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Farbfotografie um 1914 - Ausstellung in Berlin
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Autor
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Thema: Farbfotografie um 1914 - Ausstellung in Berlin
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ArnoAbendschoen
Mitglied
718 Forenbeiträge seit dem 02.05.2010
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Eröffnungsbeitrag |
Abgeschickt am: 21.08.2014 um 11:47 Uhr |
Schwarz-Weiß-Fotografien prägen unser Bild der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Dies schafft eine zusätzliche Distanz zwischen den Menschen jener Zeit und uns, die wir alles Heutige in Farbe betrachten oder vor Augen geführt bekommen. Die Ausstellung „Die Welt um 1914. Farbfotografie vor dem Großen Krieg“ im Berliner Martin-Gropius-Bau rückt die Verhältnisse wieder zurecht, indem sie frühe Farbfotografien aus jener Zeit in großer Zahl ausstellt. Wie sehen sowohl uns sehr ähnliche Menschen wie auch wiederum andere, deren Farbigkeit die Exotik unterstreicht – und das, was unwiederbringlich verschwunden ist.
Die Ouvertüre bilden Aufnahmen aus einem Sonderheft der britischen Zeitschrift „The Studio“ von 1908. Hier sehen wir, wie berühmte Autoren jener Zeit ihre Umwelt mit der Kamera gesehen haben, z.B. gibt es von Bernard Shaw eine Landschaftsaufnahme.
Der anschließende große Saal enthält den Schwerpunkt der Ausstellung, Fotos aus der Sammlung des reichen französischen Philanthropen und Mäzens Albert Kahn. Sein Archiv umfasst gut 70.000 Aufnahmen, von denen Hunderte ausgewählt sind. Kahn ließ jahrzehntelang professionelle Fotografen um die Welt reisen und Menschen, Gebäude, Gebräuche, Landschaften aufnehmen. Ein Großteil der hier gezeigten Bilder stammt vom Balkan oder Asien. Für Kahn wurden auch Schwarz-Weiß-Filme gedreht, von denen einige zu sehen sind, u.a. der Vorbeimarsch britischer Fußsoldaten am Khaiber-Pass, seltsam harmlos wie Wandervögel ausschreitend.
Relativ schmal ist dagegen das vorgestellte Spektrum deutscher farbiger Fotokunst. Wir sehen Aufnahmen von Adolf Miethe und die Fotobücher aus dem Carl Weller Verlag. Es wird deutlich, dass die Farbfotografie gerade in Deutschland früh eine Verbindung mit dem Buchdruck einging. Man liebte die Darstellung von Landschaften und Burgen („Stollwerck-Album“).
Der dritte Schwerpunkt sind Aufnahmen des Russen Prokudin-Gorskii, der das Zarenreich um 1910 farbig ablichtete. Die Ausstellung klingt mit folgenden Unterthemen aus: die europäischen Kolonien und die Farbfotografie, die Entwicklung der Ansichtskarten, die Kriegsfotografie.
Zwei Aufnahmen, die den Rezensenten einige Zeit in Bann hielten: Da ist ein verurteilter junger Mongole mit Wärtern von 1913. Trüge er nicht den Eisenring um den Hals mit der schweren Eisenkette daran, man könnte sich ihn wie seine Begleiter ebenso gut im Berlin von heute vorstellen – durchaus moderne Typen. Dann eine französische Kriegsaufnahme – vier Krankenschwestern präsentieren vor dem Hospital vier Schwerstverletzte, darunter zwei Oberschenkelamputierte. Es sind vier zerstörte Leben, aber wie sachlich wirkt das Gruppenbild, scheinbar ohne Emotion, dafür mit Ausstrahlung von Würde. Doch Vorsicht: Die Würde, die man auch auf vielen anderen Fotos von damals an den Dargestellten zu erkennen meint, rührt wohl im Wesentlichen von einem technischen Umstand her – der langen Belichtungsdauer. Bilder bilden selten die volle Realität ab, doch diese Ausstellung nähert uns der damaligen immerhin ein beträchtliches Stück an. Sie dauert noch bis zum 2.11.2014.
Ausstellungsort: Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin (zwischen Potsdamer Platz und Anhalter Bahnhof)
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