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Morgenstund
Autor: Nope · Rubrik:
Kurzgeschichten

Ein stechender Schmerz und so ein komisches unbehagliches Gefühl liess mich blinzelnd aufwachen. Meine Schädeldecke fühlte sich an, als würde sie jeden Moment dem Druck nachgeben und mit einem lauten pflopf davonjagen. Was hatte ich gestern getan? Es war Sonntag, das wusste ich, denn gestern war Samstag. Ich war mit einigen Freunden in dieser komischen Absturzspelunke an der Postgasse. Aber dann? Wurde wohl ziemlich früh.
Damit war das Rätsel von den grauenhaften Kopfschmerzen wohl gelöst. Und die Frage von dem seltsamen Gefühl auch: Vor meinem Bett stand ein Typ, den ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte. Und er starrte mich an. Sonst machte er nichts. Er fixierte mich einfach nur mit einem Blick, als wollte er mich durch die Augen ans Kissen nageln. Oder kannte ich ihn doch? Braune Haare, etwa dreissigjährig, Dreitagebart, Anzug aber ohne Krawatte, schmale Schultern. Nein, definitiv nicht. Aber was machte er verdammt noch mal in meinem Zimmer? Hatte ich da irgendwas nicht mitgekriegt?
Jetzt erst fiel mir auf, dass das Zimmer irgendwie grösser geworden war. Die Lampe in der Zimmermitte hatte sich nicht verändert. Aber auch der Schrank hinter dem Typen gehörte mir nicht. Etwas genauer betrachtet gehörte mir das ganze Zimmer nicht. Auch die Unterhose, die ich aus irgendeinem Grund auf dem Kopf trug, gehörte mir nicht.
Der Adrenalinschub der Erkenntnis liess mich für eine Sekunde meinen Kater vergessen. Langsam sah ich nach links. Nichts. Nach rechts. Ein schlafendes hübsches blondes Mädchen. Immerhin. Und vor mir immer noch dieser Kerl der mich anstarrte. Er öffnete den Mund, als ob er irgendwas sagen wollte. Seine Lippen verliess aber kein Laut und so starrte er mich einfach nur mit offenem Mund fragend an.
Ich schlug die Bettdecke zur Seite und setzte mich auf. Bis auf die Unterhosen auf dem Kopf war ich offensichtlich irgendwie nackt. Ich klaubte meine Kleider zusammen, zerrte den Slip vom Kopf und warf diesen aufs Bett neben das Mädchen. Der Typ starrte mich immer noch mit verständnisloser Miene an. Ich zerrte das Kondom von meinem verschrumpelten Schwanz, drückte es dem Häuflein Elend in die Hand und verliess die Wohnung.
Im Treppenhaus zog ich mich an, nicht ohne damit eine alte Frau aufzuschrecken, die wohl nicht mit einem splitterfasernackten Mann in ihrem Treppenhaus gerechnet hätte.
Beim Verlassen des Hauses blickte in den Spiegel neben dem Eingang: Irgendwie sah ich ziemlich beschissen aus. Bleiches Gesicht, Bartstoppeln, zerknittertes Hemd, aufgequollene Augen, höchtswahrscheinlich tödlicher Mundgeruch. Auf der Stirn konnte man immer noch den Abdruck des Gummibands vom Slip erkennen. Schade. Den hätte ich behalten sollen.


Einstell-Datum: 2007-11-06

Hinweis: Dieser Artikel spiegelt die Meinung seines Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung der Betreiber von versalia.de übereinstimmen.

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