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Der Ruderer
Autor: alehilz · Rubrik:
Kurzgeschichten

In der kleinen Nussschale war nur wenig Platz, kaum genug für einen ausgewachsenen Mann, kaum genug, um nachts zwischen den tosenden Wellen zu schlafen. Er ruderte schon lange – lange genug, um nicht mehr zu wissen, warum er eigentlich ruderte. Die gegerbte Haut klebte unmotiviert an seinen dürren Knochen, die ellenlangen Barthaare schienen hungrig. Schon bald sollte man das Schulterleder knarzen hören, wenn die einst stattlichen Ärmchen gegen die ewigen Wogen kämpfen.

Land? Ein leeres Wort.

Moment … irgendwo im tiefsten Winkel der Geisteskrankheit schlummert eine Erinnerung. Bunt und wohlriechend schläft sie dort – und lässt durch ihre schillernde Hülle den prachtvollen Garten Eden erahnen. Bäume? Gras? Steine? Blätter? Früchte? Sogar Marienkäfer? Je näher er an die Erinnerung ruderte, umso mehr Gefühle von einst vertrauten Dingen stoben ihm entgegen wie die Gischt von Sehnsucht. Er suchte sie zu wecken, sie mit seinem geistigen Auge zu verschlingen, all ihren Zauber zu inhalieren. Er langte und sehnte und strebte. Plötzlich stand er mitten drin.

Sein ganzer Körper erblühte unter den geschlossenen Lidern, die sich genüsslich gen Himmel streckten. Er war zurück in seinen besten Jahren, die Augen sahen wieder wie gestochen und waren erfüllt vom satten Grün der Landschaft. Er roch Rosen, spürte den Frühsommer auf der glatten Haut und lauschte dem Gespräch der Buchenblätter. Ein Reh spazierte gelassen über die Böschung, zwinkerte mit den Ohren und blickte ihn geheimnisvoll an. Ohne Scheu kam es näher, durchsuchte das Gras nach Essbarem und fand unterwegs zwei Pilze. Kauend stand es vor ihm, als wolle es eine Antwort auf eine nie gestellte Frage. Wieder zwinkerte es und genoss sichtlich das Licht im Fell. Nach einiger Zeit, da er keine Antwort zu geben imstande war, wandte es den Blick offenbar enttäuscht von ihm ab und ging vorüber. Mit dem letzten Härchen seines stummeligen Schweifes berührte das Reh den Handrücken, da brach die Erinnerung mit all ihrem Zauber in sich selbst zusammen. Es blieb schwarz.

Er öffnete leise seine Augen, gab der gnadenlosen See seine letzten beiden Tränen – und starb am bitteren Gift der Hoffnungslosigkeit. Von Osten zog ein Sturm auf.


Einstell-Datum: 2014-10-14

Hinweis: Dieser Artikel spiegelt die Meinung seines Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung der Betreiber von versalia.de übereinstimmen.

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