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Wie Jimmy Bob seinen Namen fallen ließ
Autor: Boris Boekhoff · Rubrik:
Erzählungen

(based on true events, names are subjects to change)






Jimmy Bob musste ja wieder eines seiner verdammten Posaunensolos aufführen.

Jimmy Bob war natürlich nicht sein richtiger Name. Der war Hansen. Mehr verriet er nie. Vier beschissene Jahre kenne ich ihn jetzt schon; nie wollte er mir seinen Namen verraten. Hansen klang kacke. Schon ganz schön kacke. Sein Name, sein richtiger Name musste grauenhaft sein. Jenseits aller erträglichen Namen. Er war kein unattraktiver Typ. Aber sein Name musste so verstörend sein, so dumm klingen, dass er offensichtlich Angst davor hatte den Frauen seinen richtigen Namen zu sagen. Aus Angst davor, sie könnten vielleicht in den unpassensten Situationen in Gelächter ausbrechen.

Hansen. Hansen. Hansen. Vorname? Nachname? Wenn man selbst DAS nicht weiß, beginnt man bald diesen Menschen misstrauisch zu beäugen. Sein Name. Wie war er nur? Wir versuchten alles, um ihn zu erfahren. Ihn besoffen machen. Seine Eltern befragen. Hypnose. Nichts. Er war eisern. Blechern. wie seine verdammte Posaune.

Um von seinem mysteriösen Namen abzulenken, begann er irgendwann so ziemlich das nervigste Instrument zu lernen, dass ich mir vorstellen konnte. Posaune. Blech, in das man hineinbläst, den Weg der hineingeblasenen Luft über einen beweglichen Stutzen verkürzt oder verlängert, um so verschiedene töne zu erzeugen, und die wie als Volksmusik verkaufte Fürze vom Bayern klangen.

Ich bin der felsenfesten Überzeugung: Das tat er nur, um uns von der Suche nach seinem richtigen Namen abzulenken. Und um dieses Ablenkungsmanöver zu perfektionieren, fing er plötzlich an sich Jimmy Bob zu nennen. Warum?, fragten wir, Waltons!, sagte er nur. Ich hätte ihm in Fresse hauen können. Waltons. Waltons. Assi.
Scheiß Waltons!
Scheiß Hansen!
Scheiß drauf. egal. Kack auf seinen Namen, dachte ich. Vielleicht würde er dann zu mindestens mit der verdammten Posaune aufhören, wenn ich nicht mehr nach seinem Namen bohren würde. Das "aktive" Über wäre damit jedenfalls ausgeschaltet.

Aber es war bereits zu spät. Ich hatte zu lange gezögert, zu lange nachgehakt. und für meine aufdringliche Neugier wurde ich jetzt mit Jimmy Bobs neu entflammter Euphorie für das "kunstvolle Objekt Posaune" (Oder "KOP", wie er später immer nur kurz sagte! um Zeit zu sparen, wie er sagte!) bestraft. Jetzt war er nicht mehr zu bremsen. Jedes Scheiß Wochenendestellte er sich vor uns hin, um uns seine "KOP-Fortschritte" zu präsentieren, und jedes Mal klang es gleich. Gepresste, komprimierte Fürze. Bekackt. Einfach bekackt. Seine "Fortschritte" bestanden eigentlich da drin, seine Auftritte nach und nach in eine peinliche Show zu verwandeln.

Er sagte, er wolle das Posaune spielen „metropolisieren“. Er benutzte wirklich diese Worte. Ich dagegen hätte wirklich meine Fäuste benutzen sollen. Was er mit diesen aus den Fingern gezogenen Worten sagen wollte war, dass er es modernisieren, vielleicht auch revolutionieren wollte. Tatsächlich begann er lediglich sich auffallend scheiße anzuziehen und mit Lichtern herumzuwirbeln. Eigentlich montierte er nur ein Spielzeuglaserschwert, dass schwach rot leuchtete, und Star Wars Sounds abspielte, an seiner Posaune und schaltete bei seinen Vorführungen das Licht aus. Dann gab’s ein epileptisches rotes Zucken im Raum, die üblichen, knarrenden Fürze, vermengt mit Obi-Wan-Kenobi, der rief: „May the force be with you!“

Seine neuste Idee: Eine Diskokugel. Die hang er sich direkt über seinen Kopf auf. Seine Idee dabei war folgende: er wollte einhändig auf der Posaune spielen (was bei genauerer Betrachtung unmöglich ist!) und mit der anderen Hand das Lichtschwert um die Diskokugel schwingen, um so das Licht des Schwertes reflektieren zu lassen und so extravagante Lichteffekte zu erzeugen.

Das ganze war natürlich ein desaströser Reinfall. Die sonst zumindest variierenden blechernen Fürze verkamen zu einem monotonen Gekrächze, da er keine Hand mehr frei hatte um den Stutzen zu führen und die doch recht schwere Posaune kaum mit einer Hand ausbalancieren konnte. Das Licht des Lichtschwerts war viel zu schwach, um irgendeine Reflektion hervorzurufen; er hatte vergessen neue Batterien einzulegen und dementsprechend schief klangen jetzt auch Obi-Wans sonst so flotten Sprüche.

Es machte ihn nervös. Sein Versagen machte ihn nervös. Und wenn Jimmy Bob Hansen nervös wird, versucht er seine Nervosität hastig zu überspielen. Er blies stärker und fuchtelte schneller, in der Hoffnung irgendetwas damit in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Aber das einziger, was er damit erreichte war ein kräftiger Schlag gegen die Diskokugel. Das Schwert quakte blöd, das Licht erlosch, ich hörte es knacken und dann gab es ein lautes Klirren, wie das Bersten einer Glasscheibe. Dann war es still. Und dunkel. Aber nur für einen Moment. Als ich meine Fassung in der Dunkelheit wiedererlangt hatte, sprang ich auf, hechtete zum Lichtschalter und wirbelte herum, um zu sehen, was passiert war.

Da lag er. Die Kugel auf dem Kopf zerdeppert. Regungslos.
Anstatt aber in den eigentlich zu erwartenden Schockzustand zufallen, übersprang ich diese erste Phase nach einem Unfall ganz unwillkürlich, denn ich sah plötzlich meine Chance!: Ich nahm die Posaune, schleuderte sie aus dem Fenster, sah zu, wie sie auf dem Asphalt zerbrach, wand mich wieder dem Am-Boden-liegenden zu und fing an seine Taschen nach seine Geldbörse abzusuchen. Ich war nicht auf Geld aus, sondern, was mir in diesem Moment viel wertvoller erschien war sein Personalausweis. Ich fand ihn tatsächlich schnell, mein Herz schlug mir bis zum Hals, meine Hände zitterten vor Erregung. Ich öffnete die Augen und blickte auf Jimmy Bob Hansens richtigen Namen:

Holga Hindrich Hansen

Traurig sah ich in Holga Hansens starres Gesicht aus dessen Schläfe das Blut in die ritzen der Dielen rann.





Antwerpen, 15.08.2007
© Boris Boekhoff


Einstell-Datum: 2007-08-24

Hinweis: Dieser Artikel spiegelt die Meinung seines Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung der Betreiber von versalia.de übereinstimmen.

Bewertung: 1 (1 Stimme)

 

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