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Oper und Liebe im Zeitalter des Quickies
Autor: Jürgen Weber · Rubrik:
Kolumne

Die Opernsaison des Frühjahres 2010 an Theatern in Wien und Italien

„Alles was glüht, ist zum Verglühen verurteilt.“
(Tristan & Isolde, Richard Wagner)


Nieder mit dem Popsong. Auf in die Oper!
Warum heute, im Zeitalter des Drei-Minuten-Popsongs in dem anscheinend alles gesagt werden könne und der damit verbundenen Austauschbarkeit und Permissivität, überhaupt noch von der amour courtois, der Minne, sprechen, wie sie etwa von der Oper immer noch verkörpert und von der Hochkultur gepflegt wird? Sexualität finde heute zumeist in einer dunklen Büroecke als Drei-Minuten-Quickie statt und entbehre jeglicher Romantik, werde reduziert auf einen physiologischen Akt wie Essen und Trinken. Dennoch sei die gute alte höfische Liebe, die Minne, immer noch der bestimmende Faktor für die Beziehung der Geschlechter zueinander und definiere - wie der slowenische Philosoph Slavoj Zizek in seinen „Metastasen des Genießens“ schreibt - auch immer noch die Parameter des gesellschaftlichen Verhaltens im 21. Jahrhundert. Die „frouwe“ werde in der Minne als eine Art geistige Führerin in die höhere Sphäre religiöser Ekstase gehoben, sinnliche Begierde werde vergeistigt und die Frau zu einem „abstrakten Ideal“ erhöht. Für einen Quickie eigne sich die unverbindliche Beziehung zur Arbeitskollegin ohnehin besser, als die zur Minne. Ein Mann stehe eben immer zwischen einer Hure und einer Heiligen, zwischen seiner Geliebten und seiner Mutter/Frau.
Anders in der Oper. Hier wird noch geliebt und nicht wie im Popsong ganz einfach im Drei-Minuten-Takt herumgehurt. Kann man denn überhaupt alle drei Minuten einen Orgasmus haben und auch zum Orgasmus kommen? Ist das nicht inflationär und vor allen Dingen eigentlich auch viel zu anstrengend? Hat der Popsong als Mittel des Genusses nicht längst ausgedient? Der Nachteil der Oper: man braucht Zeit für sie. Der Vorteil der Oper: wenn man sich Zeit für sie nimmt, geht es mehr als nur um eine schnöde Ejakulation, wie im Popsong, sondern um ein Wechselbad der Gefühle, dessen Spektrum in seiner Vielfältigkeit an Tantrayoga erinnert. Denn nur wer sich Zeit nimmt für etwas, wird auch entsprechend belohnt. Nieder also mit dem Popsong, das Zeitalter des Ready-made-Orgasmus ist vorbei. Man will wieder etwas erleben. Man will wieder etwas fühlen. Also auf in die Oper!

Vom rechten Weg zur Liebe
Die unmögliche Liebe zwischen einer Prostituierten und einem aus dem Landadel stammenden Edelmann ist das Thema einer der wohl berühmtesten Opern. „La Traviata“ (deutsch: die vom rechten Weg Abgekommene) von Giuseppe Verdi ist nicht nur durch die Hymne auf die Vergänglichkeit der Liebe und gleichzeitig die Schönheit des Moments („…e´il gaudio dell’amore,/e´un fior che nasce e muore,/ne più si può goder./Godiam c´invita un fervido/accento lusighier./Godiam, la tazza e il cantico/la notte abbella e il riso;/in questo paradise/ne sopra il nuovo dì.…“) eine der meistgespielten und bekanntesten Opern, sondern auch wegen des tragischen Liebestodes der Violetta, die aus Liebe auf ihren Geliebten verzichtet, weil sie ihm nicht schaden will und sein gesellschaftliches Ansehen nicht zerstören will, und am Ende doch in seinen Armen sterben wird. Auch hier geht die Liebe über den Tod hinaus und überdauert ihn. „Liebe und Tod“, so der ursprüngliche Originaltitel von der Opernversion der Kameliendame (die Vorlage stammt von Alexandre Dumas` Roman), gilt neben der „Boheme“ von Giacomo Puccini gemeinhin als die Oper schlechthin und erfuhr ihre Premiere am weltberühmten Teatro La Fenice in Venedig im Jahre 1853. Dabei war das Haustheater Verdis doch eigentlich die Scala von Mailand, wo etwa 1842 sein „Nabucco“ uraufgeführt wurde. Das „Teatro all Scala“ wurde in der Zeit Maria Theresias gebaut, wohl auch um die damals politisch erhitzten Gemüter etwas zu beruhigen. In nur 23 Monaten Bauzeit entstand das „Nuovo Regio Ducale Teatro di Milano“ nachdem das eigentliche Theater Mailands, das Teatro del Corte, im Karneval abgebrannt war. Das vom Gouverneur Firmian als „opportun“ empfohlene und eigentlich als „Übergangstheater“ errichtete neue Teatro Ducale wurde im August 1778 eingeweiht und es fanden über 2000 Personen darin Platz. Die bald darauf als „Scala“ bezeichnete Oper sollte nach einer schwierigen Anfangszeit (Napoleonische Kriege) zum wohl berühmtesten Ort für Opernaufführungen avancieren. Zum Repertoire gehörten neben Mozart bald auch Rossini, Donizetti und Vicenzo Bellini, ganz abgesehen natürlich von der Ära Verdi. Den Subventionen durch die Österreicher zum Trotz wird die Scala im 19. Jahrhundert aber auch zum Hauptquartier des „Risorgimento“, der italienischen Unabhängigkeitsbewegung. Hier entstand auch der Ruf „VERDI!“ (Vittorio Emmanuele, Re d`Italia) und bei der Aufführung der Norma, 1860, als der Chor „Guerra, guerra“ angestimmt wird, stimmen die Italiener aus dem Auditorium in den Chor ein: „Krieg, Krieg!“ Die Scala wird bald darauf endlich ganz italienisch und feiert seither pausenlos Triumphe, auch wenn sie im 20. Jahrhundert durch den Krieg schwer beschädigt wurde, kann man sich ein Mailand ohne die Scala gar nicht mehr vorstellen. 1955 war es übrigens die Callas, die in dem wieder aufgebauten Teatro alla Scala in Luchino Viscontis Version der „Traviata“ die Violetta interpretierte. Das wohl berühmteste Opernhaus der Welt, die Scala von Mailand hat in diesem Frühjahr ein Werke von Leoš Janáček (Da una casa di morti) und Richard Wagner (Tannhäuser) auf dem Spielplan. Ab April dann auch Alban Bergs Lulu, sowie das vor kurzem an der Wiener Staatsoper gespielte Simon Boccanegra von Giuseppe Verdi. Im Mai wird das Programm mit Richard Wagners Das Rheingold (Der Ring des Nibelungen) fortgesetzt.

Alle Lust will Ewigkeit
„Wie du mich hasst…So wünsche ich Dich mir!“, schreit Baron Scarpia die verzweifelte Floria Tosca in der gleichnamigen Oper von Giacomo Puccini an. Aus Liebe zu Mario Cavaradossi gibt sie sich dem Baron und Chef der Polizei hin, um das Leben des Geliebten zu retten, doch Scarpia tötet jenen dennoch. „Das Objekt der Begierde ist das Verlangen des Anderen“, weiß Slavoj Zizek in seinem Werk „Der zweite Tod der Oper“ und beim Gedanken an die fulminante Aufführung der Tosca bei den Bregenzer Festspielen im Sommer 2008, mag noch so mancher kalte Schauer über den eignen Rücken fahren, denn die Liebe bedeute – laut Zizek – in letzter Konsequenz tatsächlich auch eine Todessehnsucht: „Die Sehnsucht nach dem Geliebten ist die Todessehnsucht.“, schreibt Zizek und damit befinden wir uns bereits im dritten Akt, wenn sich Tosca von der Engelsburg in den Tod stürzt. Alle Lust will Ewigkeit, auch wenn es diese dann nur im Tod gibt, wie der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche freimütig hinzufügen würde.

„Aida“ von Giuseppe Verdi, das dieses Jahr vom 22. Juli bis zum 22. August auf dem Programm der Bregenzer Festspiele steht, ist die Tochter des äthiopischen Königs Amonasro und lebt als Sklavin am ägyptischen Hof. Sie hat sich unsterblich in Radames, einen ägyptischen Feldherrn verliebt und stellt sich damit gegen ihren eigenen Vater und ihr Volk, doch auch Radames stellt sich bald im Namen der Liebe gegen das seine, wenn er die ägyptischen Angriffspläne an Äthiopien verrät. Erst im gemeinsamen Tod finden die beiden Liebenden schließlich ihr Glück. Ein klassischer Liebestod a là Zizek also? Die in der Oper abzubildende Atmosphäre des Nilufers, wird sich am Vorarlberger Bodensee wohl besonders authentisch inszenieren lassen, gespannt darf man aber auch auf die musikalische Ausführung sein, denn die von Verdi verwendeten Blasinstrumente gingen als „Aida-Trompeten“ in den allgemeinen Sprachgebrauch und in die Operngeschichte ein: 1,52 Meter lang, geradlinig und ohne Ventile, italienische Alphörner? Im Gegensatz dazu stehen die lyrischen, weichen und sehr leisen Gesangsparts der Liebesromanze zwischen Radames und Aida, „con espressione“, „dolce“, „sempre dolcissimo“ lauten hier die Regieanweisungen Verdis. Die Romanze ist übrigens ein Schreckgespenst für die Sänger, die Tenöre, eine äußerst heikle Aufgabe, sei sie doch in ihrer feinen Differenziertheit fast unvorbereitet am Anfang der Oper zu singen, schreibt Andras Batta in seinem Opernklassiker.

Auch bei den Wiener Festwochen wird dieses Frühjahr nicht auf die Oper verzichtet. „Warum geht der Mensch heute in die Oper? Ist die Oper nicht eine verstaubte Unterhaltung aus vergangenen Jahrhunderten? Was kann die Oper, was andere Künste nicht können?“ In den Workshops „Moderne Oper“, die von den diesjährigen Wiener Festwochen veranstaltet werden, kann man sich bereits ab 10. Mai über Antworten auf diese brennenden Fragen freuen. Der Treffpunkt ist jeweils um 10 Uhr beim Theater an der Wien. Auf dem Musikprogramm der Wiener Festwochen stehen dieses Jahr neben Wozzeck (Inszenierung nach Alban Berg und Georg Büchner von Stephane Braunschweig) und Lulu (Inszenierung nach Alban Berg und Frank Wedekind von Peter Stein) im Theater an der Wien auch Alban Berg mit Konzerten und Liederabenden im Wiener Konzerthaus. Der Schwerpunkt der Wiener Festwochen liegt aber natürlich auch dieses Jahr wieder auf dem Schauspielprogramm, das unter http://www.festwochen.at einzusehen ist.

Die Grenzen der Liebe
Radikale Worte findet der Opernliebhaber Zizek aber nicht nur für die höfische Liebe, die Minne, sondern auch für die zeitgenössische Liebe. Sie sei ein „Akt radikaler Überschreitung, der alle gesellschaftlich-symbolischen Verbindungen suspendiert und als solcher in der ekstatischen Selbstauslöschung des Todes kulminieren muss“. Liebe und Heirat seien demzufolge völlig inkompatibel: in der Welt der gesellschaftlich-symbolischen Verpflichtungen könne wahre Liebe sich nur in Gestalt des Ehebruchs ereignen. Wird deswegen in Opern so viel gestorben, wie etwa in der „Aida“ oder der „Tosca“?

Unsere sehr erschöpfende Auslieferung an die Geschlechtsliebe bringe die erlösende Selbstauslöschung zustande, in jedem Orgasmus liege bekanntlich ein kleiner Tod, wie nicht nur Zizek weiß. Lust wiederum definiert der slowenische Philosoph vor allem als das Gegenteil von Ekel: wenn man einer Person zu nahe gekommen sei, trete dem Objekt des Begehrens gegenüber der Ekel auf, nicht der Schmerz, wie gemeinhin vermutet. Die Möbiussche Schleife sei es dann auch, die Richard Wagner in seiner stets ekstatischen Inszenierung des Liebestods verdunkle: wenn wir „die höchste Lust“ erreichen, in der etwa Isoldes tödliche Trance kulminiert, schlage Lust notwendig in Ekel um, so Zizek. Wer die Bayreuther Festspiele im letzten Jahr besuchen konnte, wurde Zeuge eines Vorgangs, der in der heutigen Zeit wohl nur sehr vage mit Liebe assoziiert werden würde, „Tristan und Isolde“ steht dieses Jahr zwar nicht am Programm der Wagner-Festspiele, dafür aber Lohengrin, Meistersinger und viele andere mehr. Unter der Voraussetzung dieses Ergebnisses, nämlich des Zizekschen Ekels vor dem Objekt der Lust, mag es vielleicht leichter fallen, dem absoluten Anspruch der Liebe in der Alltagswelt zu entsagen. Doch, wozu dann leben?

„In der Weigerung die eigene Sehnsucht zu gefährden, geht man bis zum Ende und nimmt bereitwillig den Tod an“. In Wagners Meistersingern werde dem entsagt, schreibt Zizek, vielmehr solle man die Erlösung in einer Art schöpferischen Sublimierung überwinden und „in einer Stimmung weiser Resignation zum `täglichen´ Leben symbolischer Verpflichtungen zurückkehren“. In Parsifal laute die Erfolg versprechende Gleichung zur Erlösung dann: „Die Wunde schließt der Speer nur, der sie schlug“. Es bleibe jedoch eine „Kluft“: wenn sich die Liebenden in „Tristan und Isolde“ auf die Wirkung des Zaubertranks verlassen, um sich endlich ihre Liebe gestehen zu dürfen, dann wird der symbolische Wert des „elisir d`amore“, das eigentlich aus schnödem Wein besteht, auf eine gute Ausrede reduziert. Sie können sich ihre Liebe nur gestehen, weil sie zwischen zwei Toden schweben: die magische Wirkung des Zaubertranks ist nichts anderes als die Suspendierung des „großen Anderen“, der gesellschaftlichen Moral, der Ehre und Eidesschwüre, nicht zuletzt der versprochenen Ehe mit wem anderen.

Die Oper „elisir d`amore“ von Gaetano Donizetti wird dieses Frühjahr von dem sehr schönen Teatro Verdi in Triest gespielt. Daneben steht auch die „Carmen“ von Georges Bizet auf dem Programm in der über die Liebe gesagt wird: „L´amour est un oiseau rebelle, (…)L´amour est enfant de bohème/il n´a jamais jamais connú de loi:/ si tu ne m´aimes pas, je t´aime;/si je t´aime, prends garde à toi!/“ „Des Glück is a Vogerl“ auf gut Wienerisch oder: die Liebe ist nur von kurzer Dauer und fliegt davon, wann sie will. Man bemerke, dass sie – die Carmen - ihre Warnung gleich zu Anfang der Oper ausstößt: „Mais si je t`aime prends garde à toi.“! (Aber wenn ich dich liebe, dann pass` auf Dich auf!) Don Josè wird Carmen im Verlauf der Handlung, im vierten Akt, erstechen und er kann dann später nicht behaupten, dass sie ihn nicht gewarnt hätte. Wahre Liebe kennt keine Grenzen, weder moralische noch sittliche, noch den Tod.

„Man wird beim Zuhören selbst zum Meisterwerk“ soll kein Geringerer als Friedrich Nietzsche beim Lauschen derselben Oper geäußert haben: „Die Musik scheint mir vollkommen. Sie kommt leicht, biegsam, mit Höflichkeit daher. Sie ist liebenswürdig, sie schwitzt nicht.“ Der Sergeant Don Josè, der eigentlich mit der blonden Micaela (Isobel Buchanan) verlobt werden sollte, wird Zeuge eines Auftritts der leidenschaftlichen Zigeunerin Carmen, die ihm provokant eine Blume zuwirft. Diese Geste, die ebenso zufällig wie austauschbar wirkt, versinnbildlicht wohl die Liebe, die sich ihre Opfer genauso wahllos aussucht. Und wer ihr zum Opfer fällt, muss eben bluten. Als Don Josè sogar seine Einheit verlässt und zu den Schmugglern wechselt, nur um seiner geliebten und verehrten Carmen näher zu sein, beginnt diese bereits sich mit ihm zu langweilen und sich für einen anderen, Escamillo, zu interessieren. Carmen, die von Prosper Merimée als Opfer ihrer eigenen Leidenschaften beschrieben wird, ist sich keiner Schuld bewusst, denn es ist die Liebe, die die Verantwortung trägt und alle unterwirft, wie ein rebellischer Vogel: „L´amour est un oiseau rebelle(…) L´amour est enfant de bohème“… Georges Bizet, der Ritter der Ehrenlegion, schuf ein Werk über „gewöhnliche“ Menschen und ihre Leidenschaften. Es gibt bei ihm keine Götter, Helden oder Geister, nur Arbeiter, Zigeuner und Soldaten.

Das Wunder der Liebe
In Anlehnung an Hegel reduziert Zizek dieselbe Gleichung, wie sich auch in „Carmen“ so überzeugend daherkommt, dann auf „Verlust=Befreiung“: es gehe nicht darum das Verlorene wiederzugewinnen, sondern den Verlust selbst als befreiend zu akzeptieren und zu empfinden. In jedem Verlust liege demnach die unerwartete Möglichkeit an den Punkt der falschen Entscheidung zurückzukehren und es diesmal richtig zu machen. Der Verlust ist also mehr eine Befreiung, denn eine Bestrafung, eher ein Zeichen des Lebens als des Todes und nicht zuletzt ein Freiwerden des eigenen bisher auf den anderen gebündelten Potentials zur Entfaltung einer neuen Sinnlichkeit und Kreativität. „Wenn der Kreis wieder geschlossen ist, wenn wir zum harmonischen Gleichgewicht zurückkehren, kommt das dann nicht der Rückkehr zum sicheren, schützenden Hafen des Weiblichen gleich?“ Dank also auch, an Carmen!

Ähnlich kapriziös verhält sich vielleicht auch die frouwe Roxanne in „Cyrano de Bergerac“, sie will die wunderschönen Worte, aber nicht den verkrüppelten Hanswurst, der sie verfasst hat. Zizek zählt noch viele andere Beispiele aus der Moderne auf, um uns zu den Worten zu tragen: „Wie die frouwe ist die femme fatale ein `inhumaner Partner´, ein traumatisches Objekt, mit dem keine Beziehung möglich ist, eine fühllose Leerstelle, die sinnlose, willkürliche Prüfungen auferlegt“. Das Wunder der Liebe geschehe dann dennoch in jenen seltenen Augenblicken, wenn der Geliebte, „eromenos“, sich in den Liebenden, „erastes“, verwandelt, in dem er seine Hand ausstreckt und Liebe „wiedergibt“. Das „Reale“ antworte in diesem Augenblick, der Status des Objekts des Geliebten wird verlassen und er wird nun für etwas geliebt, das „ein Mehr in ihm ist, als er ist“. Die Asymmetrie in der Beziehung eromenos/erastes definiert Zizek treffend so: „Der andere sieht etwas in mir und möchte etwas von mir, aber ich kann ihm nicht geben, was ich nicht habe“. Es gibt keine Beziehung zwischen dem, was der Geliebte hat, und dem, was dem Liebenden fehlt. Das „Handausstrecken“ des Geliebten zum Liebenden bezeichne den Punkt der Subjektwerdung, das Objekt der Liebe verwandele sich in ihr Subjekt, sobald es auf den Anruf der Liebe reagiert. Das Objekt der Liebe löst seine Verriegelung und erwirbt sich so den Status des Subjekts. Durch eine unüberwindbare Trennung – etwa eine gesellschaftliche Barriere - wird die Liebe, zum Beispiel in der Minne, dann zu einer absoluten.

Die Trennlinie – nämlich die an wen anderen versprochene Ehe - die Wagners Isolde anfangs zieht ist jene Schranke, die die Fiktion einer möglichen intakten Beziehung aufrechterhält. Die bestehende Barriere sorgt dafür, die Illusion der Möglichkeit einer Beziehung überhaupt erst aufrecht zu erhalten. Dadurch – durch das Bestehen der „künstlichen“, gesellschaftlichen Schranke – bleibt uns die Delusion des Nicht-Zueinander-Passens bis auf Weiteres erspart. Auf diese Weise – durch das Hindernis – bleibt aufrecht, was ansonsten längst getrennt wäre. Was uns trennt, verbindet uns gleichzeitig. Die Wunde schließt der Speer nur, der sie schlug oder: das Wunder der Liebe.


Weiterführende Literatur und Tipps:
Andras Batta: Opera. Komponisten, Werke, Interpreten. Könemann 1999
Slavoj Žižek: Der zweite Tod der Oper, Kadmos Verlag 2003
Slavoj Žižek: Die Metstasen des Genießens, Passagen Verlag 1996

http://www.bregenzerfestspiele.com
http://www.festwochen.at
http://www.bayreuther-festspiele.de
http://www.theater-wien.at
http://www.teatroverdi-trieste.com
http://www.teatroallascala.org/it/stagioni/2009_2010/opera-e-balletto/index.html
www.teatrolafenice.it
http://www.wiener-staatsoper.at

Für Verfilmungen von Opern sei an die “Sternstunden der Opern” herausgegeben von Arthaus Musik erinnert:
www.arthaus-musik.com


Einstell-Datum: 2010-03-07

Hinweis: Dieser Artikel spiegelt die Meinung seines Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung der Betreiber von versalia.de übereinstimmen.

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