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Literaturforum: Hölle (Saale) 1975


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Forum > Aesthetik > Hölle (Saale) 1975
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 Autor
 Thema: Hölle (Saale) 1975
Kenon
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seit dem 02.07.2001

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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 07.01.2021 um 00:36 Uhr

Halle-Neustadt im Winter 1975, fotografiert vom Münchner Thomas Hoepker:
Vier wuchtige 19-stöckige Betonblöcke füllen fast das ganze Schwarz-Weiß-Bild. Die Herrschaft des rechten Winkels in Serienbauten: Sozialistischer Modernismus, kommunistische Einheitsarchitektur. Winter-Kälte, Beton-Kälte, Herzenskälte. Die Blöcke könnten genauso gut / schlecht in Sibirien stehen. Rechts oben auf dem Bild bleibt ein kleines Stück akkurat gezackter Himmel übrig, unten eine schneeweiße Straßenflucht. Ein hoher düsterer Laternenpfahl, der seine Lampe außerhalb des Bildausschnittes versteckt, zieht sich wie durch ein stumpfes Skalpell gezeichnet vertikal durch die fein komponierte Fotografie, links davon im Vordergrund ein Schaukasten mit einem Propagandaplakat, das nichts als den dunkel bebrillten Staatsratsvorsitzenden, Verwalter des Unrechtsstaates von sowjetischen Gnaden, lächelnd zeigt.
Echte Menschen sind auf dem Bild ebensowenig wie Bäume zu sehen. Kein Anzeichen von Leben also – dafür viele Zeichen planmäßiger und erdrückender staatlicher Allgewalt. Wir schauen auf ein Sinnbild dieser sogenannten DDR – die, wie die Bild-Zeitung einst richtig titelte, weder deutsch noch demokratisch noch eine Republik war.
Hoepkers Bild hat die fürchterliche Essenz von Halle-Neustadt eingefangen, zeigt die sozialistische Utopie als real-existierende Kakotopie, schlechten Ort: menschenleer, seelenlos, verdammt.
Planstadt Halle-Neustadt, auch bekannt als HaNeu – wie Hanoi.
Halle (Saale) – Hölle (Saale).
Was Hoepkers Foto beweist? Die Hölle ist nicht immer heiß.

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ArnoAbendschoen
Mitglied

718 Forenbeiträge
seit dem 02.05.2010

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1. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 07.01.2021 um 10:15 Uhr

Diese Nachricht wurde von ArnoAbendschoen um 10:50:22 am 07.01.2021 editiert

Nur als aktuelle Ergänzung, Kenon: Wir haben im Sept. 2019 eine Woche in Ha-Neu gewohnt (Ferienwohnung einer Wohnungsgenossenschaft). Mit dem jetzigen Äußeren konnte ich mich schon arrangieren, lag wohl auch an der Jahreszeit. Insgesamt ist es ja ein interessantes und zum Teil gelungenes Experiment, wie man eine solche Planstadt freundlicher gestalten kann.

Die Probleme liegen heute primär in der schlechten Sozialstruktur, vor allem in der südlichen Neustadt. Ich kenne in Berlin kein Viertel mit derart extremen Verhältnissen, nicht einmal in Marzahn-Nord oder Spandau-Heerstraße. Wie ich las, hätte die Stadt Halle, auch aufgrund eines Wohnungsüberangebots, gern den einen und anderen Block dort abreißen lassen. Nur seien die Eigentümer meist nicht daran interessiert gewesen, da ihnen bei Transferempfängern der Mieteingang garantiert sei.

Halle als Ganzes fanden wir sehr ansprechend, insbesondere die weitgehend erhaltene und gut sanierte Innenstadt.

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Kenon
Mitglied

1482 Forenbeiträge
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2. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 29.01.2021 um 01:13 Uhr

Ich war vor sieben bis zehn Jahren einmal in Halle-Neustadt, vermutlich im November. Die Straßen waren leer, das Wetter düster. Wir waren im Skyline-Reisecafé zu Gast - es ist nach meinen Informationen seit 2014 dauerhaft geschlossen. Ansonsten erinnere ich mich vor allem an den unterirdischen S-Bahnhof. Halle mit seinem historischen Marktplatz ist eine andere Stadt.

Was Berlin betrifft, so hat mich Wartenberg mehr schockiert als Marzahn. Ich saß kürzlich mal in der falschen S-Bahn und bin, weil ich las, dort an der Endstation ausgestiegen.

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