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Die Pille
Autor: Helmut Schida · Rubrik:
Erzählungen

Ich hab mich bisher mit allen Unstimmigkeiten
meines unbedeutenden Lebens abfinden können:
Sehschwäche von Kindheit an,
Darmerkrankungen ungewisser Herkunft,
verbogene Nasenscheidewand,
eingewachsene Zehennägel,
ausgefallene Zähne und kein vernünftiger Ersatz,
fast keine Tränenflüssigkeit mehr usw. usw.
Eins davon genügt schon
um einem die Suppe gehörig zu versalzen.

Und jetzt meldet sich auch noch mein Pissvogel
zu Wort und teilt mir unverhohlen mit,
dass er nur mehr sehr eingeschränkt
seine ursprüngliche Härte erreichen kann.

Na das kann ja heiter werden!
Keine Weiber mehr ficken können
das hab ich mir in meinen finstersten Nächten
nicht träumen lassen.

Mit knapp 63 liegt das nicht mehr an der Psyche
da sind schon handfeste Abnützungserscheinungen
mit im Spiel – klar!
Aber auch dagegen soll ja bekanntlich
ein Kraut gewachsen sein: das Dreigestirn
Levitra – Viagra – Cialis.

Vorsichtig lese ich mich in die Materie ein
höre mich bei Freunden und Bekannten um
wobei ich Werbung, Prahlerei und Lüge
auszufiltern versuche.
Doch was übrig bleibt
ist auch nicht wirklich erhebend!
Die Nebenwirkungen sind’s
die mich vorerst nachdenklich stimmen
und Sex gar nicht mehr so erstrebenswert
scheinen lassen.

Bleibt noch der Gang zum Urologen
Den verschiebe ich Woche um Woche
dann Monat um Monat.
Schließlich setzt mir mein erheblich jüngeres
und sexuell recht aktives Eheweib immer mehr zu
sodass ich den Weg auf mich nehme.

„Ahh, Herr Funsero! Haben sie den jungen Burschen
der vor ihnen dran war, rausgehen sehen?“

“Hmm, ja, aber ich hab nicht so darauf geachtet.“

“Der ist um knapp 40 Jahre jünger als sie
und leidet an dem gleichen Symptom.
Bei ihm ist es aber psychischer Natur.“

“Das hab ich mir fast gedacht,
denn in seinem Alter konnte ich
Impotenz noch nicht einmal buchstabieren.“

„Aber zu Ihnen: Ich gebe ihnen hier gleich mal Viagra;
das nehme ich selbst, wenn einmal wegen
Schlechtwetters ein langes Wochenende mit meiner
Frau vor der Tür steht. Sie verstehen?“

Klar verstehe ich, er ist gut 10 Jahre jünger als ich
und mit Frau meint er sicher seine 24 jährige Freundin
der alte Knacker!

Er schiebt mir so eine Klarsichtpackung mit 4 Pillen
zum Rausdrücken über seine gläserne Tischplatte:
„Macht 60 Euro - wenn sie bitte gleich bezahlen!
Und versuchen sie zuerst einmal die Dinger
mit einem scharfen Messer zu zerschneiden.
Ich habe Patienten, die kommen mit einer
Drittelpille schon ganz schön in Fahrt.
Aber eines muss ich ihnen noch sagen:
“Die Frau muss sie auf jeden Fall heiß machen,
sie müssen geil auf sie sein, sonst klappt
das auch mit diesem Mittel nicht.
Also Fernsehen beim Verkehr ist gestrichen!“

„Klar, Doc!“

Ich löhne die 60 Mäuse
mach meinen Diener und bin draußen.

“Und lassen sie sich noch einen
neuen Termin für November geben,
da machen wir dann die Tumormarker,
das ist ein harmloser Bluttest.“

Ob sich mein müder Piepmatz zu Hause
jetzt mit der kleinen blauen Pille
seiner früheren Größe und Mächtigkeit erinnert
bleibt auf jeden Fall abzuwarten.


Einstell-Datum: 2006-04-05

Hinweis: Dieser Artikel spiegelt die Meinung seines Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung der Betreiber von versalia.de übereinstimmen.

Bewertung: 1 (1 Stimme)

 

Kommentare


Das ist Wolff
Kommentar # 1:
Autor: Wolff, 09.04.2006 um 22:59 Uhr


Ich hoffe, Du ersparst uns einen Bericht über den Ausgang!


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