Biographien Rezensionen Diskutieren im versalia-Forum Das versalia.de-Rundschreiben abonnieren Service für Netzmeister Lesen im Archiv klassischer Werke Ihre kostenlose Netzbibliothek

 



Save Ukraine!
Save Ukraine!


Love all Animals

 
Heldentat einer Mutter
Autor: S. Steinebach · Rubrik:
Erzählungen

Für Papa.
...

Maria hob ihren Kopf. Sie hatte vom Hof aus ein Geräusch gehört. Schnell lief sie ins Schlafzimmer, um zu sehen, ob Heinz, ihr einjähriger Sohn, noch schlief. Ein Blick ins Bettchen beruhigte sie, Heinz lächelte im Schlaf. Ebenfalls lächelnd ging sie zurück in die Küche. Da hörte sie wieder ein Poltern. Diesmal aus der Werkstatt ihres Mannes, der einen kleinen Schusterladen betrieb. Aus Russland vertrieben, hatten sie sich hier in Tilsit niedergelassen. Zurzeit - nach Abschluss des Versailler Vertrags - war es häufiger zu Unruhen in der Stadt gekommen. Ja, neulich hatten sie sogar den kleinen Kolonialwarenladen an der Ecke geplündert und die alte Frau, die ihn besaß, beinahe umgebracht.

Maria war also alarmiert. Vorsichtig öffnete sie die Tür zur Werkstatt. Was sie sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren! Wilhelm, ihr Mann, lag rücklings über seiner Schusterbank. Ein großes Messer steckte in seiner Brust. Sie hörte ihn röcheln. Sie widerstand dem Drang, zu ihm zu laufen, denn sie spürte, der Mörder war noch da. Schnell drehte sie sich um, lief ins Schlafzimmer und nahm vorsichtig den schlafenden Knaben aus seinem Bett. Sie öffnete den großen Eichenschrank mit der Wäsche und legte Heinz in eines der Fächer, immer hoffend, er würde nicht aufwachen. Und Heinz schlief tatsächlich tief und fest weiter, das rettete sein Leben.

Maria ging nun zurück in die Küche und bewaffnete sich mit dem Küchenbeil. Sie wollte nicht kampflos sterben, ihr Kind verteidigen. Als die Männer in den Raum stürmten, schrie sie aus Leibeskräften um Hilfe. Es nützte ihr nichts. Die Männer schändeten sie zuerst, ermordeten sie eiskalt und machten sich dann daran, alles Verwertbare einzupacken und näherten sich dem Schlafzimmer, in dem Heinz noch immer tief und fest im Schrank schlief. Heinz hatte wohl einen besonderen Schutzengel, denn just, als die Bande die Schlafzimmertür öffnen wollte, erschien endlich die Polizei und die Verbrecher flohen.

Wie war man doch entsetzt über die furchtbare Tat. Schamhaft breitete einer der Polizisten seine Jacke über den geschändeten Körper der jungen Mutter. Der Polizist weinte dabei. Sein Kollege kehrte aus der Werkstatt zurück und berichtete von Wilhelms Schicksal. Aber um Gottes Willen, wo war das Kind? Gepolter aus dem Schlafraum ließ sie die Beine in die Hand nehmen. Zunächst wussten sie nicht, woher es kam, aber dann hörten sie den kleinen Heinz dort im Schrank weinen. Erleichtert sahen sich die beiden Männer an und befreiten das Kind. Der Polizist, der Maria mit seiner Jacke bedeckt hatte, nahm den Jungen auf den Arm und bedeckte dessen Augen als sie an Marias Leiche vorbeigingen. Er brachte Heinz zunächst nach Hause zu seiner Frau.

Der Polizist hatte jedoch selbst schon sechs Kinder, das Kinderheim war überfüllt, was also war mit Heinz zu tun? Da hörte der Pfarrer von einem Heim im Ostwestfälischen, das noch Kinder aufnehmen konnte. So machte der kleine Heinz im Alter von einem Jahr eine lange Reise bis nach Ostwestfalen ins Kinderheim. Später wurde er von einer reichen Familie aufgenommen, aber nie adoptiert.

Seine Heimat hat er erst im Krieg wiedergesehen. Als Soldat in der Nähe stationiert, zog er Erkundigungen über sein Schicksal ein und traf eine Frau, damals Nachbarin, die sich noch gut an das schreckliche Ereignis erinnern konnte.

Auf diesen Erzählungen basiert diese Geschichte, die ja eigentlich auch meine ist. Denn Maria, die ihr Kind mit einer klugen Entscheidung retten konnte, war meine Großmutter.

S. Steinebach 2008


Einstell-Datum: 2008-09-16

Hinweis: Dieser Artikel spiegelt die Meinung seines Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung der Betreiber von versalia.de übereinstimmen.

Dieser Text wurde noch von niemandem bewertet.

 

Kommentare


Zu diesem Objekt sind noch keine Kommentare vorhanden.

Um einen Kommentar zu diesem Text schreiben zu können, loggen Sie sich bitte ein!

Noch kein Mitglied bei versalia?



Vorheriger Text zurück zur Artikelübersicht Nächster Text


Lesen Sie andere Texte unserer Autoren:
Das Fräulein vom Amt · Krieg oder Ursprung · Das Licht ·

Weitere Texte aus folgenden Kategorien wählen:
Anekdoten · Aphorismen · Erotik · Erzählungen · Experimente · Fabeln · Humor & Satire · Kolumne · Kurzgeschichten · Lyrik · Phantastik · Philosophie · Pressemitteilungen · Reiseberichte · Sonstiges · Übersetzungen ·

Anmelden
Benutzername

Passwort

Eingeloggt bleiben

Neu registrieren?
Passwort vergessen?


Neues aus dem Forum


Gedichte von Georg Trakl

Verweise
> Gedichtband Dunkelstunden
> Neue Gedichte: fahnenrost
> Kunstportal xarto.com
> New Eastern Europe
> Free Tibet
> Naturschutzbund





Das Fliegende Spaghettimonster

Ukraine | Anti-Literatur | Datenschutz | FAQ | Impressum | Rechtliches | Partnerseiten | Seite empfehlen | RSS

Systementwurf und -programmierung von zerovision.de

© 2001-2024 by Arne-Wigand Baganz

v_v3.53 erstellte diese Seite in 0.006594 sek.