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Literaturforum:
Das Ende der Welt
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Autor
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Thema: Das Ende der Welt
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ArnoAbendschoen
Mitglied
718 Forenbeiträge seit dem 02.05.2010
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Eröffnungsbeitrag |
Abgeschickt am: 10.08.2017 um 21:38 Uhr |
Gestern bin ich zu spät ins Bett gekommen und jetzt zu früh aufgewacht. Es ist erst halb neun, ich brauche noch nicht aufzustehen. Wo bin ich überhaupt? In einer Pension in Köln, nicht weit vom Rhein, seit gestern. Vielleicht kann ich noch mal in den Halbschlaf zurückfinden.
Stattdessen fangen draußen auf einmal Sirenen an zu heulen. Es ist ein Dauerton. Er dringt umso mehr durch, als das Zimmer zu einem ruhigen Hof hin liegt. In der Pension ist und bleibt es still. Das Zimmer liegt im obersten Stockwerk, Empfang und Frühstücksraum befinden sich weiter unten.
Ich will noch immer nicht aufstehen, jetzt noch weniger als vorher. Nur ist da die Frage: Was hat das zu bedeuten? Es ist nicht die für einen Probealarm übliche Zeit. Ein Wunsch gewinnt bei mir die Oberhand: Es soll aufhören, sofort. Dann könnte ich den Kopf unter die Decke stecken und das Geräusch schnell vergessen.
Der gellende Dauerton hält bereits eine Minute an, vielleicht schon zwei. Er bleibt auf immer gleicher Tonhöhe, schrill und kraftvoll. Ich blicke zum Dachfenster - am grauen Himmel zeigt sich nichts.
Nach einer Reihe von Minuten verstummen plötzlich alle Sirenen. Ich stecke den Kopf jetzt doch nicht unter die Bettdecke. Dafür hat es zu lange gedauert. Ich sehe wieder vom Bett zum Fenster und durch das Fenster in den Himmel. Wird sich bald etwas zeigen? Sind Raketen im Anflug? Ich überlege, von wem ich mich in diesem Fall gern noch verabschieden würde. Wen müsste ich dann anrufen? Der Kreis ist sehr klein.
Es geschieht nichts, natürlich nicht. Die Stille verliert mit jeder halben Minute etwas mehr von ihrer Bedrohlichkeit, wird am Ende zu einer fast ungetrübten harmlosen Vormittagsruhe. Ich stehe auf und gehe frühstücken. Der Wirt bedient selbst die wenigen Gäste. Keiner erwähnt den Alarm, auch ich nicht. Unsere Ruhe hat etwas Gekünsteltes. Mir scheint, wir alle fürchten, an etwas zu rühren.
Ich bin schon aufgestanden, um nach oben zu gehen, da dreht der Wirt das Radio lauter – die Lokalnachrichten. Ich höre im Weitergehen, es sei vorhin ein Fehlalarm gewesen. Und einige hätten sofort begonnen, ihre Badewannen volllaufen zu lassen, aus Furcht, es könnte wieder Gift im Rhein sein. Ich sehe zum Wirt hinüber. Er zuckt nur mit den Achseln und ruft mir zu: „Schönen Tag noch!“
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