ArnoAbendschoen
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Eröffnungsbeitrag |
Abgeschickt am: 21.11.2013 um 15:06 Uhr |
Noch bis zum 27. Januar 2014 zeigt die Berlinische Galerie ihre neueste, sehr lohnende Ausstellung (rund 200 Exponate, vor allem Gemälde). Ihr Thema ist die Kunstentwicklung an Spree und Donau von etwa 1890 bis zum Beginn des Dritten Reiches, mit dem Hauptaugenmerk auf Parallelen und gegenseitiger Beeinflussung. Nacheinander begegnen wir Werken des Sezessionismus/Jugendstils, des Expressionismus, von Dada und Neuer Sachlichkeit.
Neben zahlreichen Werken aus dem Bestand der Berlinischen Galerie findet sich vieles aus der Österreichischen Galerie Belvedere, die Mitveranstalter ist und die Ausstellung selbst im Anschluss zeigen wird. Viele Leihgaben aus dem In- und Ausland vervollständigen das Bild. Kaum ein großer Name jener Epoche fehlt, weder Liebermann noch Leistikow oder Klimt, Schiele, Kokoschka, Kollwitz, Beckmann, Kirchner, Dix, Grosz ... Darüber hinaus kann man eine Fülle weniger bekannter Künstler entdecken oder ihnen wiederbegegnen, etwa Hans Baluschek, Max Oppenheimer, Koloman Moser, Hannah Höch oder Ludwig Meidner.
Als allgemeine Tendenz zeichnet sich für den Besucher beim Durchschreiten der Säle vielleicht das ab: Die Wiener Kunst jener vierzig oder fünfzig Jahre erscheint im Durchschnitt exquisiter, auch eine Spur ästhetizistischer als die in Berlin, wo es im Ganzen dafür plakativer, kritischer, gesellschaftsbezogener zuging. Doch sind die Querverbindungen so zahlreich, der gegenseitige Einfluss so groß, der Wohnungswechsel der Künstler von einer in die andere Stadt so häufig, dass sich eine allzu einseitige Zuordnung dieser Kategorien verbietet.
Im Verlauf der Entwicklung gewann Berlin allmählich das Übergewicht und wurde insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg die mitteleuropäische Kunstmetropole schlechthin – doch nur noch für wenige Jahre. Dann mündete die nie wieder erreichte Aufwärtsentwicklung an beiden Orten in einen Katarakt aus Verfemung, Emigration und Deportation. Der Weg, den man entlang der Bilder zurücklegt, kann einen melancholisch stimmen. Eine Leistikowsche Landschaft hat uns im ersten Saal mit ihrem wärmsten, klarsten Licht eines Mittags zwischen festen, alten Kieferstämmen empfangen – und beim Hinausgehen können wir uns nur schwer von Lotte Lasersteins „Abend über Potsdam“ lösen, einem grandiosen Gruppenbild der Ratlosigkeit. Tucholsky passt wieder einmal: Im Grünen fing’s an und endete blutigrot.
(Anschrift der Berlinischen Galerie: Neue Jakobstraße 124 – 128, U-Bahnhöfe Kochstraße oder Moritzplatz. Bus M 29 bis Waldeckpark. - In Wien ist die Ausstellung dann vom 14.02. – 15.06.2014 zu sehen.)
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