Zitat:
Zeigt mir, dass ihr Männer seid.
Kommt runter und nehmt mich in den Arm.
Zeigt mir, dass ihr Männer seid.
Kommt runter und nehmt mich in den Arm.
Wie komme ich aus meinem Körper
oder: von der Verzweiflung, Wege nach außen zu suchen
Es gibt mehrere Wege, im Sinne einer zielgerichteten Flucht in Richtung Friedens- und Erfüllungssuche zugleich, aus seinem Körper zu kommen.
Innen leer, außen erfüllt, lautet das Motto, nach dem viele Jugendliche heutzutage versuchen, ihren Weg aus der Einsamkeit zu finden.
Eine erste Möglichkeit besteht in dem totalen, absoluten und ausschließlichen Vergessen des Körpers und Vernachlässigen der körperlichen Bedürfnisse.
Beim Lesen, Fernsehen, Schlafen, Musik hören, Träumen oder aus dem Fenster gucken braucht man den Körper nicht. Man erträumt sich im Geist, in der Fantasie, seine eigene kleine, heile Welt.
Körperlich ist man in dieser unseren materiellen Welt dann nicht mehr vorhanden, nicht mehr ansprechbar, man existiert nicht mehr als Körper.
Eine weitere Möglichkeit besteht in einem extremen Gegenteil: den Körper wie ein Instrument zu nutzen, ihn als Mittel zum Zweck zu benutzen.
Zweck ist auch hier meistens eine Freiheit auf geistiger Ebene – wobei das Erreichen dieses Ziels nicht eigentlich den Körper braucht, praktisch hingegen aber doch: Der Körper wird als Sprachrohr benutzt. Sprachrohr der Seele, für innere Empfindungen und Wünsche oder auch deren Ausdruck.
Das gelingt Jugendlichen beispielsweise beim „aktiven“ Musizieren. Durch die vollkommene Beherrschung des Körpers, ja Perfektion, wird das Eigentliche erreicht, das zu erreichen man sich auf den Weg der Körperbeherrschung gemacht hat: die Musik.
Singen gelingt nur dann wirklich, wenn der Körper voll kontrolliert ist, bewusst – erneut der Weg, um zum Ziel zu gelangen.
Bei dieser aktiven Instrumentalisierung des Körpers steht ebendiese zwar zunächst im Vordergrund, ist aber nicht eigentlich das Ziel. Bloß, dass die vollkommene Beherrschung und Kontrolle des Körpers dafür notwendig ist, dass jetweigem (künstlerischen) Ausdruck keine körperlichen Unbewusstheiten als Barrieren geboten sind.
Eine dritte Möglichkeit, einen Weg hinaus zu finden, besteht darin, exzessiv die eigenen körperlichen Bedürfnisse auszuleben.
Körpererfahrung, erotische Bewegungen scheinen auch hier ein Ausdruck, eine Art Sprachrohr für etwas Seelisch-Inneres zu sein, worum es hier aber nicht geht.
Es geht nur um das einzige und alleinige Ausleben der körperlichen, sinnlichen, sexuellen Bedürfnisse als Weg zur Erfüllung.
Es ist von gewisser Traurigkeit, dass Einsamkeit bisweilen bishin zu einer solchen Verzweiflung führt, dass alle drei Wege zugleich versucht werden – und den Jugendlichen dabei die eigentliche Einheit ihrer selbst abhanden kommt.
Der Grund dafür liegt in den vielen, teils gegensätzlichen und sich widersprechenden Bedürfnissen, sowohl auf körperlicher, wie auch abstrakter Ebene.
Zum Beispiel das sexuelle Bedürfnis nach Befriedigung, das Sehnen nach Anerkennung. Nach Frieden. Bewegungssucht und Sicherheitsdrang zugleich. Suchen und Finden wollen, bestimmen und andererseits geleitet und dominiert werden wollen.
Eine traurigerweise häufig zu beobachtende Verhaltensweise besteht darin, sich in die Anonymität von Chatrooms zu flüchten.
Die Jugendlichen geben sich erotischen Spielen hin, lassen sich virtuell verführen. Alles geschieht in der Fantasie, dort leben sie wahrlich auf „phantastische“ Weise sexuelle Begegnungen und Erfüllungen aus.
Ironischerweise ist es ein wirklicher Mensch, der irgendwo anders auf der Welt vor dem Computer sitzt und sich seinerseits in seiner Fantasie auslebt.
Und ironischerweise – und das unterstreicht den Aspekt des verzweifelten, stummen aber dringlichen Hilferufs, der einem solchen Verhalten anzuhaften scheint – sind die Jugendlichen dabei tatsächlich körperlich allein.
Die wahren körperlichen Bedürfnisse werden nicht körperlich ausgelebt, sondern in der Fantasie.
In eine Anonymität zwischen für sich existierenden, lebenden Menschen geflüchtet klafft die Spalte zwischen Wunsch und Bedürfnis einerseits und Handeln, das sich auf körperlicher Ebene immer mehr in Richtung Passivität entwickelt andererseits, und wird immer größer.
Die Frage ist, ob solchen Jugendlichen noch zu helfen ist. Opfer unserer heutigen modernen, technisierten, schnelllebigen, mit modernsten Kommunikationsmedien und doch viel zu wenig wahrhaftiger Kommunikation ausgestatteten Welt, die erdrückende, das Individuum zermürbende und zerstörende, erstickende Einsamkeit zwischen einer solch großen Anzahl von Menschen gebiert?
Die Weltbevölkerung steigt noch immer.
2050 werden ca. 9,1 Milliarden Menschen auf dieser Welt leben.
Einsamkeit ist nicht zu messen.
So nicht Verzweiflung. Suchen.
Nur manchmal reißen Löcher im Bewusstsein eines Menschen auf und zeigen seinen Augen die Erstickung, den Auffraß, das Sterben der Menschen. Der Selbstmord eines 19-jährigen, der Selbsthass einer 14-jährigen, die Selbstzerstörung einer 16-jährigen, die an Gewalttätigkeit grenzenden Perversionen eines 42-jährigen, die Abkapselung einer 17-jährigen von dieser, unserer Welt.
Das alles geschieht in dieser, unserer Welt.
Die Frage ist, was man mit diesen, unseren Augen in dieser, unseren Welt noch sieht.
Sehen kann.
Sehen wird.
Der Mensch zerstört sich selbst. Mensch tötet Mensch. Stellt sich die Frage: Wer ist Mensch und wer ist Mensch?