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Li Yü, Jou Pu Tuan - Altchinesischer Erotikroman
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Autor
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Thema: Li Yü, Jou Pu Tuan - Altchinesischer Erotikroman
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ArnoAbendschoen
Mitglied
718 Forenbeiträge seit dem 02.05.2010
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Eröffnungsbeitrag |
Abgeschickt am: 15.03.2021 um 14:40 Uhr |
Der umfangreiche Roman „Jou Pu Tuan“ erschien erstmals 1634 und zeigt das hohe Niveau von Literatur und Zivilisation im alten China. Er ist ein frühes Werk von Li Yü (1610 – 1680), einem produktiven, erfolgreichen Erzähler und Dramatiker, der mit seiner Schauspieltruppe jahrelang große Teile des Landes bereiste. Der Titel lautet übersetzt „Andachtsmatten aus Fleisch“, womit die Thematik auf kürzeste Weise angedeutet wird. Tatsächlich ist es ein explizit erotisches Werk mit stark moralischer Tendenz. Held der Geschichte ist ein attraktiver junger Mann, gebildet, wohlhabend, noch ohne Familie, stark an Frauen interessiert. Er nennt sich „Vormitternachts-Scholar“ und stattet anfangs einem buddhistischen Einsiedlermönch einen Besuch ab, wobei es zu einem Streitgespräch kommt. Der Eremit will ihn als Novize aufnehmen und warnt vor dem „roten Staub“ mit seinen verhängnisvollen Irrwegen, auf denen er den jungen Mann wandeln sieht. Der Jüngling lehnt ab, er strebt nach Selbstverwirklichung aufgrund seiner von der Natur begünstigten Physis.
Es beginnt für den Helden eine mehrjährige Odyssee. Er geht zunächst eine Ehe ein und verlässt die junge Frau bald auf unbestimmte Zeit, um an anderen Orten neue Frauen kennenzulernen. Dabei kommt es zu einer Serie von Ehebrüchen. Der Held erwirbt eine Zweitfrau, die er gleichfalls sitzenlässt, und bildet mit vier weiteren Frauen vorübergehend eine Art Kommune. Hier soll künftigen Lesern nicht die gesamte kunstvoll komponierte Handlung vorab erzählt werden, nur so viel: Am Ende des zunehmend katastrophalen Verlaufs wird der Vormitternachts-Scholar desillusioniert doch noch bei jenem Einsiedler Novize.
All das wird detailliert dargestellt, mit viel Psychologie und noch mehr Sex. Die körperlichen Vereinigungen nehmen großen Raum ein, die Anbahnung, die Techniken, die Probleme bei der Paarung. Es herrscht größte Offenheit und zugleich wird das Pikante mit viel Delikatesse geschildert; schockierend vielleicht nur jene Passage, in der ein Arzt beim Helden auf barbarische Weise eine Penisvergrößerung bewerkstelligt. Immerhin fasst der Erzähler sich bei der späteren Selbstkastration des Novizen kurz.
Li Yü hat sich selbst ein Vorwort geschrieben, das in der Übertragung von Franz Kuhn zum Schlusskapitel geworden ist. Der Autor verteidigt sich darin gegen zu erwartende Vorwürfe: dass er Unmoralisches, Sittenloses romanhaft ausgemalt habe. Er befürwortet ausdrücklich die strenge konfuzianische Morallehre und schließt so: „Mit besagtem Beiwerk eingehender Schilderung intimer Details der ‚Kammerkunst’ wollte der Verfasser der Leserschaft gewissermaßen bitteren Olivengeschmack in süßes Dattelfleisch eingebettet bieten und damit verhüten, daß der Roman abfällige Kritik erfährt und als ‚öder, langweiliger Aufguß’ abgelehnt wird.“
Einiges bleibt noch herauszustellen. Der Autor hat das Buch als noch sehr junger Mann geschrieben und er hat dabei viel mehr Datteln als Oliven verarbeitet. Aussicht auf Erlösung verspricht hier allein der Buddhismus. Der Schweizer Verleger des „Jou Pu Tuan“ Felix M Wiesner sah im Werk einen „streng orthodox aufgebauten Lehrroman nach der Schule des Ch’an-Buddhismus“. Er beruft sich in diesem Zusammenhang auf den Philosophen und Religionshistoriker Hans Heinz Holz, für den der Roman eine „Allegorie über den meditativen Wahrheitspfad des Buddhisten“ war. Angesiedelt ist die Handlung im frühen 14. Jahrhundert während der Mongolenfremdherrschaft. Die allgemeinen Lebensverhältnisse dürften allerdings denjenigen zu Lebzeiten des Autors entsprechen. Die Ming-Dynastie trieb damals ihrem Untergang entgegen, China hielt nur noch mühsam den Angriffen aus der Mandschurei stand. Ebenso schwerwiegend waren soziale Unruhen. Während die äußere Gefahr im Roman nicht thematisiert wird, spiegelt sich die problematische innere Lage indirekt in der Gestalt eines Schwurbruders des Helden, eines Meisterdiebs von hoher Sittlichkeit, der die Handlung entscheidend beeinflusst.
1959 kam der Roman erstmals in deutscher Übersetzung heraus, Verlagsort Zürich. Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte wurden bald aktiv. Die zweite Auflage wurde samt Druckvorlagen eingezogen und verbrannt und die Publikation verboten. Aber das ist eine andere Geschichte und sie ist zum Glück nur noch Justizgeschichte.
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