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--- Sein Werdegang
ArnoAbendschoen - 24.11.2021 um 23:24 Uhr
Schon mit acht oder neun Jahren sagte er, dass er später schreiben würde; eine Krankenschwester könnte es bezeugen. Sie antwortete dem kleinen Blinddarmpatienten: Dazu musst du erst noch viel lernen.
In seinen Zehner- und Zwanzigerjahren schlugen spezielle Schreibversuche – Erzählungen, Dramen – regelmäßig fehl und er brach sie alle ab. Dennoch schrieb er damals sehr viel: Tagebücher und Briefe.
Mit dreißig verhob er sich unter Prousts starkem Eindruck an einem autobiographischen Roman und kam nicht über zwei Dutzend Seiten hinaus. Noch mehr zu erleben, das erschien ihm vorerst wichtiger als darüber zu schreiben.
In seinen Dreißigerjahren ging er, damals in Hamburg lebend, noch immer viel aus, doch in den Zeiten von Aids verlagerte sich der Schwerpunkt: vom Erleben aufs Beobachten, Sublimieren. Am Ende des Jahrzehnts mühte er sich mit Kurzprosa und kleinen Erzählungen ab, angeregt von Robert Walser und Cesare Pavese. Er gönnte sich nach gut zwei Dutzend abgeschlossenen Texten erschöpft eine längere Pause.
Mit Mitte vierzig aufs Land gezogen und dort zwei mittelgroße Erzählungen verfasst, bevor die Produktion erneut für einige Jahre versiegte. Dann setzte sie unter dem Einfluss der Werke von Hans Henny Jahnn wieder ein, um bis heute anzuhalten. Nacheinander schrieb er in zehn Jahren drei Romane und eine lange Erzählung.
Mit Ende fünfzig kam sein Einstieg ins Internet und die Rückkehr zur kleinen Form: Skizzen, Schnipsel, Rezensionen. Er filetierte nun seine Romane, stellte Auszüge ins Netz, den Stil verbessernd.
Als Siebziger - und inzwischen wieder in Berlin - findet er es nicht der Mühe wert, weiter Ureigenes hervorzubringen und zu gestalten. Schier unendlich die Welt uns überlieferter Literatur, gewiss nicht zu überbieten, kaum zu erreichen in Qualität und Vielfalt. Darin kann er sich, sie betrachtend und ausdeutend, nun verlieren.
Kenon - 25.11.2021 um 23:23 Uhr
Ich lese gern aufrichtig verfasste Berichte von Menschen, die ihre Beziehung zum Schreiben darstellen. Von den großen Namen nimmt man ja gern an, dass sie irgendwann einmal zu schreiben angefangen und dann wie eine Maschine immer damit weitergemacht haben; auf etliche trifft das sicherlich auch zu. Normalsterbliche scheinen öfter Brüche in ihrem Schaffen zu haben, vor allem, wenn sie damit nicht ihr Brot erwerben mussten, durften oder konnten.
Der Text redet von einem “Er”, dabei weiß ich gar nicht genau, ob dieser mit seinem Verfasser identisch ist; vielleicht ganz, vielleicht nicht völlig? Auffallend ist natürlich, wie sich dieser “Er” immer wieder auf andere Vorbilder bezieht, wenn er in eine neue Phase des Schreibens kommt. Auch sonst frage ich mich häufiger bei Deinen Texten, wie viel tatsächlich biographisch und was eher Literatur ist. Kann ein Mensch so viel erlebt haben? Vielleicht – und vielleicht möchte er die Frage auch gar nicht beantworten.
ArnoAbendschoen - 26.11.2021 um 11:30 Uhr
Ja, doch, ist hier alles autobiographisch. Ich wollte nur dem ständigen "Ich" im Text aus dem Weg gehen. Auch sonst schöpfe ich überwiegend (nicht ausschließlich) die eigene Erinnerung ab. Doderer, den ich auch schätze, spricht als alter Mann irgendwo vom "schmählich Autobiographischen", das er nun zu vermeiden suche - ausgerechnet er. Seine geschiedene Frau wollte in seinen großen Romanen fast alle Figuren wiedererkannt haben.
Die genannten Autoren waren weniger Vorbilder als Anreger, in dem Sinn, dass die Atmosphäre bei ihnen und ihr persönlicher Zugriff auf Stoff einen Einfluss ausgeübt haben. Das ist dann ähnlich wie mit Musik oder Landschaft.
Ob ich wirklich so viel erlebt habe? Ich habe mich in ganz verschiedenartigen Milieus bewegt und bin sehr oft umgezogen, auch von Stadt zu Stadt.
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