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Literaturforum: Hermann Hesse - Knulp


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 Thema: Hermann Hesse - Knulp
LX.C
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 22.06.2006 um 13:18 Uhr

Knulp. Welch eigenartiger Name, denkt man sich. Ein wandernder Handwerksgeselle ist der Knulp, ein Bild von einem Mann, der stets ausgeglichen und fröhlich durchs Land zieht. Einem Handwerk aber geht der wandernde Handwerksgeselle nicht nach. Er bringt den Menschen lieber Geselligkeit, Freude, Heiterkeit und Abwechslung in ihr festgefahrenes Leben, ermöglicht es ihnen, kurzzeitig aus dem Alltagstrott auszubrechen, und erschleicht sich auf diese Weise so manch bedeutsamen Eintrag in sein sauber geführtes Gesellenbuch. Knulp ist des Musizierens, Tanzens und Erzählens mächtig und erobert im Sturm die Herzen aller Frauen. So ist der Knulp, den alle kennen und lieben. Und wenn er nach Jahren wieder in einem Ort auftaucht, erinnert man sich gerne an ihn und gibt ihm Obdach.

Doch Knulp erkrankt schwer. Er spürt, wie seine Kräfte nachlassen, und macht sich auf den Weg in seine Heimatstadt. Hier will er seine Kindheitserinnerungen noch einmal auffrischen und seine erste große Liebe wiedertreffen, die so schicksalhaft an seinem Lebensweg beteiligt war. Denn Knulp ist ein hochintelligenter Mensch, der in seiner Jugend nach Höherem strebten sollte. Doch für seine große Liebe, die ihm den Zugang zu sich nur gewähren wollte, wenn er sich in ihren gesellschaftlichen Stand herabbegibt, gab er die Lateinschule auf. Da halfen auch all die Schläge und alles Flehen des Vaters nichts. Als die Erwiderung der Liebe ihm dennoch verwehrt blieb, brach für den jungen Knulp eine Welt zusammen. Alle Kräfte versagten, jegliche Zielstrebigkeit schwand, der Blick in die Zukunft trübte sich, der Weg zurück zur Bildung und zu einer höheren Kariere blieb ihm verschlossen. So brach Knulp auf in die weite Welt, ohne irgendwo anzukommen, Jahre zogen auf diese Weise ins Land, ohne Rückkehr.

Zurück in seinem Heimatort, in dem er Frieden sucht, findet er nichts als Zerstreuung. Den Vater hat längst das Zeitliche gesegnet und auch die schicksalhafte Geliebte ist frühzeitig verstorben. Alles im Heimatort ist verändert, nichts wie zu Kindheitszeiten, und bei alten Bekannten trifft er auf Unverständnis und Widerspruch, warum er sich denn über die Jahre so treiben lassen hat, anstatt zu Höherem aufzustreben, sesshaft und mit Familie zu leben; gar einen Amtsrichter hätte man ihm zugetraut. Die vielen enttäuschten Erwartungshaltungen der Menschen bringen Knulp am Ende seines Lebens erneut aus dem Gleichgewicht, bringen ihm Zweifel und Hadern so kurz vor dem Tode, wo er doch Frieden finden wollte. Verunsichert verlässt er aufs Neue seinen Heimatort, doch er kommt nicht mehr weit, streunert wochenlang entkräftet in dessen Nähe umher. Nur eine Begegnung ereilt ihn noch, die ihm den Sinn seines gelebten Lebens aufzeigt, alle Zweifel ausräumt und so den gesuchten innerlichen Frieden bringt, bevor Knulp, dessen Lebensmodell es war, allen stets Freude und Geselligkeit zu bringen, einsam und allein, aber versöhnt mit dem Leben diese Welt.

Hermann Hesses "Knulp" führt dem Leser buchstäblich vor Augen, wie sehr sich der Mensch von gesellschaftlichen Konventionen abhängig macht. Wie sehr ihn Erwartungshaltungen außenstehender Personen regelrecht versklaven können. Selbst nach dem Entschluss zur Freiheit bleibt das Individuum abhängig vom Wohlwollen der Gesellschaft. So bringt das sauber geführte Gesellenbuch des Protagonisten den Widerspruch zwischen Freiheit und Gesellschaft symbolisch zum Ausdruck. Eine Scheinexistenz, da Knulp wissend ist, dass der Mensch in der Gesellschaft etwas darstellen muss, um Mensch sein zu dürfen. Zudem ist das Individuum gemeinhin von einer Sehnsucht getrieben, nach diesem oder jenem Leben Ausschau zu halten, weil der Mensch meist das haben, das erleben oder leben möchte, was ihm verwehrt bleibt. So kann neben dem Erwartungsdruck von außen ein eigener grundloser Zwiespalt das Lebensgerüst schnell ins wanken bringen. Hier greift Hesses 1915 erstmals veröffentlichtes Werk und befriedet auf so wunderbare Weise mit dem Leben, da es aufzeigt, dass es nur den einen gelebten Weg gibt und genau dieser für den jeweiligen Menschen einen Sinn ergibt. Es gibt keine Alternative. Jegliches "hätte ..., wäre ..., wenn ..." ist sinnlos. Jegliche Betrachtungen von außen, Betrachtrungen, die sich auf Projektionen stützen und sich nur kleinste Bruchstücke eines Lebens für ein Urteil zunutze machen können, denen das Seelenleben zudem meist gänzlich verschlossen bleibt, sind aus dem Kontext gerissen und haben nicht das Recht, einen fremden Lebensweg in Frage zu stellen.

Nun scheint das Ende durch diese Rezension schon verraten. Wie unprofessionell. Doch wird bei diesem Büchlein sowieso schnell klar, in welche Richtung der Handlungsstrang verläuft. Es ist somit noch gar nichts enthüllt oder entzaubert, da die philosophische Betrachtung auf das Leben und die romantisch eingekleidete Sterbesituation am Schluss des Buches einem vor Ergriffenheit die Sprache und den Atem verschlagen. Doch zuvor wird der Leser durch Hesses gewohnt grandios dichterische Sprache wie auf einer Welle durch die drei Kapitel der Erzählung getragen. Der Autor nennt diese Kapitel lieber die "Drei Geschichten aus dem Leben Knulps". Außergewöhnlich ist ein Perspektivwechsel im zweiten Kapitel. Von der distanzierten Erzählweise wechselt der Autor hier plötzlich zur Ich-Perspektive und vermittelt dem Leser auf diese Weise einen Eindruck gesteigerter Authentizität. Ein wunderbares Buch, das vermutlich auch im Alter seinen Zauber nicht verliert; oder vielleicht sogar gerade dann seine Wirkung so richtig entfaltet.


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