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Save Ukraine!
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Love all Animals

 
Anton
Autor: Rainer Pick · Rubrik:
Phantastik

Vor vielen, vielen Jahren, als es in der Milchstraße noch richtige Milch gab, lebte das Abendrot zusammen mit dem Morgenrot und der Sonne in einem gemeinsamen Haus. Als Erster stand das Abendrot am frühen Morgen auf, denn es mußte ja am Abend zur Stelle sein und hatte somit den weitesten Weg von den dreien. Der Nächste der aufstand, war das Morgenrot. Das geschah schon wegen der Sonne, denn die brauchte ja jeden Morgen ein richtiges Frühstück. Flink brachte das Morgenrot jeden Morgen die Eier zum Kochen, sofort schaltete es dann den elektrischen Herd aus, denn die Restwärme der Platte reichte ja aus, um die Eier so weich zu kochen, wie die Sonne sie gerne mochte. Das Gelbe außen noch ein bißchen fester und innen dann weich wie flüssiger Honig. Auch der Toast lag bereit, an beiden Seiten leicht gebräunt und mit einer Schicht gelber Butter bestrichen, die an den Seiten des Toastes leicht durchsichtig wurde, weil die Hitze sie schmolz. Aber es war genauso wie die Sonne ihn sich immer wünschte. „Mundgerecht“ pflegte sie immer zu sagen. Als die Sonne nun mit der vollen Tasse Kaffee in der einen Hand und tief in Gedanken versunken am Fenster stand und hinaus in den Morgen sah, entdeckte sie schon weit entfernt das Abendrot auf dem Weg zum Abend fleißig ausschreitend und das Morgenrot, viel näher am gemeinsamen Haus bereit stehen. Dann trank die Sonne in Ruhe und Gelassenheit die Tasse mit dem Kaffee aus, stellte die leere Tasse, den leeren Teller, auf dem die Toaste lagen die sie genauso verspeist hatte wie die weichen Eier in das Abwaschbecken, nicht ohne zuvor alles unter dem fließenden Wasser ab zu spülen. In den Abfalleimer für die organischen Abfälle hatte sie auch die trockenen Toastkrümel und die leeren Eierschalen geworfen. Auf ihren Händen glänzte noch ein kleiner Wassertropfen von der Morgentoilette als sie vor die Haustür tritt.
Schon erglüht das Morgenrot getroffen von den ersten Sonnenstrahlen des Morgens. Auch an den fernen Federwolken spiegelt sich die Morgenröte und alle Menschen, Tiere und Pflanzen der Erde konnten es sehen:
Ein neuer Tag hatte begonnen.
Und während es sich der Mond in dem Bett gemütlich macht, indem noch kurz zuvor die ganze Nacht die Sonne schlief, während er durch die Nacht lief und vor allem die Milchstraße mit seinem silbernen Schein erhellte, beginnt die Sonne den Tageslauf. „Aach !“, dehnt der Mond noch einmal gemütlich seinen Körper, die Arme hoch über den runden Kopf gereckt. Mit seiner Nase fängt er ein Stückchen Sonnenduft ein, das sich wohl in einer Falte des Bettlakens verkrochen hatte und an seinem Rücken spürt er noch ein wenig von jener Sonnenwärme, die das Bett während der Nacht von der Sonne gespeichert hatte und dann schläft er friedlich ein. Das konnte jeder hören, der in einem bestimmten Abstand am Haus vorbei ging.
„Krrchchnrnrüüh“, klang es aus dem Schlafzimmer. Die Eltern schlafen noch, dachte sich Marie, während sie auf Zehenspitzen und barfuß durch das Wohnzimmer schlich. Sie schlich, weil es so früh war und alle anderen, also die Eltern von denen wir ja nun schon wissen, daß sie schnarchen und ihre sechs Geschwister, von denen zwar kein Schnarchen, dafür aber Zähneknirschen und Schmatzen zu hören war, also die sollten alle weiter schlafen und nicht von Marie geweckt werden. Marie wollte heute sehr früh alleine etwas unternehmen. Sie wollte hinaus, über die Wiese laufen und auch über den Bach. Dann endlich sollte sie der Wald in seinen dunklen und kühlen Schatten aufnehmen, wo sie den Tiere des Waldes einfach nur zuschauen wollte. Es interessierte sie schon immer, was das Rotkehlchen wohl am frühen Morgen anstellte oder der Fuchs, der Wolf und das Reh. Auch der Dachs war für sie interessant. Dieses Interesse an den Tieren hatte sie wohl vom Vater geerbt, denn der ist der Jäger. Aber das haben die meisten hier bestimmt schon heraus bekommen. Denn das Haus, aus dem Marie schlich, ist das Haus indem auch die Siebenkindermutter , Emilie und Lars und die anderen Kinder wohnen, darunter auch Marie. Also ist diese Geschichte, die Geschichte von Marie.
Marie hat es geschafft, die Haustür ganz leise wieder zu schließen. Obwohl sie sonst immer laut knarrt, wenn sie geöffnet wird. Ein bißchen Butter an die Türangeln geschmiert hat dieses Wunder bewirkt. Eigentlich wollte es der Jäger schon lange selber gemacht haben. „Ich hab es halt vergessen.“, entgegnete er leicht verärgert seiner Frau, der Siebenkindermutter. Die hatte es ihm vorgehalten: „Sag einmal, wie lange soll ich mir eigentlich noch dieses dumme Gequietsche der Haustür anhören. Es ist unmöglich und du wolltest es schon vor fünf Wochen erledigen ?!“ und der Jäger dann wieder: „Also gut, ich mache es gleich nach dem Frühstück.“. Was aber nicht passierte, denn seine Gedanken waren stets mehr vor der Haustür, als in der Haustür. Schließlich ist er der Jäger und muß nicht nur für seine Familie sorgen, sondern auch für die Küche des Königs das Wild heran schaffen. „Der Papa wird sich wundern..“, kicherte Marie in ihren Gedanken, während sie bereits die Wiese und den Bach überquerte. Und schon war sie im Wald verschwunden. Sie ging auf dem Waldweg, dessen Spur von Gras auf beiden Seiten begrenzt war. Dicht standen die Fichten und Buchen am Weg. Einzelne Zweige ragten hinein und Marie mußte tüchtig aufpassen, daß sie nicht mit ihrem Kopf an die einzelnen Zweige stößt. Sie kannte den Schmerz einer dicken Beule am Kopf.
Es ist erst eine Woche her, da ritt sie mit Anton, das ist ihr Ziegenbock, also mit Anton ritt sie auch auf einem Waldweg. Und obwohl der zwei Spuren hatte, es war der Weg in die Stadt, flog sie beim Ziegen- Galopp so hoch, daß sie mit dem Kopf gegen einen Ast prallte, der aus dem Wald über den Weg ragte. „Mähä, mähä“, meckerte Anton und leckte sanft ihre Beule am Kopf, denn er mochte Marie und es tat ihm wohl leid, daß sie gegen den Ast geprallt war. Marie aber saß noch ganz benommen auf dem Hosenboden, denn mit dem Anprall ihres Kopfes gegen diesen vermaledeiten Ast ist sie auch vom Anton herunter gestürzt und hielt sich mit beiden Händen den Kopf. Es tat sehr wohl ziemlich weh. Ganz benommen war sie und die Welt schien vor ihren Augen zu schwanken.
Nach einer Woche ist nur noch ein blauer Fleck von der Beule am Kopf übrig geblieben und Anton darf heute sowieso nicht mitkommen. Marie will alleine sein. Anton schläft noch im Stall, im Ziegenstall obwohl dort auch noch Kaninchen, ein Esel, Eberhard, das Pferd vom Jäger und fünf Gänse wohnen. Anton ist der Chef im Stall und deswegen hat der Stall diesen Namen bekommen. Marie muß vor sich hin grinsen. Der Anton ist doch ein toller Bock. Immer hat er Ideen, wie er anderen auf dem Hof einen Streich spielen kann. Fast hätte Marie laut los gelacht, bei ihren Gedanken an Anton, aber da sieht sie plötzlich am Wegesrand einen großen Vogel stehen. Ganz plötzlich ist er da gewesen. Es ist kein Rabe oder eine Krähe.
Der Vogel ist etwa einen halben Meter groß und zieht, während er da an der Seite sitzt, seine Schultern hoch. Seine Brust und der Körper ist voller weißer und dunkler Flecken und seine Augen blicken ihr entgegen. Als sie noch näher heran kommt, ruft er plötzlich los: „Gig, gig, gig, gig !“. So ruft doch der Habicht, denkt sich Marie und plötzlich versteht sie auch, was er gerade gerufen hat. „Richtig, ich bin ein Habicht ! “ „Und warum sitzt du hier am Wegesrand ? Wartest du auf mich ?“, fragt sie ihn neugierig. Der Habicht schüttelt mit seinem Kopf und dann auch noch mit den Flügeln. „Nein, ich mach nur gerade eine Pause. Werde gleich wieder weiter jagen. Muß meine Kinder versorgen.“, spricht es aus und Schwupps schwingt er sich schon wieder hoch in die Luft und jagt davon. Marie schaut ihm nach. Weit hat sie ihren Kopf in den Nacken gelegt, damit sie ihn noch lange sehen kann. „Ach ja.“, denkt sie bei sich und „Fliegen müsste man können.“. Ja das ist ihr geheimer aber auch der größere Wunsch. So hoch oben, unter dem blauen Himmel noch und auch unter den Wolken aber weit über den Bäumen und Bergen dahin zu gleiten, die Füße zu schonen und nur die Arme weit auszubreiten, daß wäre wohl eine tolle Sache. Oder zusammen mit den Schwalben in der Luft hin und her zu jagen, ja das hätte ihr schon mal gefallen. Mit einem leisen Seufzer geht sie auf dem Weg weiter. „Muß wohl jetzt noch die Beine benutzen.“, tröstet sie sich selber in Gedanken, dann ist die leichte Wehmut aus ihrem Herzen wieder verschwunden, denn ein neuer Fund hat ihre Aufmerksamkeit gefesselt.
Von rechts nach links gleitet mit wellenförmigen Bewegungen eine große aber wunderbar bemalte Raupe über den Weg. Bestimmt hundert Höcker auf dem Rücken der Raupe bewegen sich auf und ab. Die Höcker sind bunt gefärbt, da ein roter Höcker und da ein gelber und hier wieder ein grüner und der nächste ist lila und blau. „Ooch, ist die bunt !“, laut macht Marie ihre Meinung öffentlich. Die Raupe verharrt auf der Stelle. Hat sie Marie hören können ? Ja ! Denn die kleine, aber so bunte Raupe hob plötzlich zwei längliche Stengel an deren Spitze jeweils ein Auge saß in Maries Richtung und starrte sie an. Marie schreckte zurück. Einen richtigen Schrecken hatte sie bekommen. Wie konnte die Raupe auch nur so auf sie starren !? „Ich habe dich nicht anders angeschaut, als du mich. Denkst du mir ist das angenehm ? Immer starren alle auf mich und nie weiß ich, ob ich nun gefressen werden soll oder wieder weiter ziehen darf !“ „Da sieh doch nur“, denkt Marie bei sich, „die kleine Raupe hat ja noch zwei Stengel an den Seiten, die stemmt sie jetzt so, als wenn es zwei Arme wären, das sieht ja fast aus, wie bei Nachbarin Müller, die stemmt ihre Arme auch immer in die Seiten, wenn sie mit den Kindern meckert, weil sie so laut sind.“. Laut aber sagt sie nun zu der Raupe: „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken, aber du siehst so
wunderbar aus, da man gar nicht anders kann. Die vielen Farben und Höcker sehen schön aus.“ Die Raupe antwortet ihr, ist ja auch logisch, denn schließlich ist das hier ein Märchen: „Hör mal Marie, ich kenne dich ja aus dem Dorf, da war ich nämlich vor drei Tagen. Ich wollte dich sowieso sprechen, aber gerade eben war ich ein wenig in Gedanken, ich soll mich nämlich bald verpuppen und dann ein schöner Schmetterling werden.“, nachdenklich dreht die Raupe ihre Augenstengel hin und her. „Und was soll ich denn damit zu tun haben ?“, fragt Marie erstaunt, denn selbst mit 18 Jahren weiß man nicht, was Menschen mit der Verpuppung von kleinen, bunten Raupen zu tun haben sollen. Und während nun die Raupe sich ihre Antwort genau überlegt, das kann dauern, denn Raupen haben nun einmal nur ein klitzte kleines Gehirn mit dem sie das Überlegen bewerkstelligen, schauen wir noch einmal kurz auf den Hof des Hauses, wo Marie ja eigentlich wohnt.
Ihr Freund Anton, der Ziegenbock ist inzwischen wieder erwacht und hat, mit dem untrüglichen Ziegensinn erkannt, daß seine Marie ohne ihn eine Wanderung begonnen hat. Wütend meckert er herum: „Wieso hat sie nicht mit mir gesprochen ? Man kann doch für jedes Problem eine Lösung finden ! So alleine, tun ihr doch schon nach kurzer Zeit die Füße weh und außerdem weiß ich ganz genau, welche Pflanzen man essen kann und welche krank machen können.“ Die anderen Ziegen beschweren sich nun über den laut herum polternden Anton. „Gib endlich Ruhe ! Vielleicht wollte Marie einfach mal Ruhe vor dir haben !? Kann man ja verstehen, wenn man dich so hört.“ schallt es von allen Seiten. Es ist ein richtiger Lärm im Stall und auch die Hühner und Schweine beschweren sich jetzt im lauten Ton. Sogar der Jäger, die Siebenkinderfrau und die sechs Geschwister von Marie werden nun wach und wundern sich über zwei Dinge. Erstens ist es auf dem Hof sehr laut, alle Haustiere lärmen im Stall und der Jäger denkt: „Ist da vielleicht ein dreister Fuchs und versucht ein Huhn zu stehlen ?“ Zur Siebenkinderfrau sagt er, während er sich schnell eine Hose anzieht und das Gewehr in die Hand nimmt: „Ich glaub da ist ein Fuchs im Stall, dem werde ich das Stehlen schnell abgewöhnen.“ Anton meckert unverdrossen weiter und die Siebenkinderfrau sagt zum Jäger: „Sei aber vorsichtig und erschieß bloß kein Haustier !“ Darauf der Jäger, schon auf dem Wege aus dem Haus: „Ja, ja !“. Während dessen sucht Anton nach einer Möglichkeit der Marie zu folgen. Die Stalltür ist zwar dicht und da kommt auch kein ungehaltener Ziegenbock heraus, aber so ein Stall hat ja auch Fenster. Gerade untersucht er eines auf die Möglichkeiten da hindurch zu springen, da knarrt die Stalltür. Wir wissen warum, denn der Jäger vermutete ja einen Fuchs im Stall, wegen der lärmenden Haustiere. Anton sieht den Spalt der sich öffnenden Stalltür und springt sofort los. Dem Jäger fliegt die Stalltür an den Kopf, die Flinte geht mit lautem Knall und einer dicken blauen Pulverwolke los und Anton liegt, nein Anton fliegt im vollen Galopp auf Maries Spur vom Hof herunter. Der Schreck, also von dem lauten Knall der Flinte des Jägers, hat sein Tempo geradezu verdoppelt, so lange bis er sich wieder beruhigt hat, denn es ist ja nichts passiert. Nichts passiert ? Mit einer dicken Beule am Kopf liegt, derweil wieder im Bett neben der Siebenkinderfrau liegend, der Jäger und grübelt, was denn der Anton nur hätte. Die Siebenkinderfrau streichelt sanft seine Schläfen und sagt zu ihm: „Nur jetzt nicht auch noch grübeln, dann gibt es Kopfschmerzen vom Feinsten. Schlaf nur noch ein bißchen und erhol dich vom Schrecken.“. Genau in diesem Augenblick galoppiert Anton, der Ziegenbock weiter, seiner Marie hinter her, beruhigen sich im Stall wieder alle Haustiere, außer die Ziegen, die noch lange, aber leise meckernd über Anton miteinander nachdenken und spricht die kleine bunte Raupe zu Marie: „Vor rund vierzehn Tagen ist der Peter verschwunden. Peter geht mit dir zusammen in die Waldschule, stammt aber aus dem Nachbardorf.“ und in ihre Pause zum Luft holen spricht Marie hinein: „Ja, den kenne ich, der kommt aber schon vierzehn Tage nicht mehr in die Schule und wir haben alle gedacht, der ist krank.“. Die Raupe hat wieder Luft geholt und sagt nun weiter: „Ja, sag ich doch, der ist verschwunden ! Eine alte Eiszeithexe hat sich in ihn verliebt ! Einfach zu sich hin gezaubert hat sie ihn.“, wieder stemmt empört die kleine Raupe zwei Stengel in ihre Seiten. „Eine Eiszeithexe ?“, wundert sich Marie und fragt weiter: „Die kenne ich ja noch gar nicht, nur die Hexe aus der Höhle ohne Ecken, die schon. Wo wohnt die Eiszeithexe denn und wieso trägt sie so einen komischen Namen und wieso eigentlich hat sie den Peter zu sich gehext, das ist doch ein prima Junge ?!“ „Warte nur einen Augenblick, ich erkläre es ja gleich.“, beschwichtigt atemlos die kleine Raupe und atmet schnell ein und aus, wobei sich ihre bunten Höcker lustig auf und ab bewegen. „Vor mehr als tausend Jahren gab es eine Eiszeit. Direkt vom Nordpol, also die lustige Schneekappe da oben auf der Erdkugel ist gemeint, kamen die Eisgletscher direkt hierher geschlittert. Und weil sie aus Eis sind, da wurde es hier auch ziemlich kalt. Das waren für uns ganz schlechte Bedingungen zum Leben, denn nur zwei oder drei Blumen, darunter die berühmten Eisblumen an den Fensterscheiben, konnten noch blühen. Das reichte nicht für die Schmetterlinge und Raupen und auch nicht für die anderen Tiere zum Leben oder gar zum Vermehren, aber die Eiszeithexen, die begannen sich gerade wohl zu fühlen.“, ernst nickte die kleine Raupe Marie zu und ihre bunten Höcker begannen deutlich zu zittern. „Aber wo kamen denn die Eiszeithexen her ?“, fragte Marie nun wieder und die kleine Raupe erklärte weiter: „Die Eisgletscher waren eigentlich richtige Eisberge und auf jedem einzelnen Eisberg wohnte eine Eiszeithexe. Die hatten die Aufgabe, die Eisberge in die richtige Richtung zu lenken. Immer hopsten sie von einer Seite auf die andere, einmal um zu schauen, wohin ihr Berg gerade schlitterte und anderseits war es ihre einzige Möglichkeit die Schlitterrichtung ihres Eisberges zu bestimmen. Blieben sie etwas länger auf der linken Seite des Eisberges sitzen, dann schlitterte der mehr nach links und genauso ging es um gekehrt. Es war ein unheimliches Hin- und Hergehoppse auf den Eisbergen in der Eiszeit.“, sagt die kleine Raupe und sieht Marie ernst und wichtig an. „Ja, aber ...“, Marie setzt zu weiteren Fragen an, doch die kleine Raupe unterbricht sie und erzählt weiter: „Bevor du mich fragst, wie die Eiszeithexen aussehen, erkläre ich es lieber gleich. Also Eiszeithexen sind vor allem sehr blau. Etwas hell, blaugrau die Haare auf dem blauen Schädel, natürlich ist die lange krumme Nase blau, genauso wie der Schädel und der ganze Körper. Dieses Blau ist unfreundlich und düster. Iggittegitt sind die blau. Sogar die Fingernägel an den langen Krallenhänden nur blau. Und jeder einzelne Fingernagel hat einen Rand aus blauem Schmutz. Bloß wenn ihr Eisberg zu schmelzen beginnt, dann ändert sich ihre Farbe und zwar wird das Blaue mehr und mehr rosa. Am Ende der damaligen Eiszeit war das auch so. Die Eisberge schmolzen und viel Wasser floß hier in der Gegend und wenn du dem Bach folgst, dann kommst du an den See, der damals entstanden ist. Aber die Eiszeithexen wollten nicht, daß die Eisberge schmolzen und sie statt blau zu bleiben immer mehr rosafarben wurden, lieber blau als rosa, hieß ihre Devise und so lenkten sie ihre Eisberge schnell wieder in die nördliche Richtung. Dahin wo die Sonnenstrahlen nicht so direkt, von oben herab ihre Wärmestrahlen schicken konnte, sondern eher schräg und nur kürzere Zeit. Da oben im Norden war es also und ist es noch heute kalt genug . Die Eisberge können nicht schmelzen und die Hexen bleiben schön unfreundlich blau.“, endet die Raupe, aber nur um Luft zu holen. „Ja, aber ...“, Marie setzt zu weiteren Fragen an, doch die kleine Raupe unterbricht sie und erzählt weiter: „Den Peter hat die Elma, das ist die betreffende Eiszeithexe, damals noch nicht kennen gelernt, aber seinen Ur-, Ur-, Ur-, Ur- und was weiß ich noch wie viele Ur, Urgroßvater. Den hat sie gesehen, als der wie wild davon rannte, als sie mit ihrem Eisberg angeschlittert kam. Du würdest auch rennen, wenn so ein hoher und breiter Eisberg plötzlich daher kommt, unter sich alle Bäume zerquetschend, zermalmend, dicke Steine bringt der mit oder schiebt sie vor sich her. Aber Elma hatte sich in den alten Vorfahren von Peter verliebt! Und weißt du auch warum ?“, fragt nun die kleine Raupe Marie, deren Mund gerade vor Staunen weit offen steht. Und ehe Marie das Staunen beenden kann, erklärt die kleine Raupe weiter: „Elma hat den ja nur von hinten gesehen, wie der gerade weg flitzte. Damals hatte die Menschen noch diese Holzpantoffeln an, die hinten, also am Hacken, offen waren. Und der ist ja weg geflitzt, weil mit den Eisbergen diese enorme Kälte kam und diese Kälte hatte seine Hacken ganz blau gefärbt, er fror ja jämmerlich. Diese blauen Hacken waren es, die Elma so angetörnt hatten. Ein blauer Jung, hat sie wohl bei sich gedacht, ein Kerl zum schmusen, so wunderbar blau. Ja und so ist es gekommen. Aber sie hat ihn nicht einholen können, denn der Vorfahr von Peter hatte es schnell erkannt. Wenn ich schnell laufe, wird mir wieder warm ! Also rannte er auf Teufel komm raus los und wurde schneller und schneller. Der Eisberg kam da nicht mit und auch Elma nicht, denn die konnte ja nicht vom Eisberg herunter , sie mußte den ja lenken und so gab sie irgendwann auf. Und dem Vorfahren wurde warm und wärmer, denn die Eisberge verschwanden wieder, wie wir wissen.“, erschöpft hält die kleine Raupe mit dem Erzählen inne. Ganz ausgepumpt und erschöpft ist sie. Marie nimmt sie auf ihre Hand und pustet ihr vorsichtig Luft zu. Das Auf und Ab der bunten Höcker der Raupe wird wieder etwas ruhiger. „Kannst du mir
jetzt sagen, wieso diese Elma nun den Peter geholt hat und wie das alles passiert ist ?“, fragt sie die kleine Raupe. Die nickt ihr sozusagen mit den beiden Augenfühlern zu: „ Elma hat diese blauen Hacken nie vergessen können. Lange Zeit noch hat sie von ihnen geträumt und ist immer wieder enttäuscht erwacht, wenn der Schlaf und damit der Traum zu Ende war. Die anderen Eiszeithexen haben sie sogar schon ausgelacht und das kann keine Eiszeithexe ab. Auch Elma nicht. Sie lenkte ihren Eisberg ein wenig zur Seite, so daß er nicht mit den anderen in einer Reihe stand. Damit konnte sie zwar verhindern, daß die anderen Hexen sehen konnte, wie enttäuscht sie nach jedem Traum und Schlaf war. Aber die blauen Hacken und den Vorfahren von Peter bekam sie damit nicht. Irgendwann, viel später hörte sie dann von ihrer Cousine, das ist die Hexe aus der Höhle ohne Ecken, hast du bestimmt schon geahnt, daß der Peter im vergangenen Winter auch schon einmal blaue Hacken gehabt hätte.“, endet die Raupe. „Ach ja, ich erinnere mich, es war die Mutprobe im vergangenen Winter. Auf der Wiese am Bach lag eine dicke Schicht Schnee und der Bach floß unsichtbar unter einer klaren Eisdecke. Die Jungen hatten gewettet, daß sie mindestens zehn Minuten barfuß im Schnee laufen und sogar zwei Minuten auf dem Eis vom Bach schlittern würden.“, Marie lacht, „Peter hielt am längsten durch. Er siegte zwar und hatte nicht nur blaue Hacken, seine Füße waren insgesamt blau gefroren und seine Schnupfnase lief dann noch eine ganze Woche mit seinen Füßen um die Wette.“ „Ja.“, setzt die kleine Raupe fort „und das hat die Katze von der Hexe aus der Höhle ohne Ecken beobachtet und in der Höhle dann erzählt. Die Hexe hatte mit den Menschen ja weniger gute Erfahrungen gemacht und gönnte ihnen immer wieder gerne eine Portion Ärger. Da sie auch von Elmas Traum wußte, lud sie also Elma zu sich ein. Sie zauberte extra eine große Tiefkühltruhe in ihre Höhlenküche, damit Elma in der Nacht kühl und ruhig schlafen konnte. Elma parkte ihren Eisberg an der linken Seite vom Nordpol und flog sofort zu unserer Hexe, denn die hatte ihr am Telefon schon von Peters blauen Hacken erzählt. Es dauerte nicht mehr lange, dann hatten sie den Weg von Peter ausbaldowert. Der ging ja fast jeden Morgen ein Stück allein auf dem Weg zur Schule, bevor noch andere Klassenkameraden hinzu stießen. Auf diesem Stückchen Weg wollten sie ihn einfangen. Einzig Elma hatte noch ein Problem. Es war wegen der Farbe von Peters Hacken. Jedesmal wenn sie ihn auf dem Schulweg beobachtete, waren die Hacken entweder nicht zu sehen, weil sie in Strümpfen oder Schuhen steckten oder sie waren rosafarben, weil sie zwar nicht in Schuhen steckten aber es war Sommer und da friert sich kein Kind die Füße blau. Immer wieder stellte Elma Peters Raub aus diesem Farb- Grund zurück und flog noch einmal zu ihrem Eisberg am Nordpol. Frühjahr, Sommer und Herbst vergingen, dann kam, wie überall in Europa und Umgebung der Winter. Endlich konnte Elma die blauen Hacken von Peter sehen, denn der mußte mal wieder den Mutigen spielen und hatte den Kleineren auf dem Schulweg gezeigt, daß er auch im Schnee barfuß gehen kann. Als Peter an diesem Nachmittag von der Waldschule wieder auf dem Nachhauseweg ist, verfolgen ihn vier Hexenaugen ganz genau. Zuerst sind noch die anderen Kinder bei ihm, dann erreichen die ersten ihr Dorf und verschwinden in den geheizten Häusern. Nebenan, in den bereiften Büschen gleiten die beiden Hexen hinter Peter hinter her. Sie warten ab, bis er seinen Weg ganz alleine fortsetzen muß. Die eine Hexe, es ist die aus der Höhle ohne Ecken, bibbert ein bißchen und leise klappert sie mit den Zähnen, aber Peter meint wohl, daß es der Frost in den Bäumen des Waldes ist, der da knackt. Die andere Hexe, Elma bibbert nicht, sie liebt den Frost über alles und braucht in dieser Jahreszeit auch nicht mehr in der Tiefkühltruhe zu schlafen. Statt dessen liegt sie vor der Höhle ohne Ecken, eingemummelt im tiefen Schnee und genießt die Sternenpracht in der klaren, frostigen Nachtluft. Nur jetzt nicht, denn jetzt wird sie Peter einfangen. Endlich ist Peter allein auf dem Weg. „Tschüß !“, sagt der kleine Klaus und „Tschüß denn bis morgen und laß deine Katzen in Ruhe“, antwortet ihm Peter, denn sie hatten sich gerade noch über ihre Haustiere unterhalten und der kleine Klaus hatte Peter erzählt, daß sich seine Katze über ihn beschwert hätten, denn er spielte ihnen zu oft Streiche, zum Beispiel die Sache mit der Glocke am Schwanz. Peter hatte ihn also noch ermahnt und war dann alleine auf dem Weg. Das war die Gelegenheit, auf die die beiden Hexen nur gewartet hatten. Schnell hat Elma das große Netz aus Schnee, Hagelkörner und Reif herausgeholt, es mit ihrer Cousine ausgebreitet und flugs dem Peter über den Kopf geworfen. Der fiel hin aber er wollte sich nach der Überraschung wehren. Zum dumm nur, er verhedderte sich vollständig in diesem kalten Netz, außerdem wurde ihm so kalt, daß er sich immer weniger und immer langsamer nur bewegen konnte. Da hob Elma das Netz an, bedankte sich artig bei ihrer Cousine, setzte sich auf ihren Besen und flog direkt zum Nordpol. Über ihre Schulter hing Peter im Eisnetz. Der Flug verging, wie im Fluge und schnell war der Eisberg erreicht.“ und Marie beendet die Erzählung von der kleinen Raupe mit den Worten: „Hmmh und seitdem sitzt der Peter also bei der Elma, dieser ollen Eiszeithexe !“ Nachdenklich schaut Marie auf den Weg, den sie heute schon gegangen ist. In der Hand noch immer die kleine bunte Raupe. „Ja ! So ist es.“, antwortet die Raupe, vom langen Erzählen ziemlich erschöpft. „Und nun laß mich wieder herunter, ich muß weiter. Du weißt ja verpuppen und ein Schmetterling werden, das ist jetzt meine Aufgabe. Ach so und wenn Peter gerettet werden soll, dann kannst nur du das tun. Das ist, weil ihr beiden irgendwie verbunden seid. Aber diese Verbindung kennst du ja besser als ich und wenn es noch nicht so ist, dann wirst du es bestimmt noch spüren. Später sicherlich . Machs jetzt gut und laß mich herunter !“, sehr energisch und bestimmend hat die kleine bunte Raupe jetzt mit Marie gesprochen und obwohl sie eigentlich noch viele Fragen an die kleine Raupe richten wollte, senkt Marie ihre Hand mit der Raupe darauf bis hinunter auf den Boden. Gleich an die Seite, da wo schon das Gras ist und der Waldrand nicht mehr weit. Wie dankend wippt diese mit ihren beiden Augenstengeln und verschwindet dann, schnell mit den bunten Höckern auf und nieder wippend, an einem kleinen Pilz vorbei in Richtung Wald.
Zurück bleibt eine nachdenkliche Marie. „Armer Peter“, denkt sie bei sich und überlegt, was sie jetzt wohl machen könnte. Aufmerksam sucht sie den Himmel ab, am Stand der Sonne will sie erkennen, wo es nach dem Norden geht, denn da ist ja wohl auch der Nordpol. „Und so weit weg von hier.“, denkt sie betrübt und „Fliegen wie die Elma kann ich ja nicht !“. Aber dennoch macht sie sich auf den Weg. Müde nun schleppt sie einen Fuß vor den anderen. Sie überlegt schon, wie sie die kommende Nacht überstehen wird. Wo oder worin übernachten, denn sie hatte kein bißchen Geld mit um vielleicht in einer Pension zu wohnen und ein bißchen zu essen ? Das mit dem Essen konnte sie noch auf andere Art und Weise klären, schließlich ist sie ja im Wald und da gibt es immer ausreichend Beeren, Sauerampfer oder wilde Birnen. Nur unter einem Busch schlafen oder an einem alten Baum, das war ihr denn doch zu gefährlich, schließlich gibt es im Wald ja auch wilde Tiere. Da, man kann schon eines hören ! Ein wilder Galopp ! Schnell schaut Marie sich um. Wohin flüchten ? Wo verstecken ? Da in den Busch mit den weißen Beeren ? Nein, da sind ganz dicke Stacheln dran ! Dann in den anderen Busch, daneben, der mit den roten Beeren !! Schnell, das Geräusch ist schon ganz nahe ! Marie schiebt die Zweige und roten Beeren beiseite und versucht verzweifelt in den Busch einzudringen. Da hört sie es deutlich: „Mämää, mähmäh !! Wo willst du denn hin ? Vor mich brauchst du dich doch nicht zu verstecken !“. Eine große Last fällt ihr von der Seele. „Anton !!“, klingt es erleichtert und freudig durch den Wald, daß die Vögel auf den Bäumen, die sich schon zur Ruhe begeben haben aufsteigen und noch mal eine Runde um ihre Baumkrone fliegen mußten. „Anton, daß du jetzt kommst ist ja so wunderbar !“, Marie kann sich gar nicht mehr beruhigen, schluchzend hat sie ihre Arme um Antons Hals gelegt und ihre Tränen tropfen an Antons Hals herab. Kopf an Kopf hocken die beiden im Gras und Marie berichtet schluchzend von den heutigen Abenteuern. Logisch, daß Anton sogleich und besonders rege Anteil an Peters Geschichte nimmt. „Mäh MElma heißt die ? Mäh, mäh Eine mäh Eiszeithexe ?“ und aufgeregt schüttelt Anton seinen Ziegenbart. „Wolltest wohl unbedingt alleine in die Welt hinaus reisen ?“, den leichten Vorwurf konnte er ihr nicht ersparen. „Ach Anton“, zufrieden damit, daß er ihr gefolgt ist, hat Marie noch einmal ihre Arme um Antons weißen Hals gelegt und ihren Kopf sanft gegen seine Hörner geschubst. „Bin doch froh, da du gekommen bist. Dann können wir doch zusammen den Peter retten.“ Da lacht Anton laut los: „Määhaa, määhaa.“, klingt es auf dem Weg. Dann kann man Marie auf einem weißen Ziegenbock davon galoppieren sehen. Schnell wie der Wind geht es zum Nordpol. Ich glaube nicht, daß Anton nicht nur ein Ziegenbock, sondern vielleicht auch noch ein Zauberer war, aber die Reise zum Nordpol ging unheimlich schnell vorbei. Na vielleicht hat eine Elfe oder ein freundlicher Zwerg die Reise beschleunigt. Jedenfalls kamen sie nun dort an. Eine weite, weiße Ebene breitete sich vor ihnen aus. Und windig war es , ja sogar stürmisch. Nur peitschten keine Wellen, wie am Meer hoch auf, statt dessen flogen ganze Heerscharen von weißen Eiskristallen in den stürmischen Winden mit, bereit sich sofort in die Augen fremder Wesen zu bohren, die den Nordpol unbefugt betreten wollen.

Unbefugt betreten ? Ja, so stand es jedenfalls auf einigen großen Tafeln, die am Rande des Nordpols aufgestellt waren. „Unbefugten ist das Betreten des Nordpols verboten !“ oder „ Wer hier rein kommt, fliegt raus !“, so künden große schwarze Buchstaben auf dem weißen Untergrund dieser Tafeln. Auch „Eltern haften für ihre Kinder !“ war zu lesen, es fehlte nur noch die Unterschrift „Der Hauseigentümer“, aber die stand da nicht. Statt dessen nur die vier Buchstaben: „E“, „ L“, „ M“ und „ A“. „Die ist vielleicht doof !“, meckerte Anton los, „Die denkt ja glatt, alle Tiere können lesen. Können die aber nicht, also gilt für Tiere nichts von dem was sie da aufgeschrieben hat.“, voller Triumph dreht er sich zu Marie um. Die hat sich ein Taschentuch vor die Nase gezogen, damit die kalten Winde nicht ihre Nase blau frieren können und antwortet etwas dumpf: „Na ja, aber ich kann doch lesen.“. „Ach Quatsch mit Wirsingkohl !“, versetzt Anton darauf, „Man muß nicht alles glauben, was auf großen Tafeln steht und schon gar nicht was Vorschriften machen will ! Die Elma ist eine alte Hexe, die nur verhindern will, daß ihr jemand den Peter wieder weg holt.“, ganz stolz stampft der Anton mit einem Huf auf den harten Schnee. Ein Hauch von Wärme kommt plötzlich auf. „Schau nur, hier ist der Schnee eben mindestens 10 Zentimeter abgeschmolzen.“, fast ungläubig hockt Marie auf dem Schneeboden und wischt mit ihrer Hand über die Fläche auf der eben noch Schnee lag. Glatt einen Quadratmeter hat Anton mit seinem stolzen Hufschlag aus der Schnee- Ebene entfernt. „Mäh Aha !“,voller stolzer Überraschung und mit noch mehr Siegesgewißheit meckert Anton eine Fanfare in den Winterhimmel am Nordpol. Dann stampft er ein weiteres Mal mit dem Huf auf das nächste Schneestück. Und weder löst es sich vor ihren Augen in einem warmen Lufthauch auf, verschwindet und macht einem grünen Tundra- Boden Platz. „Los, komm. Wir holen jetzt den Peter !“, auffordernd stößt Anton die Marie mit einem seiner Hörner an. „Sitz auf !“ Marie nickt nur voll Stolz auf ihren Anton , dann sitzt sie wieder auf seinem Rücken, hält sich an seinen starken Hörner mit den Händen fest. Anton stampft wieder los, immer schneller wird sein Lauf, denn der Weg bis zu Peter ist noch weit, der Nordpol groß. Voller Freude schaut Marie noch einmal nach hinten. Ein immer breiter werdender grüner Weg teilt den weißen Schnee. „Der Weg zurück der ist uns sicher.“, denkt sie sich zufrieden. Dann schaut sie nur noch nach vorn. Die ersten Eisberge sind zu sehen. Hoch auf in den Himmel ragen sie, eisblau und eisgrün. Von Elma und Peter ist noch nichts zu sehen. Unverdrossen stampft Anton jedoch weiter. Er scheint zu wissen, wo der Weg verläuft, der zum Ziel führt. Zielsicher und schnurgerade führt sein Weg, von Müdigkeit keine Spur. Auch das Gewicht von Marie scheint er nicht zu spüren. Nur voran stampfen, das will er ! Auch der laut aufheulende Sturm, der sich jetzt voll gegen die beiden Eindringlinge wendet scheint ihn nicht beeinflussen zu können, Anton stampft weiter, er ist nicht aufzuhalten. Marie klammert sich nun fester an Antons Hörnern, der Sturm hat an ihren Sachen gerissen und will sie wohl vom Anton herunter reißen, aber ... es gelingt ihm nicht. Lauter und lauter tönt sein Heulen und Brausen, heftiger noch zerrt er an Marie, an ihren Kleidern, an ihren Haaren, an allem was er so greifen kann, aber Marie hat sich inzwischen festgebunden, ein Schal, ihre beiden Hände und ihre klammernden Beine halten sie fest auf dem weiter voran strebenden Anton. Und gerade als Marie denkt „Das halte ich aber nicht mehr lange aus, meine Hände sind schon ganz blau und ich kann mich kaum noch auf dem Anton halten.“, da legt sich der Sturm, es wird windstill. Sie sind in den Windschatten eines Eisberges gekommen. Auch der grüne Weg von Antons Hufen war ihnen bis hierhin gefolgt. Die Sonne scheint noch immer, obwohl es später Abend ist, und der Schatten, den sie zaubert, verrät den beiden tapferen Befreiern nun, wo Peter zu finden ist. Als hätte es die Sonne darauf abgesehen, den beiden bei der Suche nach Peter zu helfen, zeigte sie mit Strahlen und Schatten, wo sie suchen müssen. Mal war es eine besonders helle Stelle inmitten des Eisberges, mal ein dunkles Loch in einer Eisberghöhle, immer wieder wies sie den beiden einen Weg, der sie nun mitten durch den Eisberg führte. Nach langer, langer Suche schienen sie nun endlich das Ziel erreicht zu haben. Eine große Höhle tat sich auf. Die Seiten in hellem Blau, die Eisdecke, hoch oben strahlte ein intensives, hellen Grün herab. Die dem Eingang gegenüber liegende Wand, mindestens 100 Meter entfernt, wies eine Besonderheit auf. Ein riesengroßer Teppich hing dort. Kunstvoll war eine ebenso riesige Eisblume hinein gewebt. Das sah sehr toll aus der Teppich aber strahlte keine Wärme, sondern eher Kälte aus. Seine untere Seite lag umgeknickt zu einem Teil auf dem Boden der Höhle. Dort wohl konnte man sich setzen, wenn man mit dem Hosenboden nicht mehr auf dem blanken Eis sitzen wollte. Anton und Marie liefen durch die Höhle, hin zur hinteren Wand. Wenn Peter überhaupt zu finden war, dann mußte das dort sein. Mit schnellen Blicken hatten sie sich die Höhle genauer angeschaut. Von Elma war noch immer keine Spur zu entdecken. Weiter also liefen sie der hinteren Höhlenwand mit dem Teppich entgegen. Beim Näherkommen sahen sie nun schon, daß sich in der linken Ecke der Höhle eine Säule aus Eis erhob, während auf der rechten Seite nur eine normale Ecke war. Also liefen sie nach links. Rasch erkannten sie nun aber, daß es in Wirklichkeit keine Säule aus Eis, sondern der Peter im Eis war, der da in der linken Ecke der Höhle stand. Sie konnten seine blauen Füße und Hände erkennen. Sie erkannten auch, daß Schnee- und Eishagel- Gestöber rund um den Peter die scheinbare Säule bildete, die vom Fußboden bis an die Decke reichte. Peter schien Marie und Anton ebenfalls erkannt zu haben. Laut rief er etwas, die beiden sahen deutlich seinen sich öffnenden und wieder schließenden Mund. Aber kein Ton drang durch die Säule. Auch seine Handbewegung wußten sie erst nicht zu deuten, wie wild winkte er ihnen mit beiden Händen zu. „Ja, wir freuen uns auch und grüßen dich, aber wie bekommen wir dich da raus !?“, rief Marie hinauf zum Pater in der Säule. Denn Peter schwebte natürlich nicht direkt auf dem Boden der wirbelnden Säule, sondern so etwa in der Mitte, halbe Höhe. Und wieder winkt der wie wild, als wollte er irgend etwas hinter ihnen zeigen, etwas was wichtig war. „Ja, kriegt ihr das denn nicht mit ? Er wollte euch vor mir warnen ! Aber nun ? Aber nun, ist es zu spät !“, hart und überdeutlich knallen die Worte durch die große, eisige Höhle. Erschrocken und entsetzt dreht Marie sich um, auch Anton ruckt mit einem Satz zurück. Da ist sie, auf einem riesigen Eis am Stiel, allerdings ohne Schokoladenüberzug sitzt Elma. Weit über Marie und Anton, von oben herab klingt ihre häßlich kalte und krächzende Stimme: „Könnt ihr nicht lesen ? Es stehen doch genug Tafeln überall, auf denen steht, daß das Betreten hier verboten ist !? Oder habt ihr die Tafeln ignoriert ? Wolltet den Peter wieder zurück holen ? Das gibt es aber nicht !“, zornig und noch lauter klingt der letzte Satz von oben herab. Da passiert etwas, womit Elma bestimmt nicht gerechnet hat. Sie traut ihren Augen nicht. Marie ist entschlossen vom Anton gesprungen und droht mit ihren Händen hinauf zu Elma, während Anton hinter Marie stehend alleine durch seine stolze Haltung der Elma anzeigt, auf wessen Seite er steht. „Du wirst es noch bereuen, einfach einen Jungen aus unserem Wald gestohlen zu haben. Und dann auch noch meinen Peter !“, herausfordernd sieht sie Elma in die Augen. Wenn sie ehrlich wäre, dann wäre sie nicht so entschlossen, denn genau weiß sie noch nicht, wie sie den Peter da heraus bekommen soll und auch wie sie Anton und sich selber wieder nach Hause bringt. Und obwohl Elma so weit oben auf ihrem Eis am Stiel ohne Schokolade sitzt, kann sie deren Augen gut erkennen. In den eisblauen Augen der Hexe spiegelt sich Wut und Fassungslosigkeit. Dann schaut sie entschlossen. Sicher kommt jetzt irgend so ein fieser Zauber, gegen den sich Marie mit allen Kräften zur Wehr setzen muß. Doch da ! Plötzlich scheint Zweifel und Erstaunen in Elmas Augen zu erwachen. Noch kräftiger als Marie es kennt, noch lauter dröhnt es plötzlich hinter, oder besser hinter und über Marie: „Määh, määh, mähh !!!“ Sie dreht sich erstaunt um.
Anton ist es, aber riesengroß ist er geworden und sozusagen Auge in Auge steht er der Elma gegenüber und bei jedem lauten, mächtigen „Määh“ vom Anton wird Elma kleiner und kleiner, das Eis am Stiel und ohne Schokolade bröckelt Stück für Stück, Risse breiten sich auf ihm aus und auch der Eisberg, indem die große Höhle steckt, scheint in sich zusammen fallen zu wollen. Die Säule in der Peter steckte fällt mit lautem Prasseln in sich zusammen. Marie denkt sich, daß sie auch später sich noch über den riesigen Anton wundern und über die inzwischen verschwundene Elma sich freuen kann und ist in die linke Höhlenecke gesprungen, um dem Peter, der leblos auf dem Teppich liegt, bei zu stehen. Und während nun Elmas Eisberg zerbröckelt und zerbröselt, während große und kleine Eisbrocken herum fliegen und herunter fallen, während stürmische Winde ein wildes Schnee- und Eis- Gestöber entfesseln, steht der riesengroße Anton schützend und abschirmend über Marie und Peter. Marie hat ihren Peter im Arm haltend genügend Wärme spenden können, so daß er wieder lebendig war. Nun stehen sie beide unter dem Anton und sehen sich um. Gestöber und Geräusche sind verschwunden. Von Antons Hufe rührt der grüne Weg, der nun auch den Platz erreicht hat, an dem Marie, Peter und Anton stehen. Ein Hauch von Wärme ist entstanden, so wie es eigentlich nur im Frühjahr zu spüren ist, wenn Eis und Schnee des alten Winters langsam für das Frühjahr
Platz machen.
Da oben am Himmel stehen Morgen- und Abendrot. Sie stehen rechts und links neben der fröhlich strahlenden Sonne. Und, die drei auf der Erde trauen ihren Augen nicht, doch es ist tatsächlich so, auch der runde silberne Mond ist früher als sonst vom Schlaf aufgestanden und hat sich neben die Sonne gestellt. Alle vier winken dem Anton, der ist inzwischen wieder zu ganz normaler Größe geschrumpft, der Marie und dem Peter zu.


Einstell-Datum: 2004-12-20

Hinweis: Dieser Artikel spiegelt die Meinung seines Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung der Betreiber von versalia.de übereinstimmen.

Bewertung: 333 (2 Stimmen)

 

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