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Literaturforum: Literaturnobelpreis 2004


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Forum > Sonstiges > Literaturnobelpreis 2004
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 Thema: Literaturnobelpreis 2004
Jasmin
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30. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 11.10.2005 um 19:07 Uhr

Zitat:

Erika sieht auf ihrem Schulweg beinahe zwanghaft überall das Absterben von Menschen und Esswaren, sie sieht nur selten, dass etwas wächst und gedeiht. Höchstens im Rathauspark oder im Volksgarten, wo sich die Rosen und die Tulpen fleischig hervordrängen. Doch auch die freuen sich zu früh, weil die Zeit der Welke schon in ihnen steckt. Das denkt sich Erika aus. Alles bestätigt sie in ihrem Denken. Nur die Kunst hat, ihrer Meinung nach, einen längeren Bestand. Sie wird von Erika gehegt, gestutzt, zurück gebunden, gejätet und schließlich abgeerntet. Doch wer weiß, was von ihr schon ohne jede Berechtigung verschwunden und verklungen ist? Jeden Tag stirbt ein Musikstück, eine Novelle oder ein Gedicht, weil es keine Berechtigung in heutiger Zeit mehr hat. Und vermeintlich Unvergängliches wieder ist trotzdem vergangen, keiner kennt es mehr. Obwohl es Fortdauer verdient hätte. In Erikas Klavierklasse hacken selbst Kinder schon auf Mozart und Haydn los, die Fortgeschrittenen gleiten über die Kufen von Brahms und Schumann dahin, den Waldboden der Klavierliteratur mit ihrem Schneckenschleim überziehend.

Elfriede Jelinek, Die Klavierspielerin

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Kenon
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31. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 11.10.2005 um 20:18 Uhr

Zitat:

umdreht, aber sie beherrscht die deutsche Sprache, wie es wenige tun. Sie spielt Klavier auf der Tastatur der Sprache, ja, sie entlockt den Tasten so manchen Tritonus, aber die Jelinek ist eine Sprachvirtuosin.

Das ist Deine Meinung, die Du mir schon einmal so ähnlich dargelegt hast. Ich nehme sie zur Kenntnis.

Zitat:

Dreht denn nicht auch Thomas Bernhards Prosa uns manchmal den Magen um?

Von welchem Wir sprichst Du? Bernhard war ein Genie.

Zitat:

Gewalt und Pornographie sind Teil der Gesellschaft und in diese Wunden hat Elfriede Jelinek ihren schreibenden Finger gelegt.

Schreibt sie nur mit einem Finger? Das wäre ja ein Erklärungsansatz...

Zitat:

Literatur muss nicht immer schön sein.

Aber wenn man sie zum Kotzen findet, gibt es keinen Grund, sie sich anzutun. Das gilt selbstverständlich für alle.

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Jasmin
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32. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 11.10.2005 um 21:07 Uhr

Zitat:

Das ist Deine Meinung, die Du mir schon einmal so ähnlich dargelegt hast. Ich nehme sie zur Kenntnis.

Deine Meinung zum Thema Jelinek ist mir auch nicht gerade neu. Schade nur, dass sie sich fast ausschließlich auf anonyme Amazon-Rezensionen zu stützen scheint...

Zitat:

Von welchem Wir sprichst Du?

Das ist Pluralis Majestatis.

Zitat:

Bernhard war ein Genie.

Ist das jetzt Deine Meinung oder ein literaturwissenschaftliches Axiom?
Was ist das Geniale an Bernhard?

Zitat:

Schreibt sie nur mit einem Finger? Das wäre ja ein Erklärungsansatz...

Für Dich vielleicht.

---

Hier noch ein Ausschnitt aus einem Interview in der FAZ mit Elfriede Jelinek in Bezug auf die Rezeption ihres Werkes in Deutschland :

Zitat:

Wir meinten weniger das Urteil der Kritik. Bei Ihren Büchern stellt sich doch die Frage, ob sie überhaupt übersetzbar sind. Ist als Leser nicht verloren, wer den österreichischen Hintergrund nicht kennt?

Das stimmt, das ist das größte Problem. Deswegen wundere ich mich auch so sehr über den Preis, weil ich eigentlich eine Provinzautorin bin, die in einer bestimmten Weise mit einer bestimmten Sprache arbeitet, die man schon in Deutschland nicht mehr versteht. Ich stehe in der Traditionslinie der Wiener Gruppe. Vom frühen Wittgenstein über Karl Kraus bis zur Wiener Gruppe ist das eine sehr sprachzentrierte Literatur, die eigentlich weniger mit Inhalten arbeitet als mit der Lautlichkeit, mit dem Klang von Sprache. Und das läßt sich nicht übersetzen.

Viele Deutsche verstehen auch meinen Witz überhaupt nicht, die finden das nicht komisch. Ich habe das Gefühl, ich stoße vor allem in Deutschland in ein vollkommen leeres Rezeptionsfeld, in eine Rezeptionswüste. Meine Vermutung ist, daß das mit dem verschwundenen jüdischen Biotop zu tun hat, von dessen Rändern ich doch irgendwie herkomme. Ob das jetzt das Wiener Kabarett ist mit Karl Farkas und all den anderen oder ob ich das mit meiner Familie bin, da ist einfach ein ständiges Gewitzel. Das ist ein unaufhörliches Sprachspiel. In Deutschland ist das kaputtgemacht worden, einfach zerstört. Karl Kraus hat Dramolette geschrieben, die im Caféhaus spielen, wo man sich totlacht, aber die Leute haben das decodieren und goutieren können. Kraus hat den kulturellen Dung vorgefunden, wo das dann aufgegangen ist. Und das würde ich brauchen. Ich schreibe eigentlich aus dieser Tradition heraus und habe das Gefühl, ich schreibe ins Leere hinein.

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Kenon
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33. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 11.10.2005 um 21:45 Uhr

Diese Nachricht wurde von Arne um 21:46:00 am 11.10.2005 editiert

Zitat:

Meine Vermutung ist, daß das mit dem verschwundenen jüdischen Biotop zu tun hat, von dessen Rändern ich doch irgendwie herkomme.

Jaja, der Holocaust ist schuld.

Als ob man heute keine jüdischen Schriftsteller mehr in Deutschland lesen würde.

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Jasmin
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34. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 11.10.2005 um 22:02 Uhr

Zitat:

Jaja, der Holocaust ist schuld.

Als ob man heute keine jüdischen Schriftsteller mehr in Deutschland lesen würde.

Dass Du Dir nun gerade diese Stelle heraus pickst und auf Deine Art und Weise interpretierst, finde ich bezeichnend. Wenn Du Dir einmal eine Meinung gebildet hast, auf welchem Weg auch immer, dann bleibst Du dabei, koste es, was es wolle. Wahrscheinlich magst du die Jelinek vor allem deshalb nicht, weil sie männliche Wesen in einem besonders unvorteilhaften Licht erscheinen lässt.

Schade eigentlich. Ich finde das, was Elfriede Jelinek zur Schwierigkeit des Übersetzens ihrer Werke äußert, sehr bemerkenswert. Aber wenn Du wieder einmal nur Lust auf Polemisieren hast, dann ist keine konstruktive Diskussion möglich.

Vielleicht ist der Monolog tatsächlich die am besten geeignete Kommunikationsform für Dich.

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Kenon
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35. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 11.10.2005 um 22:33 Uhr

Manche mögen die Jelinek, manche nicht. Es kann jeder sagen, wo er steht. So einfach ist das.

Ich habe einem Freund gerade Begründungen für einzelne Literaturnobelpreise vorgelesen. Seine Meinung: Hört sich alles an wie aus einer Phrasendreschmaschine.

Zitat:

Aber wenn Du wieder einmal nur Lust auf Polemisieren hast, dann ist keine konstruktive Diskussion möglich.

Was möchtest Du denn konstruieren?

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Undine
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36. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 11.10.2005 um 22:37 Uhr

Zitat:

Und obwohl ich die Jelinek nicht kenne, der 1989 verstorbene Österreicher Thomas Bernhard hätte den Preis sicher besser verdient gehabt.
Aber überhaupt nicht. Pure Schimpferei sonst nichts. Und wenn du selbst eingestehst, dass du "die Jelinek" nicht kennst- woher nimmst du dir dann das Recht zu einem solchen Urteil?
Diese Frau "hat was drauf". Zugegebener Maßen: Ästhetisch ist ihr Werk keineswegs. Aber der Bernhard ist auch weit von jeglicher Ästhetik entfernt. Am besten, du liest einfach mal was von ihr... und biographische Daten dazu wären nicht schlecht, dann versteht man vielleicht einiges etwas leichter.
Liebe Grüße

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Jasmin
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37. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 11.10.2005 um 22:48 Uhr

Zitat:

Manche mögen die Jelinek, manche nicht. Es kann jeder sagen, wo er steht. So einfach ist das.

Eben nicht. Du sagst nur, Du hast ein paar Absätze gelesen und findest sie zum Kotzen. Mehr nicht. Du begründest es nicht, weil Du es nicht kannst, denn Du hast ja kein Buch von der Jelinek gelesen. Auf perlentaucher. de findet man zahlreiche Rezensionen zu Jelinekwerken und da kann ich etwas mit anfangen, aber mit Deinem Jelinek = zum Kotzen und Bernhard = genial kann ich nichts anfangen.

Zitat:

Was möchtest Du denn konstruieren?

Einen Zusammenhang zwischen Deiner Meinung und dem Werk Jelineks. Ich reagiere so empfindlich, weil es mich aufregt, wenn jemand einen Schriftsteller dermaßen abkanzelt und ihn nicht einmal gelesen hat.

Und auf die Frage, was an Bernhard genial sei, hast Du auch nicht geantwortet.

Übrigens habe ich Gier und Die Liebhaberinnen geschenkt bekommen, angebrochen und nicht zu Ende lesen können. Ich kann Deine Abneigung schon nachvollziehen. So ist es nicht. Aber die Klavierspielerin ist sehr gut und deshalb möchte ich die Jelinek verteidigen. Es tut mir weh, wenn jemand, wenn ein Schriftsteller so niedergemacht wird, wenn man ihm Unrecht antut, vor allem aus Ignoranz [das hast Du mir ja auch einmal zu Recht in Bezug auf Pasolini vorgeworfen.]

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Kenon
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38. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 11.10.2005 um 23:01 Uhr

Zitat:

Ich reagiere so empfindlich, weil es mich aufregt, wenn jemand einen Schriftsteller dermaßen abkanzelt und ihn nicht einmal gelesen hat.

Ich habe genug von ihr gelesen, um eine solche Meinung haben zu können. Ich muss mir auch nicht den ganzen Stuckrad-Barre antun, um ihn scheisse zu finden, oder Bukowski, Max Frisch, John Irving, Plenzdorf, Lessing usw. usf.; das Leben ist viel zu kurz, um jeden Stuhlgang im Labor zu prüfen.

Zitat:

Und auf die Frage, was an Bernhard genial sei, hast Du auch nicht geantwortet.

Warum auch? Ich habe Rezensionen zu seinen Werken, die ich gelesen habe, geschrieben, die kann man hier finden. Sie sind vielleicht so dürftig und ekelhaft wie mein Erstbeitrag in dieser Diskussion und vieles andere - und? Man kann etwas damit anfangen, oder nicht.


Zitat:

das hast Du mir ja auch einmal zu Recht in Bezug auf Pasolini vorgeworfen

An das Pasolini-Thema hatte ich heute auch schon gedacht. Alles Ruinen.

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Jasmin
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39. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 12.10.2005 um 01:43 Uhr

Zitat:

Es gibt schöne deutsche Ausdrücke, die leider weder literaturnobelpreisverdächtig noch schadlos ins Schwedische zu übersetzen sind. Plaudertasche beispielsweise, Kraftmeier und beleidigte Leberwurst. Alle drei Charakteristika treffen auf den Schriftsteller Knut Ahnlund zu, der jetzt seine Mitgliedschaft in der Schwedischen Akademie für beendet erklärt hat.

[...]


Zum anderen ist der alte Schwede im ganzen Land als Querulant bekannt, dessen Sendungsbewußtsein das Wirken der Akademie schon mehr als einmal in Verruf gebracht hat. So hat Ahnlund, der wegen seiner Streitlust schon seit 1996 nicht mehr an den Findungsprozeduren teilnimmt, kaum eine Gelegenheit verstreichen lassen, gegen Jurykollegen und Preisträger zu wettern. [...] Die Wahl Dario Fos 1997 kritisierte er - übrigens gleichfalls in seinem Haussprachrohr "Svenska Dagbladet" - so wortreich wie heftig. [...] Und die Entscheidung für Jose Saramago anno 1998 bezeichnete er als Ergebnis einer professionell gesteuerten PR-Kampagne.


Gegen Exzentriker in Akademien ist prinzipiell nichts einzuwenden. Nur sollten sie weder so geschwätzig noch so sehr auf die Rolle des Selbstdarstellers abonniert sein wie Ahnlund. Ihm muß man nun ausgerechnet jenen Vorwurf machen, mit dem er die Auszeichnung Elfriede Jelineks bedacht hat: den Wert des Literaturnobelpreises auf absehbare Zeit zerstört zu haben.

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