WAVES-Festival Wien
Manchmal hat man das Gefühl, Teil von etwas ganz Besonderem zu sein. Manchmal bleibt ganz einfach die Zeit stehen und es stockt einem der Atem. Manchmal glaubt man, dass die Welt sich um einen selbst dreht und alles andere still hält. Beim Eröffnungskonzert des Wiener WAVES-Festival, das in den klassizistischen „Stadtsaal“ (www.stadtsaal.at ) auf der Mariahilferstraße geladen hatte, gelang es Anja Plaschg, dem mastermind von Soap&Skin, so manchem Zuhörer Gänsehaut und leise Schauer über die Schulterblätter aufsteigen zu lassen, und das bei Außentemperaturen von 30 Grad, dieses ungewöhnlichen Altweibersommers am letzten Wochenende des Septembers.
Soap&Skin, die an diesem Abend aus Flügel, Trompete, Kontrabass, Cello und zwei Violinen bestanden, tauchten die wunderschöne Stukaturdecke und –wände des Stadtsaales, einer einzigartigen Location inmitten der Wiener Shopping- und Sündenmeile, in tiefstes Schwarz, schwärzer als die Nacht, und man wähnte sich fast schon in den Achtzigern, wären da nicht die an und ab und zu auftauchenden eingespielten elektronischen Soundsamples gewesen, die einen daran gemahnten, doch schon im 21. Jahrhundert angekommen zu sein. Die 21-jährige Sängerin Anja Plaschg hatte das Jahrzehnt der atomaren Konfrontation zwar nicht miterlebt, mit ihren Klagegesängen (marche funèbre, cry wolf, thanatos,…) aber sehr wohl heraufbeschworen und ohne den Teufel an die Wand zu malen, zumindest ein dämonisches Abbild von ihm geschaffen. So singt sie etwa in „Thanatos“: „Ages of delirium, curse of my oblivin/I swell without a scar/To the end of time/A shell without a star/At the end of time//Watch the bend of my wandering/Of hunting with the lightning gun/Tremor on my heaven son/Tares above my kingdom come/Torn open tomb/I fell in your/Cold fission bomb/I fell in your war/Ages of delirium/Curse of my oblivion//Tremor of my heaven son/Tares above my kingdom come.”
Authentische Inszenierung?
Die „Inszenierung“ war so authentisch, dass sich selbst hartgesottene Zuhörer und Zuhörerinnen fragen mussten, ob das beides denn möglich sei. Denn entweder: inszeniert. Oder: authentisch. Anja Plaschg wandte sich während ihrer Performance immer wieder vom Publikum ab, sobald sie nämlich ihren Part gespielt hatte, sackte sie in ihre eigentliche Persönlichkeit, eine wohl eher scheue, schüchterne Person zurück, um dann umso intensiver wieder in ihren Songs präsent zu sein. Dieses Spiel führte so weit, dass sie sich an einer Stelle des Konzertes sogar an ihrer Backgroundsängerin anlehnte, verzweifelt und wirklich leidend, denn sie schüttete tatsächlich ihren Weltschmerz über dem Publikum aus. Erst bei den Zugaben zeigte sie sich erleichtert und stellte sich frontal auf die Bühne, um pale blue eyes von Lou Reed zu intonieren und ganz allein, hinter dem Mikrofonständer reckte sie ihre Arme schließlich sogar in die Höhe, um den Schlusstakt abzuwinken. Anja Plaschg zeigte nicht nur durch ihren außergewöhnlichen Gesang und ihre überdurchschnittlich schöne und kräftige Stimme eine Bühnenpräsenz, die mit jeder Faser für den Zuseher fühlbar wurde, sondern wirkte auch durch ihre zuverlässig schüchterne Art mehr als überzeugend. So gut, dass man glauben könnte, es sei alles inszeniert, dabei ist es wirklich echt. So wie die Achtziger. Schließlich brachte erst das 21. Jahrhundert die Zweifel an der Authentizität des Künstlers auf. Anja Plaschg ist da eine wohltuende Ausnahmeerscheinung, ein „Wunderkind“ von der man sicherlich noch sehr viel hören wird.
Linger on, linger on,…
Das gespielte Set orientierte sich natürlich an ihrer 2009 erschienen CD mit insgesamt 13 Titeln, die von zwei MaxiCDs ergänzt werden. Außerdem sang sie meines Wissens erstmals einen Song auf Deutsch, der im Januar 2012 auf einer zu erwartenden six-tracks-EP erscheinen soll. Neben „pale blue eyes“ spielten Soap&Skin auch den Klassiker „voyage, voyage“, aber in einer verlangsamten, weniger popigeren und mehr düsteren Version, indem das Stimmwunder Plaschg zeigte, dass sie durchaus auch Pop-tauglich wäre, wenn sie es nur wollte. Aber zum Glück will sie das nicht, denn sie hat ja ihren ganz eigenen unverwechselbaren Stil. Denn selbst „pale blue eyes klingt aus ihrem Mund ganz anders: „Sometimes I feel so happy,/Sometimes I feel so sad./Sometimes I feel so happy,/But mostly you just make me mad./Baby, you just make me mad./Linger on, your pale blue eyes./Linger on, your pale blue eyes.“
Das Wiener WAVES-Festival
Böse Zungen behaupten ja, Wien sei erst durch die Zuwanderung deutscher StudentInnen zur Clubhauptstadt avanciert, aber selbst an diesem Status gibt es einige Zweifel. Wer allerdings dieser Tage in der Stadt am Donaukanal weilt, wird eine ganz besondere, quasi Gründerzeit angehauchte Atmosphäre verspüren. Denn nicht nur das WAVES-Festival findet erstmals in ausgewählten Wiener Locations statt und wirbelt dorten allerhand Wellen auf, sondern auch die Stadt selbst erblüht nicht zuletzt durch den verlängerten Altweibersommer durch eine Vielzahl von Initiativen. Neben den neuen und angesagten Clubs wie Pratersauna, Fluc, das altbekannte Flex, mischen nun auch das Badeschiff und ganz überraschend auch das Cafè Dogenhof beim Wettbewerb um die beste Club-Location mit. Abgesehen von den vielen neugestalteten Museen punktet die Stadt diesen Herbst aber auch noch mit dem Viennale-Filmfestival und der Vienna Design Week. Wien als Begegnungsplatz zwischen Ost und West, das war aber auch für die Veranstalter des WAVES-Festivals ein wichtiger Antrieb und mit insgesamt mehr als 80 Bands ist es ihnen sicherlich auch geglückt, diesen Anspruch zu realisieren. Für ein genaueres Band-listing bitte ich die Seite des Festivals zu konsultieren. Hinzugefügt sei noch, dass das Showcase- und Clubfestival zudem auch noch einen Konferenzteil organisiert hat, der „eine ausführliche theoretische Auseinandersetzung mit der sich ständig verändernden Welt der Popmusik – mit erhöhtem Augenmerk auf gesamteuropäische Zusammenarbeit (»East Meets West«)“ bietet. Als Ort der geistigen Auseinandersetzung konnte die Urania gewonnen werden, die ebenfalls am Donaukanal liegt, der auch am Richtung Prater führt, wo sich auch viele andere Locations des Festivals befinden. Wer will kann also auch hinschwimmen, so denn die Wellen günstig sind.
www.piasrecordings.com
Manchmal hat man das Gefühl, Teil von etwas ganz Besonderem zu sein. Manchmal bleibt ganz einfach die Zeit stehen und es stockt einem der Atem. Manchmal glaubt man, dass die Welt sich um einen selbst dreht und alles andere still hält. Beim Eröffnungskonzert des Wiener WAVES-Festival, das in den klassizistischen „Stadtsaal“ (www.stadtsaal.at ) auf der Mariahilferstraße geladen hatte, gelang es Anja Plaschg, dem mastermind von Soap&Skin, so manchem Zuhörer Gänsehaut und leise Schauer über die Schulterblätter aufsteigen zu lassen, und das bei Außentemperaturen von 30 Grad, dieses ungewöhnlichen Altweibersommers am letzten Wochenende des Septembers.
Soap&Skin, die an diesem Abend aus Flügel, Trompete, Kontrabass, Cello und zwei Violinen bestanden, tauchten die wunderschöne Stukaturdecke und –wände des Stadtsaales, einer einzigartigen Location inmitten der Wiener Shopping- und Sündenmeile, in tiefstes Schwarz, schwärzer als die Nacht, und man wähnte sich fast schon in den Achtzigern, wären da nicht die an und ab und zu auftauchenden eingespielten elektronischen Soundsamples gewesen, die einen daran gemahnten, doch schon im 21. Jahrhundert angekommen zu sein. Die 21-jährige Sängerin Anja Plaschg hatte das Jahrzehnt der atomaren Konfrontation zwar nicht miterlebt, mit ihren Klagegesängen (marche funèbre, cry wolf, thanatos,…) aber sehr wohl heraufbeschworen und ohne den Teufel an die Wand zu malen, zumindest ein dämonisches Abbild von ihm geschaffen. So singt sie etwa in „Thanatos“: „Ages of delirium, curse of my oblivin/I swell without a scar/To the end of time/A shell without a star/At the end of time//Watch the bend of my wandering/Of hunting with the lightning gun/Tremor on my heaven son/Tares above my kingdom come/Torn open tomb/I fell in your/Cold fission bomb/I fell in your war/Ages of delirium/Curse of my oblivion//Tremor of my heaven son/Tares above my kingdom come.”
Authentische Inszenierung?
Die „Inszenierung“ war so authentisch, dass sich selbst hartgesottene Zuhörer und Zuhörerinnen fragen mussten, ob das beides denn möglich sei. Denn entweder: inszeniert. Oder: authentisch. Anja Plaschg wandte sich während ihrer Performance immer wieder vom Publikum ab, sobald sie nämlich ihren Part gespielt hatte, sackte sie in ihre eigentliche Persönlichkeit, eine wohl eher scheue, schüchterne Person zurück, um dann umso intensiver wieder in ihren Songs präsent zu sein. Dieses Spiel führte so weit, dass sie sich an einer Stelle des Konzertes sogar an ihrer Backgroundsängerin anlehnte, verzweifelt und wirklich leidend, denn sie schüttete tatsächlich ihren Weltschmerz über dem Publikum aus. Erst bei den Zugaben zeigte sie sich erleichtert und stellte sich frontal auf die Bühne, um pale blue eyes von Lou Reed zu intonieren und ganz allein, hinter dem Mikrofonständer reckte sie ihre Arme schließlich sogar in die Höhe, um den Schlusstakt abzuwinken. Anja Plaschg zeigte nicht nur durch ihren außergewöhnlichen Gesang und ihre überdurchschnittlich schöne und kräftige Stimme eine Bühnenpräsenz, die mit jeder Faser für den Zuseher fühlbar wurde, sondern wirkte auch durch ihre zuverlässig schüchterne Art mehr als überzeugend. So gut, dass man glauben könnte, es sei alles inszeniert, dabei ist es wirklich echt. So wie die Achtziger. Schließlich brachte erst das 21. Jahrhundert die Zweifel an der Authentizität des Künstlers auf. Anja Plaschg ist da eine wohltuende Ausnahmeerscheinung, ein „Wunderkind“ von der man sicherlich noch sehr viel hören wird.
Linger on, linger on,…
Das gespielte Set orientierte sich natürlich an ihrer 2009 erschienen CD mit insgesamt 13 Titeln, die von zwei MaxiCDs ergänzt werden. Außerdem sang sie meines Wissens erstmals einen Song auf Deutsch, der im Januar 2012 auf einer zu erwartenden six-tracks-EP erscheinen soll. Neben „pale blue eyes“ spielten Soap&Skin auch den Klassiker „voyage, voyage“, aber in einer verlangsamten, weniger popigeren und mehr düsteren Version, indem das Stimmwunder Plaschg zeigte, dass sie durchaus auch Pop-tauglich wäre, wenn sie es nur wollte. Aber zum Glück will sie das nicht, denn sie hat ja ihren ganz eigenen unverwechselbaren Stil. Denn selbst „pale blue eyes klingt aus ihrem Mund ganz anders: „Sometimes I feel so happy,/Sometimes I feel so sad./Sometimes I feel so happy,/But mostly you just make me mad./Baby, you just make me mad./Linger on, your pale blue eyes./Linger on, your pale blue eyes.“
Das Wiener WAVES-Festival
Böse Zungen behaupten ja, Wien sei erst durch die Zuwanderung deutscher StudentInnen zur Clubhauptstadt avanciert, aber selbst an diesem Status gibt es einige Zweifel. Wer allerdings dieser Tage in der Stadt am Donaukanal weilt, wird eine ganz besondere, quasi Gründerzeit angehauchte Atmosphäre verspüren. Denn nicht nur das WAVES-Festival findet erstmals in ausgewählten Wiener Locations statt und wirbelt dorten allerhand Wellen auf, sondern auch die Stadt selbst erblüht nicht zuletzt durch den verlängerten Altweibersommer durch eine Vielzahl von Initiativen. Neben den neuen und angesagten Clubs wie Pratersauna, Fluc, das altbekannte Flex, mischen nun auch das Badeschiff und ganz überraschend auch das Cafè Dogenhof beim Wettbewerb um die beste Club-Location mit. Abgesehen von den vielen neugestalteten Museen punktet die Stadt diesen Herbst aber auch noch mit dem Viennale-Filmfestival und der Vienna Design Week. Wien als Begegnungsplatz zwischen Ost und West, das war aber auch für die Veranstalter des WAVES-Festivals ein wichtiger Antrieb und mit insgesamt mehr als 80 Bands ist es ihnen sicherlich auch geglückt, diesen Anspruch zu realisieren. Für ein genaueres Band-listing bitte ich die Seite des Festivals zu konsultieren. Hinzugefügt sei noch, dass das Showcase- und Clubfestival zudem auch noch einen Konferenzteil organisiert hat, der „eine ausführliche theoretische Auseinandersetzung mit der sich ständig verändernden Welt der Popmusik – mit erhöhtem Augenmerk auf gesamteuropäische Zusammenarbeit (»East Meets West«)“ bietet. Als Ort der geistigen Auseinandersetzung konnte die Urania gewonnen werden, die ebenfalls am Donaukanal liegt, der auch am Richtung Prater führt, wo sich auch viele andere Locations des Festivals befinden. Wer will kann also auch hinschwimmen, so denn die Wellen günstig sind.
www.piasrecordings.com