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Literaturforum: Die Frau mit der schwarzen Brille


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 Thema: Die Frau mit der schwarzen Brille
klaasen
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 21.08.2009 um 23:07 Uhr

Die Frau mit der schwarzen Brille
’Biographie 1970’

Nach zweijähriger Flucht, ich hielt mich zu dieser Zeit in Großstädten wie Madrid, Paris, Amsterdam und Rotterdam auf, suchte ich den Weg zurück in meine Geburtsstadt Mainz. Ich war nun 15 Jahre alt. Ein kurzer Besuch bei meiner Großmutter brachte nichts. Nachbarn erzählten mir, sie sei die Treppe hinunter gefallen .Ich hatte Glück und konnte ein Zimmer im Dachgeschoss eines sechs stöckigen Hauses mieten. Wann immer ich das Haus verliess oder betrat, begegnete ich einer Dame mit einer schwarzen Brille, die drei Stockwerke unter mir wohnte. Sie schien mir geheimnisvoll und ich sehnte mich nach einem Wort oder einer Berührung von ihr. Ich war derartig in ihren Bann gezogen, dass ich an nichts anderes mehr denken konnte, als daran, sie zu berühren. Mir war klar, sie wusste, dass ich sie in meinen Gedanken spazieren führte. „Sie schien mir so vertraut, als hätte ich sie selbst geformt zu einer weiblichen Statue nach meinen Wünschen. Sie spielte mit mir. „Ich bin ganz gewiss, sie merkte, wenn ich an ihrer Tür stehenblieb . Ich konnte sie sehen, durch die Tür und spüren, wie sie hinter der Tür meinem Atem lauschte und sich zwischen die Beine fasste. Heute war die Miete fällig und ich hatte kein Geld.” Gegessen hatte ich schon lange nichts mehr. „Es klingelte – verdammt, das konnte nur der Vermieter sein.“ Dann hörte ich plötzlich das Geräusch eines Schlüssels. Und den Versuch, die Tür damit zu öffnen. Scheinbar passte er nicht. Diesen kleinen Moment nutze ich und öffnete die Dachluke und kletterte hinaus. Die Dachziegel waren nass vom Regen und ich stürzte ab. Wie durch ein Wunder konnte ich mit der rechten Hand die Dachrinne erwischen. Mein Körpergewicht schien nun das eines Elefanten zu sein. Es zog mich hinunter und eine Stimme sprach zu mir: ”Lass dich fallen.”
Und die Stimme hatte Recht. Weshalb sollte ich versuchen, am Leben festzuhalten? Was hatte das Leben mir bisher gegeben? Vergewaltigung, ständigen Hunger, Verfolgungen. Keiner der einen liebte oder in die Arme nahm. Sie hatte Recht diese Stimme. Einfach fallen lassen und der Alptraum hätte ein Ende.

Ich schaffte es, mit meiner linken Hand die Dachrinne zu erwischen. Nun hing ich in fünfzehn metern Höhe und hielt mich mit meinen zwei zitternden Händen an der Dachrinne fest und mein langer Körper wurde immer schwerer und schwerer.
Es stimmt, im Todeskampf zeigen sich Bruchstücke des Lebens: gute wie schlechte Erinnerungen.“
Und es muss eine gute Erinnerung gewesen sein, die mir die Kraft verlieh, mein rechtes Bein so hoch zu schwingen, dass ich es nach nur drei Versuchen schaffte, mein rechtes Knie in der Dachrinne zu verhaken. Das gab Zeit, die Kraft zu sammeln, um einen neuen Versuch zu unternehmen mich mit dem rechten Knie in der Rinne abzustützen und dann hinauf zu hieven. Doch dieser Versuch scheiterte.
Zu gross war meine Angst, die Dachrinne könnte wegen meines Gewichtes brechen.“ Das linke Bein baumelte noch nach unten und ich traute mich nicht, auch nur eine kleine Bewegung zu unternehmen.
„Mein Herz hämmerte wie ein Presslufthammer, das Blut schoss nach oben und schnürte mir in den Hals zu.“ Ein lautes, dumpfes Geräusch vermählte sich mit dem pulsierenden Pulsschlag in meiner Halsschlagader und glich einer Handgranate, die jederzeit explodieren konnte. Die Kraft verliess mich von Sekunde zu Sekunde und ich musste eine Entscheidung treffen. Ein allerletzter Versuch. Sollte er daneben gehen, dann war´s das eben.
,,Was soll’s“, dachte ich und entschied mich, mein rechtes Knie so fest ich konnte in die Dachrinne zu drücken. Dann stand ich mit dem Knie fast aufrecht in der Rinne, konnte mich mit der linken Hand halten und zog mich zitternd zum Fensterrahmen hin.
„Ich hatte es geschafft, konnte mich aber nicht darüber freuen, denn die Sehnsucht nach dem Tod kam erst jetzt. Der Vermieter hatte das Zimmer durchsucht.“ „Von meinem Todeskampf auf dem Dach hatte er offenbar / vermutlich / wahrscheinlich nichts mitbekommen.“ Ich legte mich aufs Bett und träumte von der Frau mit der schwarzen Brille. Zwei Tage später fasste ich den Entschluss an ihrer Tür zu läuten. Was hatte ich jetzt noch zu verlieren, ausser von ihr eine Absage zu bekommen? Es kam aber alles ganz anders. Sie stand vor der Tür als ich die Treppen hinunter kam. Sieh sah mich an, nahm meine Hand und führte mich in ihre Wohnung. Die Vorhänge waren allesamt zugezogen. Es war so finster wie in der Hölle, dunkler als im Tod. Es war wie in einem schwarzen Loch.“
Alles um mich herum drehte sich. Und ihren Geruch konnte ich erst jetzt wahrnehmen. Es war der Geruch einer Toten. Als hätte es sie nie gegeben war sie einen Tag später spurlos verschwunden.

Keiner ausser mir hatte sie je gesehen. Ich sah sie nie wieder. Kann sie aber bis heute auch nicht vergessen.

klaas klaasen


ich bin ein hut weil ich meinen kopf nicht finde
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