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Literaturforum: was macht lyrik aus?


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Forum > Sonstiges > was macht lyrik aus?
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 Autor
 Thema: was macht lyrik aus?
hibou
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 27.03.2005 um 11:01 Uhr

einmal nicht gedichte schreiben, sondern darüber nachsinnen....

ich fang mal ganz kurz an:

was macht lyrik aus?

epiphanie, glanz, leuchten.

was ist lyrik nicht? PROSA, botschaft, pathos


hier ein artikel zu Thomas Kling, m.E. ein typischer Lyrik-Lyriker:

http://www.zeit.de/2005/13/L-Kling

vermutlich steht da auch viel von was lyrik ist :-))

was meint ihr?


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hibou
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1. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 27.03.2005 um 11:09 Uhr

ich las grad, dass kenon daniil charms dazu zitiert:

"Gedichte schreiben muß man so, daß, wenn
man das Gedicht gegen das Fenster wirft, das Glas zu Bruch geht."

jau

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Uve Eichler
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2. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 27.03.2005 um 12:26 Uhr

An dieser Aussage ist was dran, denn allein die Gedankengänge die ein Lyriker zu Papier bringt sind immer eine Herausforderung für den Leser. Ob dieser Betrachter dann mit dem Geschriebenen fertig wird, das ist eine andere Sache.
Wenn nur einzelne Wortfetzen ungeordnet aufgeschrieben werden, wird die Kritik über Geschriebenes selbstverständlich schwierig.
Eine genaue detailierte Beschreibung, was Lyrik ausmacht erscheint mir doch sehr fragwürdig.
Wenn man sich die Schriften vergangener Tage ansieht, so stellt man fest, dass schwierige Texte die wohl breiteste Möglichkeiten der Interpretation bieten.
Ein schönes Breispiel ist:

- Sprachspeicher (DuMont)
200 Gedichte auf deutsch vom achten bis zum zwanzigsten Jahrhundert

ISBN 3-7701-5813-X


Man muss die Welt nicht verstehen, man muss sich darin nur zurechtfinden.
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hibou
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3. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 27.03.2005 um 14:17 Uhr

Uwe schrieb:
"Eine genaue detailierte Beschreibung, was Lyrik ausmacht erscheint mir doch sehr fragwürdig. "

ja, aber ein bisschen sammeln können wir, oder?

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Jasmin
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4. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 06.04.2005 um 00:54 Uhr

Ein Dichter sollte ein gutes Medium sein.

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Kenon
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5. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 08.04.2005 um 19:26 Uhr

Zitat:

hier ein artikel zu Thomas Kling, m.E. ein typischer Lyrik-Lyriker:

Lyrik darf ästhetisch sein - die Klingsche ist es wohl eher nicht. Hier sind (trotzdem) fünf Gedichte von ihm:

http://www.digitab.de/kling/index.htm

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Jasmin
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6. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 08.04.2005 um 19:36 Uhr

Kann ich leider gar nichts mit anfangen. Für mich ist das chaotische Prosa, aber vielleicht habe ich keine Ahnung.

Bin ein paar Tage vor Klings Tod durch hibous Beitrag auf ihn aufmerksam geworden, habe aber eben erst Lyrik von ihm gelesen.

Der Wortschatz erscheint reichhaltig, auch die Verwendung von Neologismen und waghalsigen Komposita ist beeindruckend. Aber ansonsten entstehen beim Lesen ein heftiger Widerwillen und der Wunsch, die Lektüre abzubrechen, was ich auch getan habe.

Entschuldige, hibou. Aber sag mir bitte, wo für Dich das Lyrische in Klings Lyrik zu finden ist.

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Jasmin
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7. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 19.04.2005 um 12:32 Uhr

Es lässt mich nicht los, dass ich mich so voreilig und unbedacht zu Thomas Klings Lyrik geäußert habe. Deshalb hier ein Gegengewicht in Form von zwei wohlwollenden Rezensionen, auf die ich eben gestoßen bin:


Die Zeit vom 23.03.2005

Es fällt Hubert Winkels nicht leicht zuzugeben, dass er von Thomas Klings Gedichten ergriffen ist. Denn Kling verweigert jede Art der Anteilnahme, jede Form der Intimität, seine Texte "funkeln kalt in technischer Bläue", formuliert Winkels seine Faszination. Gerade beim ersten Gedichtzyklus, dem "Gesang von der Bronchoskopie" scheint diese Klingsche Mischung besonders unter die Haut zu gehen, denn hierin beschreibt der Autor seine Erfahrungen im Krankenhaus; medizinische Aufzeichnungstechniken konkurrieren mit literarischen, verzerren die Wahrnehmung und verhindern die direkte Gefühlsbekundung. Gerade das macht diese K-Gedichte, wie Winkels sie nennt, so intensiv: K - wie Krankenhaus und Krieg, aber auch Körper und Konkretion oder Kälte und Kunst, zählt er auf. Ganz ungewöhnlich ist für den Rezensenten der dritte Teil der "Flugdaten", in dem der Dichter den Versuch wagt, Essay und Gedicht gleichberechtigt nebeneinanderzustellen: thematisch und motivisch eng miteinander verschränkt, behauptet Winkels. Kling wählt ausgerechnet den Kulturhistoriker Rudolf Borchardt zum Führer durch den Dschungel der Weiblichkeit, der wild ausschweifenden Unterwelt: eine Rechnung, die für Winkels, voll aufgeht und Klings eigene Gedichtpraxis erhellt.

Neue Zürcher Zeitung vom 02.03.2005

Michael Braun fühlt sich im Fall von Thomas Klings neuestem Gedichtband an den Spruch Paul Celans erinnert: "Dichtung: Das kann eine Atemwende bedeuten." Bei Kling liest Braun diesen Satz geradezu wortwörtlich, denn das Buch beginnt mit dem "Gesang von der Bronchoskopie", in dem Kling seinen Krankenhausaufenthalt als Höllentrip durch den Körper beschreibt; Braun ist regelrecht erschüttert von diesem existenziellen Kampf gegen das Ersticken und gegen das Verstummen. Kling beschreibt die Vorgänge in und an seinem Körper jedoch nicht nur klinisch kühl, sondern verbindet somatische Selbsterkundung mit einer geologischen Perspektive, die Körperpartien Schicht um Schicht materiell bloßlegt: der Atemraum in den Metaphern des Bergbaus, diese kühne Mischung schafft laut Braun "Bildfügungen von intensiver Leuchtkraft". Durch die geologische Perspektive gleitet Kling aber auch in die kulturelle Frühgeschichte ab, bezieht sich auf Stoffe der antiken Mythologie, was Kling in den Augen von Braun von der Wiener Moderne abrücken und Dichtern wie Borchardt oder George wieder näher rücken lässt. Braun ist begeistert von Klings Sprachkombinatorik, die antike Stoffe und Sprachpartikel aus der Gegenwart miteinander in Reibung bringt und dabei "große Reibungshitze" erzeugt.


Quelle: http://www.perlentaucher.de/buch/20362.html

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Kenon
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8. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 19.04.2005 um 12:39 Uhr

Zitat:

Es lässt mich nicht los, dass ich mich so voreilig und unbedacht zu Thomas Klings Lyrik geäußert habe. Deshalb hier ein Gegengewicht in Form von zwei wohlwollenden Rezensionen, auf die ich eben gestoßen bin:

Ach so, und ich hatte gedacht, dass Du vielleicht auf Werke von ihm gestoßen wärest, welche Dir zugesagt oder Dich gar beeindruckt hätten.

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Jasmin
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Das ist Jasmin

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9. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 19.04.2005 um 20:12 Uhr

Nein, das nicht. Aber durch diese Rezensionen habe ich eine etwas mildere Einstellung zu Klings Lyrik bekommen. Ich habe erfahren, was man darin sehen kann. Und ich habe verstanden, warum seine Dichtkunst mich nicht anspricht, wobei ich mich nur auf die Lektüre der fünf Gedichte auf digitab.de stütze. Vor allem dieses „verweigert jede Art der Anteilnahme, jede Form der Intimität, seine Texte "funkeln kalt in technischer Bläue", wie Winkel es formuliert, scheint ein Kriterium für meine Antipathie zu sein. Nur dass Winkel das besser artikulieren konnte.

Außerdem frage ich mich, ob das Thema Krankheit und Krankenhaus in der Lyrik seinen Platz hat. Vielleicht ja, wenn man den Grundsatz berücksichtigt, dass man über das schreiben sollte, was man kennt…[?]

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