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Waldmanns Zeilen
Autor: Itzikuo_Peng · Rubrik:
Reiseberichte

Im Wald sollte man nicht den gelben Kunststoffbumerang werfen. Im Wald sind nicht die Räuber, zumindest nicht nach meiner Erfahrung. Im Wald ist die den Körper schädigende Funkwellendosis geringer als im Hochhaus mit hundert Parteien. Im Wald kann man gut munkeln, wenn es dunkelt (im Hellen übrigens auch). Im Wald kann man sich einen Ozonschock holen, wenn man lange nicht mehr an der frischen Luft war; dann kann es einem schon mal schwindlig werden. Im Wald sieht man vor lauter Bäumen nicht das Holz. Im Wald kann man, rückführend in den Kreislauf, die verstorbene, geliebte Goldhamsterin beerdigen, da stört es niemanden; und wer weiß, wer hier noch so alles, möglicherweise lange vermisst, unter der Erde liegt: das ist spannend. Im Wald kopulieren heimliche Verhältnisse in verlassenen Hütten: und wenn die Försterin kommt? Dann laufen wir davon! Im Wald kann man Fliegenpilze essen und sterben: das sollte man lieber nicht tun; besser die Essbaren sammeln und mit Zwiebeln und Estragon heimisch brutzeln: erfolgreich gejagt, lässt sich der Resttag somit im Siegestaumel ertragen. Im Wald sage ich zum Wald: «Du, Wald. Wärst du eine Person, würde ich dich heiraten. Bis der Tod uns scheidet.» Im Wald kann es nach nassem Fuchs riechen. Im Wald gibt es keine Öffnungszeiten und auch keine Sperrstunde: Hand in Hand, Geliebtes, rutschen wir schlittenlos die verschneiten Hänge hinab und ruinieren uns die Kleider. Im Wald wurde noch nie eine Ehe geschieden. Im Wald werden verlässliche Beziehungen am besten begründet; das muss nicht begründet werden. Im Wald liegen Bomben aus Kriegen verschüttet; schreite also mit Bedacht und bevorzuge friedvolle Gedanken. Im Wald geht es nicht meritokratisch zu; vor seinem Wuchs sind wir alle nackt (und jetzt halt endlich die Klappe, ich will in Ruhe atmen!). Im Wald bitte einst meine Asche verstreuen, dann bin ich wieder bei meiner Goldhamsterin; ist hier ein Notar anwesend? Bitte Stempel unter das. Im Wald atme ich mir das energetische Reservoir an, aus dem ich schöpfe, wenn ich wieder in den Wänden gefangen bin. Im Wald habe ich noch nie den Eintritt bereut; es ging immer gut aus. Im Wald habe ich noch nie gedacht: ich glaub, ich steh im Wald; dies wird eher gedacht, wenn man im Alltag von Artgenossi mit Erwartungshaltungsansprüchen malträtiert wird. Im Wald fühle ich mich federleicht, brauchbares Schuhwerk vorausgesetzt. Im Wald wird mein Denken bedenkenlos klar wie Kloßbrühe: wie man offene Fragen pulverisiert. Im Wald hat mich noch nie ein umstürzender Baum erschlagen; in der Zivilisation war´s hin und wieder knapp davor. Im Wald wildern wilde Schweine, ein bisschen aufpassen muss man schon. Im Wald habe ich als Kind Schätze vergraben und sicher vergessen; ich sollte sie wieder suchen gehen. Im Wald habe ich nicht diesen Text geschrieben; den schrieb ich erst zuhause, nachdem ich im Wald für eine zeitlose Weile ins Moos gebettet döste. Im Wald wird die Zukunft verwaltet, und wer das nicht sieht, dem soll zur Strafe der Nasse-Fuchs-Gestank auf ewig anhaften. Im Wald hackt der Buntspecht Löcher in Bäume; sei gewiss, er meint das nicht persönlich. Im Wald dürsten Viecher nach deinem Blut; was zur Zecke soll das? Du musst wissen: es gibt kein Gut ohne Böse, kein Plus ohne Minus; doch das gute Plus dominiert, zumindest im Wald. Im Wald badet Bambi im Ententeich, und die Küken applaudieren. Im Wald wird nicht spekuliert: es wird gewachsen. Im Wald liebkoste Lippen: nie gereut. Im Wald erledigt sich vieles von selbst, frag den Puffpilz: Puff! Im Wald vielleicht Einsamen professionelle Begleitung anbieten? («Oh nein, Mann, mach´s nicht kaputt jetzt.» – «Schon gut.») Im Wald steckt Schrot in Rinden, und zwar nicht nur in Linden. «Bin mal kurz im Wald» als Vorwand, die unpassenden Umstände zu verlassen und nie mehr zurückzukehren. Im Wald herrscht eine fleißige Ameisenordnung, weil es keine Zwerge gibt? Im Wald gibt es aber doch Zwerge!, die aushelfen, wenn die Ameisen, wie sie es selbst auf Anfrage formulierten, «grad keinen Bock haben» aufzuräumen.

Im Wald ruht sich das Universum aus. Hörst du es auch?

aus dem Buch Willkommen in der Tauwassergosse - bestellbar im Buchhandel


Einstell-Datum: 2024-10-06

Hinweis: Dieser Artikel spiegelt die Meinung seines Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung der Betreiber von versalia.de übereinstimmen.

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