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Literaturforum: Italo Svevos Alterserzählungen


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 Thema: Italo Svevos Alterserzählungen
ArnoAbendschoen
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 10.11.2019 um 13:48 Uhr

Der kleine rororo-Auswahlband im Miniaturformat mit dem Titel „Mein Müßiggang“ enthält nur vier Erzählungen des Triestiner Autors Italo Svevo (1861 – 1928). Erkennbar sind es Texte, die der Autor in reiferem Alter geschrieben hat – und davon und den damit verbundenen Problemlagen handeln die relativ kurzen Erzählungen auch. Dabei sind sie unterhaltsam zu lesen, mal humoristisch, mal selbstironisch und durchgehend analytisch. Ihre äußere Form weist eine Klassizität auf, die schlussfolgern lässt: Hier hat einer der großen Autoren der Moderne zu seiner endgültigen Form gefunden.

In der Titelgeschichte erlebt ein Ruheständler seinen „Müßiggang“ als ziemlich belastend. Um seine Vitalität zu erhalten oder sie wenigstens vorzutäuschen, nimmt er sich ein letztes Mal eine Geliebte. Die etwas geldgierige junge Frau versichert ihm, nicht der Wahrheit entsprechend: „ … es graust mir gar nicht vor dir.“ Später wird er ihr sagen: „Merkwürdig! Auch mir graust es gar nicht vor dir.“ Die fatale Geschäftsbeziehung endet, als der Ich-Erzähler auf einen gleichaltrigen Nebenbuhler stößt. Seinen erotischen Tagesbedarf müssen nun Blickkontakte in der Straßenbahn decken, und er muss sich schon einmal „Alter Faun“ nennen lassen.

Ganz anders der autobiographische Text „Die Zukunft der Erinnerungen“. Hier stellt der alte Svevo den Erinnerungen an seine erste Reise nach Deutschland – seine Eltern brachten ihn und seinen Bruder in einem Internat bei Würzburg unter – spätere Erkenntnisse gegenüber, so dass beide zusammen etwas Neues ergeben. Viele unterziehen sich in reiferem Alter solchen Übungen, hier sind sie formvollendet gelungen. – „Meuchlings“ ist die Geschichte eines ruinierten alten Geschäftsmannes, der vergeblich die Hilfe seines jahrzehntelangen Freundes erbittet. Die Unterredung endet damit, dass der andere an einem Schlaganfall stirbt. Der Bankrotteur zieht für sich diese Bilanz: „Die Welt ging weiter, diese Geschichte aber bewies ihre ganze Nichtigkeit. Die Geschichte, die Reveni zugestoßen war, nahm der, die ihm selber zugestoßen war, jede Bedeutung.“

„Feuriger Wein“, die letzte Erzählung hier, gehört mit Recht zu den bekanntesten Texten Svevos. Der Ich-Erzähler, ein leidender alter Herr, darf bei einer Familienfeier einmal seine strenge Diät vergessen. Doch es bekommt ihm schlecht. Überreichlicher Genuss von Wein treibt ihn in die Rebellion gegen die sonstige Bevormundung. Er streitet mit Frau, Tochter und Verwandten und erlebt hinterher eine schlimme Nacht. Ein Alptraum enthüllt ihm schließlich, wie fragil die familiären Beziehungen tatsächlich sind.

In „Feuriger Wein“ wird die Methode des alten Svevo am deutlichsten. Während er früher jüngere Männer oder solche in mittleren Jahren als lebensuntüchtig, vorzeitig greisenhaft „(Senilità“) darstellte, tragen jetzt alte Männer in sich den Kampf zwischen Eros und Tod aus, ein Krieg, in dem der Sieger von vornherein feststeht. Svevos alte Herren sind insofern gereift, als sie die „Senilità“ philosophisch auffassen, wenn auch mehr in der Theorie als in der Praxis. Aus diesem Widerspruch zwischen Erkenntnis und Handeln rührt ein Gutteil der Komik der Texte her. Ein weiteres Moment stellt die Tendenz zum Regredieren dar. Wenn Altern entmündigt, so nimmt der typische alte Mann bei Svevo sich bewusst die Vorrechte von Kindern heraus: scharf und gnadenlos zu beobachten und das Beobachtete ohne jede Rücksicht frei herauszusagen. Von seinem viel jüngeren, vitaleren Kontrahenten Giovanni weiß der Erzähler in „Feuriger Wein“: „Ich wusste, dass es ihm nur um die gute Stimmung ging und dass er mich besänftigen wollte wie ein ungezogenes Kind, das eine Zusammenkunft von Erwachsenen stört.“ Svevos alte Herren sind Störenfriede, es sind Greise als leicht infantil wirkende Philosophen. Diese Ambivalenz erzeugt mit den spezifischen Reiz von Svevos später Prosa. Aufzuheben ist der Widerspruch von Eros und Tod für einen Autor wie Svevo nicht im realen Leben, nur durch Gestaltung im literarischen Werk.

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