ArnoAbendschoen
Mitglied 718 Forenbeiträge seit dem 02.05.2010
Eröffnungsbeitrag
Abgeschickt am: 03.08.2010 um 23:18 Uhr
Jean Genet, Tagebuch eines Diebes - Vor vielen Jahren schon einmal gelesen. Fand es damals aufregend. Bei erneuter Lektüre jetzt ambivalente Eindrücke: sehr ansprechend die geschilderten Personen und Situationen - dagegen stark überzogen die Reflexionen des Autors. Hat er seine Erlebnisse für die damals in Blüte stehende Existenzphilosophie mundgerecht aufbereitet? Was ist an dem Buch noch lesenswert, was antiquiert? Wer hat mit Genet in jüngerer Zeit ähnlich irritierende Begegnungen gehabt - oder ganz andere?
Kakerlakerich
Mitglied 47 Forenbeiträge seit dem 21.12.2009
Mit Genet kann ich aktuell leider nicht dienen, ist zu lange her. Hab mir heute von Grassens GünterLyrische Beute (stimmt ja gar nicht, dass sich niemand für Lyrik interessiert!) und Grimms Wörter bestellt, jaja, das hab ich.
ArnoAbendschoen
Mitglied 718 Forenbeiträge seit dem 02.05.2010
Ja, Kakerlakerich, Genet scheint heute nur noch auf sehr begrenztes Interesse zu stoßen. Und dabei wurde in den Sechzigern z.B. wegen seines "Notre-Dame-des-Fleurs" sogar prozessiert, d.h. das Erscheinen des Buches konnte in Deutschland erst gerichtlich durchgesetzt werden.
Allerdings fällt mir jetzt mindestens ein zeitgenössischer, auf Deutsch schreibender Autor ein, der stark von Genet beeinflusst ist: Josef Winkler. Was beide verbindet, ist wohl die katholisch-ländliche Herkunft, eine Prägung voller Hassliebe, von der sie sich schreibend zu lösen versuchen, ohne es letztlich zu erreichen. Ich las jetzt auch noch "Notre-Dame-des-Fleurs", das viele wundervolle Abschnitte aufweist und mich dennoch oft genervt hat - wegen der Art, wie beständig die Formen des katholischen Kultus travestiert werden. Wer selbst nicht katholisch erzogen wurde oder gar nicht religiös ist, bringt nur schwer Verständnis dafür auf. Als das Buch erstmals herauskam, hat man (Sartre!) es wohl auch als bewusste Hinwendung zum Existenzialismus aufgefasst.