren mehr ! gehört ?“ „Na, der Witz ist auch von uns !“
Schulze ist auf der Spur. Das Produkt ist erahnt. Die Leute sind es. Der Ostdeutsche kann mit anderen Menschen reden, ohne einen Hintergedanken, eine Intrige, eine Konkurrenz. Der Ostdeutsche ist die Ruhepause !
Die Pause für den Menschen aus und in der Marktwirtschaft. Der Ausgleich für den Ellenbogen.
Das Produkt „Ohne- Furcht- Date“
Abgerechnet in Minuten. Sprechen Sie mit ihrem Menschen. Angebot in jeglicher Qualifikation, Alter oder Geschlecht. Ihr Gesprächspartner hat keinerlei kommerzielle Interessen. Nur Zuhören und Antworten.
Alle Antworten ohne Gewähr, aber auch ohne jede Verpflichtung für Sie.
Familienkontakte auf Anfrage. Telefongespräche ebenso möglich, wie Internetkontakte. Besuche auf Anforderung.
Terminabsprachen erbeten. Zielgruppe:
Rd. 70 Millionen Menschen in den alten Bundesländern.
Anbieter: Rd. 15 Millionen Ostdeutsche. Form:
Nach der zweiten Wende bildeten die ehemaligen Ostdeutschen eine NL. Das Neue Land. Ohne eigenes Land. Auch ohne Mauer. Es wollte eh keiner weg, aus dem NL. Jeder bekam die Dinge, die er benötigte, ohne sie zu bezahlen. Die Bezahlung erfolgte über das ONL Org.-komitee Neues Land), alle Lieferanten rissen sich um die Lieferungen an die NL, denn es gab keinen besseren, ganz bestimmt zahlenden Geschäftspartner. Gissi wurde in einer, der einzigen Wahl, die in der NL durchgeführt wurde, an die Spitze des Organisationskomitee gewählt.
Die Nachfolge organisierte eine einfache Regel. Schied einer aus dem Berufsleben aus, dann übernahm der nächste Anwärter, der jeweils am längsten im Komitee Tätige, die Spitze des Org.- Komitees. Der Sitz des (ONL) blieb in Berlin. Gissi brauchte sich also kaum zu verändern.
Alle noch in den neuen fünf Bundesländern verbliebenen Menschen kündigten die bestehenden Arbeitsverträge, 25 % brauchten
dies ohnehin nicht. Frauen und Männer schlossen, mit Ausnahme der Rentner, aber die konnten unbegrenzt hinzu verdienen, Arbeitsverträge mit dem ONL , die Arbeitszeit war flexibel und wurde nur dann geleistet, wenn das ONL eine entsprechende Anforderung bekam und die Bezahlung – nur Vorkasse !- eingetroffen war.
Die Fahrten zu den Kunden organisierten und bezahlten die Kunden. Die Minuten waren sehr teuer, aber
die Ostdeutschen wollten die Welt sowie so nicht mehr verbessern. Es lebte der Status- Quo !