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00-SMS auf Verbrecherjagd
Autor: Karsten Mekelburg · Rubrik:
Humor & Satire

Zaghaft klopfte es an der Tür der ansonsten stillen Amtsstube von Wachtmeister von Braun und Oberkommissar Dr. Müller. Nach langem Zögern trat ein Herr im besseren Alter ein, der mit einem abgetragenen grauen Mantel gekleidet war und sich unsicher umsah. Ein unsteter Blick verbarg sich hinter einer Nickelbrille, eine schäbige Aktentasche wurde ängstlich an den schmächtigen Körper gepresst.

Ein Frettchen, wäre das erste gewesen, an das man gedacht hätte, wenn man dem Männchen begegnet wäre. Falls man es überhaupt wahrgenommen hätte.

"Guten Tag, die hochverehrten Herren. Bin ich hier richtig? Ich möchte mich für die Stelle als SMS Verbrecherjäger bewerben." Oberkommissar Dr. Müller musterte das Frettchen. "Sicher, wir suchen Leute. Aber freiwillig hat sich bisher noch niemand bei uns gemeldet." Das Frettchen wurde sofort unsicher. "Meine Herren, sie dürfen mir glauben, dass ich mich für diese Arbeit bestens vorbereitet habe. MMS fähiges Handy mit doppelter Ersatzbatterie, einsetzbar in Sturm und Regen, Farbe Feldgrau mit Tarnüberzug, Nachtsichtgerät bis 500 Meter, Schlagstock am Mann, Handfessel aus rostfreiem Edelstahl, Betäubungsgas."

Oberkommissar Dr. Müller zeigte sich beeindruckt. "Zeigen sie doch mal das Betäubungsgas. Dachte ich es mir. Das Zeug hier ist unbrauchbar für die harte Praxis. Damit können sie sich ihre Gattin vom Leibe halten, wenn sie nachts nach Hause kommen. Lullenzeug für Kinder. Nehmen sie die beiden Dosen hier, ist von den britischen Kollegen, lange Zeit in Nordirland erprobt. Das ist im Polizeidienst nutzbar. Warum, glauben sie, für diese Arbeit tauglich zu sein?"

Das Frettchen schien langsam aufzublühen und Vertrauen zum Oberkommissar zu fassen. "Ich bin außerordentlich stolz, sagen zu dürfen, dass Mitglieder meiner Familie schon seit Jahrhunderten im Kampf gegen das Verbrechen ihren Mann gestanden haben. Gestatten sie mir, einige Unterlagen vorzulegen, die auch sie restlos überzeugen werden."

Malerisch wurde der Inhalt der Aktenmappe über den Schreibtisch gebreitet. "Sehen sie", sagte das Frettchen voller Stolz, "Mein Urgroßvater in Bamberg. Sie werden vom berühmten Hexenprozess gehört haben. 800 Stück, alle bei lebendigem Leibe geröstet. Alle akkurat überführt. Mit Geständnis und Unterschrift. Das heißt, wer nach der Folter noch schreiben konnte. Und wer, denken sie, hat all die schwere Arbeit und Last auf sich genommen, hat sein Leben und seine Gesundheit nicht geschont, um Beweise zusammen zu bringen? Richtig, mein Urgroßvater. Alles ordnungsgemäß belegt. Mit Siegel und Stempel. Er hat damals den Hof sehr vergrößern können. Ein Viertel des Eigentums der Ketzer und Hexen fiel an ihn. Ein kleines Dankeschön für die Mühen, die brav geleistete Arbeit und die Schufterei. So einfach wird das alles nicht gewesen sein, aber letztlich hat er sie ja alle bekommen."

"Oder sehen sie hier: Mein Großvater. In der Uniform der kaiserlichen Armee. Nun, an der Front war er natürlich nicht. War kein großer Kämpfer. Hat mehr im Verborgenen gekämpft, wenn ich das jetzt mal so formulieren darf. Hat aufgepasst der Gute, im Kaffeehaus gesessen und gespitzt die Ohren, dass keinem seiner feinen Kameraden die falschen Worte über die Lippen kamen. Waren welche darunter, die es mit dem Kaiser nicht so hatten, oder gar nicht an die Front wollten, den Heldentod fürs stolze Vaterland sterben. Konnten dann alle in der Strafkompanie über ihre Worte nachdenken. Wenn sie es noch lange gemacht haben. Aber wer macht es da schon lange? Schließlich muss ja alles seine Ordnung haben. Gute Arbeit hat er da geleistet. Sehen sie hier die Urkunden von der Polizei, alles ordentlich abgestempelt und gesiegelt. Ja, gelohnt hat es sich auch. Hat sein Geld immer angelegt und nichts versoffen, wie seine sauberen Herren Kameraden. Hat unseren Hof damals ordentlich vergrößern können."

"Oder hier, mein Vater mit seinen Blockwartszeichen. Was hat er die geliebt und wie gerne war er Blockwart. War nun gewiss kein lauer Mitläufer, solche gab es in meiner Familie nicht. Vier Leute hat er erwischt, kurz vor Kriegsende, beim Feindsender hören. Hat man dann nie wieder was von ihnen gehört. Andere hatten schon vorher schlecht über den Führer gesprochen. Mein Vater hat da nie die Miene verzogen. Hat sich das brav angehört, wird sich wohl auch seinen Teil dazu gedacht haben und hat dann das Nötige getan. Ein paar Leute sind sogar wieder zurück gekommen. Die Gesundheit war natürlich ruiniert. Aber brave Staatsbürger waren es, brav wie die neugeborenen Lämmerlein. Ja sehen sie hier die Ehrennadel und die Orden von der Gestapo. Alle blinke blank. Hat er nie was drauf kommen lassen. Auch wenn er es nicht hat tragen können. Ja und den Hof erweitert hat er auch. Beträchtlich sogar. Hat bevorzugt Fremdarbeiter bekommen und günstige Kredite. Alles für seine aufopfernde Arbeit. Hier sehen sie nur, alles ordentlich belegt. Alle Rechnungen aufgehoben und alle Belobigungen. Ein ordentlicher Mensch war er, kann man nichts sagen."

Oberkommissar Dr. Müller zeigte sich sichtlich beeindruckt. "Das sind natürlich alles hehre Vorbilder in ihrer Familie. Menschen die etwas geleistet haben für ihren Staat und ihre Regierung. Brave Kämpfer für das Recht. Aber nun sagen sie uns einmal, was sie bisher vollbracht haben, um sich für diese Stelle zu empfehlen?"

"Ich bin nach Kriegsende leider auf der falschen Seite hängen geblieben. Schicksal. Als ich aus russischer Gefangenschaft kam, wollten sie mich nicht gehen lassen. Hatte mich schon in der Gefangenschaft nützlich gemacht. Gab es da welche, die haben das Maul ordentlich aufgerissen. Aber nicht lange, man hat so seine Möglichkeiten. Gab es Sonderrationen und Tabak. Den konnte man gegen Brot tauschen. So bleibt man bei Kräften."

"Bin ich dann im Osten geblieben und habe für die Stasi gearbeitet. Eine Obrigkeit ist so gut, wie die andere auch, habe ich damals gedacht. Wer hätte ja auch können ahnen, dass einmal alles so leicht zusammen bricht. War da so ein Mädchen, das hatte sich verliebt. Nur der Freund lebte leider im Westen. Wollte sie der Heimat ihren Rücken kehren, was gar nicht gern gesehen wurde im Osten. Nun, ich konnte diese Straftat natürlich verhindern und wie hätte ich sie auch nicht verhindern sollen. Konnte sie dann ein paar Jahre bei gesiebter Luft über die Liebe und das Leben nachdenken. Weiß gar nicht so recht, was dann aus ihr geworden ist. Ich habe jedenfalls eine Beförderung zum Oberleutnant bekommen. Sehen sie hier, ist alles ordentlich belegt. Ein bisschen Geld gab es natürlich auch. Habe ich ein Auto gekauft, nichts berühmtes, einen Lada. Ordentliche Autos gab es ja nicht. Hat man sich halt bescheiden müssen."

"Restlos haben sie mich überzeugt! Lassen sie ihre Telefonnummer da, ab Montag kommen die Fahndungsmeldungen direkt auf ihr Handy." "Und, Herr Kommissar, wie sieht es mit der Fangprämie aus? Es ist nun so, sehen sie, ich möchte gerne unseren Hof ein wenig ausbauen." "Um was ich sie noch bitten wollte: Hier ist eine Liste mit Begriffen, die sie ab jetzt zu verwenden haben. Die Fangprämie heißt nun Extragratifikation für besondere Anstrengungen zur Erhaltung von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Lernen sie das auswendig, bis es sitzt, ich will den alten Jargon nicht mehr hören. Auf diesem Blatt stehen vorne die alten und die neuen Begriffe. Also lernen sie das. Hat bisher jeder geschafft. Auf der Rückseite finden sie die genaue Höhe der Fangprämien."

"Herr Dr. Müller, wie können sie denn diesen Mann nehmen. Mit solchen Subjekten möchte ich nichts zu tun haben." "Sehen sie, von Braun, deshalb sind sie auch noch Wachtmeister und ich Oberkommissar. Der Mann ist Profi. Der beherrscht sein Handwerk. Der braucht nicht mal eingearbeitet zu werden. Hat alles gelernt, von der Pieke auf. Da braucht man kein Wort mehr zu sagen. Da klappt die Zusammenarbeit, oder wollen sie das bestreiten?" "Nein, natürlich nicht. Aber der hat doch für keinen Cent Charakter." "Wachtmeister von Braun, so werden sie es nie zu etwas bringen. Darf ich sie daran erinnern, dass wir hier Polizeiarbeit machen. Charakter brauchen sie auf der Bühne, hier ist er schlicht hinderlich." Aber Herr Dr. Müller, dieser Mann steht doch mit keinem Fuß auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung!" "Von Braun, natürlich steht der Mann mit keinem Fuß auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Wie sollte er auch. Aber machen wir uns doch für einen Moment mal nichts vor. Telefone abhören, Wohnungen verwanzen, fremde Post lesen, Naziparteien unterwandern, Plutonium schmuggeln, friedliche Demonstrationen sprengen, Leute bespitzeln, das ganze Land per SMS und Videokamera kontrollieren ... das ist schließlich unsere tägliche Arbeit. Sind sie sich da ganz sicher, dass wir noch mit einem Fuß draufstehen?

Müsste nicht auch ihr Hof verbreitert werden? Oder gibt es einen kleinen Konsumwunsch, den sie sich schon lange versagen. Jetzt ist Schluß mit dem Warten! Denunzieren sie ihre Mitmenschen unter: Fahndungsportal des Bundeskriminalamtes



Einstell-Datum: 2004-04-13

Hinweis: Dieser Artikel spiegelt die Meinung seines Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung der Betreiber von versalia.de übereinstimmen.

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