In Erwartung
Auf den Straßen herrschte das übliche Chaos. In den Amtsstuben machte sich die ganz normale Ratlosigkeit breit. Man hatte sich eigentlich gewissenhart vorbereitet. Vorräte eingekauft und gut trainiert. Jede Familie war auf alles gefaßt. Die Polizei rechnete mit dem Schlimmsten. Sogar die Armee war in Alarmbe-reitschaft versetzt worden. Der Regierungsprä-sident hafte extra seinen Urlaub unterbrochen. Die Kinder hatten eine Woche schulfrei be-kommen. Die Katastropheneinsatzpläne waren noch einmal in aller Ausführlichkeit in den Zei-tungen abgedruckt und im Fernsehen bespro-chen worden. Auch die Plakatwände zierte kein anderes Thema mehr. Zigarettenwerbung war out, Katastropheneinstimmung war in. Die Ge-sichtsausdrücke der Leute hatten die erforderli-che Anspannung. Man schüttelte öfter den Kopf, machte mit den Unterarmen öffnende und schließende Bewegungen. Verkniff die Lippen und verzog die Augenbrauen. Kaum einer ge-traute sich noch, sich ernsthaft zu betrinken. Denn jeden Moment konnte es passieren, konnte es losgehen.
Man hatte ja bisher schon so viel darüber gehört und gelesen. An allen Stammtischen gab es seit Wochen kein anderes Thema mehr. An den Bushaltestellen, in den Wartezimmern, in der Sauna und auf den Friedhöfen sprach man über nichts anderes mehr. Alle Nachrich-tensendungen waren darauf eingestellt: es gab Vorberichte, Prognosen und Expertengespräche auf allen Kanälen mit mehr oder weni-ger seriösen Zielvorgaben. Sogar ein Institut für kultivierten Exitus wurde gegründet und aus Steuermitteln finanziert. Beteiligung war das entscheidende Stichwort, war die Parole, war das Fee-ling. Die Bevölkerung war dermaßen diszipliniert auf das zu Erwartende eingestimmt, man plante nichts Längerfristiges mehr; man führte manchmal sogar schon ernsthafte Gespräche über die Zeit danach - falls es so etwas überhaupt noch geben würde. Eine Zeit da-nach, welch wagemutige Kategorie. Für viele war derartiges ohnehin nicht mehr reali^, stisch vorstellbar. Wie sollte das denn auch gehen. Das bevorstehende Ereignis würde alles un-barmherzig verändern, daß es auch kein Vorher mehr gegeben zu haben schien. Erinnerungen waren seit langem eigentlich nicht mehr erwünscht. Mit Rührseligkeiten konnte man das Kommende auch nicht mehr aufhalten. Sonder-kommandos marschierten regelmäßig auf. Die Bevölkerung war voll auf der offiziösen Linie. In den Stadtzentren ebenso wie in den Vororten war man auf alles gefaßt.
Nur dunkel konnte man sich noch an das letzte Mal erinnern. Eigentlich nur noch aus den Er-zählungen der Großeltem. Irgendwie war der Greuel für zu lange Zeit schon in weite Ferne gerückt. Man wollte es jetzt auch endlich selbst erleben. Die Praxis zählte auch in diesem Fall mehr als die Theorie. Zwar waren die Aussich-ten gering, daß man das Bevorstehende über-leben würde, aber das Risiko war alles wert. Wer es überlebte, der konnte etwas erzählen. Der konnte dann erzählen, wie es diesmal ge-wesen war. Aber das Monster kam nicht. Es hatte sich abgesetzt. Was sollten die Leute jetzt mit ihrer Katastrophenstimmung anfangen.
Auf den Straßen herrschte das übliche Chaos. In den Amtsstuben machte sich die ganz normale Ratlosigkeit breit. Man hatte sich eigentlich gewissenhart vorbereitet. Vorräte eingekauft und gut trainiert. Jede Familie war auf alles gefaßt. Die Polizei rechnete mit dem Schlimmsten. Sogar die Armee war in Alarmbe-reitschaft versetzt worden. Der Regierungsprä-sident hafte extra seinen Urlaub unterbrochen. Die Kinder hatten eine Woche schulfrei be-kommen. Die Katastropheneinsatzpläne waren noch einmal in aller Ausführlichkeit in den Zei-tungen abgedruckt und im Fernsehen bespro-chen worden. Auch die Plakatwände zierte kein anderes Thema mehr. Zigarettenwerbung war out, Katastropheneinstimmung war in. Die Ge-sichtsausdrücke der Leute hatten die erforderli-che Anspannung. Man schüttelte öfter den Kopf, machte mit den Unterarmen öffnende und schließende Bewegungen. Verkniff die Lippen und verzog die Augenbrauen. Kaum einer ge-traute sich noch, sich ernsthaft zu betrinken. Denn jeden Moment konnte es passieren, konnte es losgehen.
Man hatte ja bisher schon so viel darüber gehört und gelesen. An allen Stammtischen gab es seit Wochen kein anderes Thema mehr. An den Bushaltestellen, in den Wartezimmern, in der Sauna und auf den Friedhöfen sprach man über nichts anderes mehr. Alle Nachrich-tensendungen waren darauf eingestellt: es gab Vorberichte, Prognosen und Expertengespräche auf allen Kanälen mit mehr oder weni-ger seriösen Zielvorgaben. Sogar ein Institut für kultivierten Exitus wurde gegründet und aus Steuermitteln finanziert. Beteiligung war das entscheidende Stichwort, war die Parole, war das Fee-ling. Die Bevölkerung war dermaßen diszipliniert auf das zu Erwartende eingestimmt, man plante nichts Längerfristiges mehr; man führte manchmal sogar schon ernsthafte Gespräche über die Zeit danach - falls es so etwas überhaupt noch geben würde. Eine Zeit da-nach, welch wagemutige Kategorie. Für viele war derartiges ohnehin nicht mehr reali^, stisch vorstellbar. Wie sollte das denn auch gehen. Das bevorstehende Ereignis würde alles un-barmherzig verändern, daß es auch kein Vorher mehr gegeben zu haben schien. Erinnerungen waren seit langem eigentlich nicht mehr erwünscht. Mit Rührseligkeiten konnte man das Kommende auch nicht mehr aufhalten. Sonder-kommandos marschierten regelmäßig auf. Die Bevölkerung war voll auf der offiziösen Linie. In den Stadtzentren ebenso wie in den Vororten war man auf alles gefaßt.
Nur dunkel konnte man sich noch an das letzte Mal erinnern. Eigentlich nur noch aus den Er-zählungen der Großeltem. Irgendwie war der Greuel für zu lange Zeit schon in weite Ferne gerückt. Man wollte es jetzt auch endlich selbst erleben. Die Praxis zählte auch in diesem Fall mehr als die Theorie. Zwar waren die Aussich-ten gering, daß man das Bevorstehende über-leben würde, aber das Risiko war alles wert. Wer es überlebte, der konnte etwas erzählen. Der konnte dann erzählen, wie es diesmal ge-wesen war. Aber das Monster kam nicht. Es hatte sich abgesetzt. Was sollten die Leute jetzt mit ihrer Katastrophenstimmung anfangen.