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Literaturforum: Wackrer Meister tot


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Forum > Sonstiges > Wackrer Meister tot
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 Thema: Wackrer Meister tot
ArnoAbendschoen
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Das ist ArnoAbendschoen

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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 26.04.2016 um 21:34 Uhr

Es war an der Oberelbe … Halt, das muss ich erklären: Von Dresden aus gesehen meint Oberelbe: Pirna, Bad Schandau, Sächsische Schweiz – und von Hamburg: Geesthacht, Lauenburg, Bleckede. Ich bin also zu Fuß an dieser unteren Oberelbe unterwegs. Es riecht stark nach Süßwasser, Gras und Laub. Artlenburg ist ein adrett-behäbiges Dorf am Flachufer, gegenüber der bewaldete Steilhang. Ich habe mir die alte Kirche schon angesehen und suche den Zugang zum Deich.

Als ich um die Ecke biege, nimmt ein Lastauto fast die ganze Straßenbreite ein, es ist ein Wagen der Sperrmüllabfuhr. Dann ein schepperndes Geräusch. Im Weitergehen entdecke ich den Arbeiter, dem beim Hochwerfen von allerlei Krempel etwas zu Boden gefallen ist. Mein Blick tastet den Asphalt ab und bleibt an etwas Gerahmtem hängen. Vom Text hinter Glas kann ich nur die Großbuchstaben entziffern: MEISTERBRIEF. Der verwendete Schrifttypus war in den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts beliebt.

Was mag er gewesen sein: Fleischermeister, Glasermeister, Friseurmeister? Heute nennen sich einige Fernsehmeister … Wie viel Mühe hat ihn der Meisterbrief gekostet? Erst Lehrling sein, vermutlich auch damals kein Zuckerschlecken, selbst wenn er Konditor gelernt haben sollte, dann Jung-Geselle, Alt-Geselle, endlich der Meisterkurs – so viele Stationen, die absolviert werden wollten. Er wird beim Erreichen einer Stufe jeweils erleichtert gewesen sein, am Ende bestimmt auch etwas stolz.

Junge Meister heiraten gern in ältere Betriebe ein – und versuchen, selbst nicht in die Lage ihrer Vorgänger zu kommen. Der Meister will immer einen Meistersohn zeugen und sich ihn als Nachfolger großziehen. Der Meister und die Meisterin haben daher gewöhnlich zwei Söhne, zur Sicherheit. Diesem hier scheint es nicht geglückt zu sein, entweder das Zeugen oder das Großziehen. Wie roh, wie pietätlos: das Dokument seiner Bewährung von den Erben für überholt und künftig nutzlos erklärt. Auf den Kehricht damit. Eine Lebensleistung dem Vergessen anheimgegeben. Und an anderen Häusern prangt noch das Ehrenschild im Giebelfeld, wenn einer mal Schützenkönig war - 1884! Das Leben ist ungerecht. Und das ist eine Phrase.

Ich gehe weiter und höre es dann hinter mir klirren. Blicke mich noch einmal um: Die schützende Glasplatte war beim Herabfallen zerbrochen, Dutzende von Fragmenten und Splittern sind beim Wiederaufheben aus dem Rahmen gefallen. Der Arbeiter hat viel Mühe, den Glasbruch aufzusammeln und dem ruinierten Meisterbrief und dem übrigen Geraffel hinterherzuwerfen. Mit seinen Händen in ihren dicken Schutzhandschuhen fegt er immer weitere Bruchstücke auf dem Asphalt zusammen. Dann reicht es ihm – er gibt dem Fahrer ein Zeichen: Weiter! Es wartet ja noch so viel anderer Schrott vor den Türen der Leute.

Ein Schulfreund von mir zitierte gern das folgende Sprüchlein: Wo die Pfuscher haben Brot / Leiden wackre Meister Not …Oder sie nähren sich redlich und sind irgendwann tot und vergessen.

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