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-- Medienkritik & Kommunikation
--- Zeigt her Eure Pronomen

Kenon - 13.09.2021 um 20:08 Uhr

Verbringt man einige Zeit in einer Organisation, in der gerade das sprichwörtliche, aus den USA importierte Woke-Playbook (“Alle Weissen sind Rassisten”, “Sprache schafft Realität”, “Stellen müssen nach Geschlecht, Sexualität, Hautfarbe, Herkunft etc. quotiert werden” usw. usf.) durchgespielt wird, kommt man unweigerlich auch zu den Pronomen, deren eigene bitte jeder benennen, zu denen man sich unaufgefordert bekennen soll, denn das würde nicht-binäre Menschen dazu ermutigen, zu ihren eigenen Pronomen zu stehen und diese zu “nutzen” (wie denn?). Also schreibt jeder, der sich dem neuen moralischen Imperativ beugt und ihn für eine gute Sache hält, jetzt seine Pronomen in seine Profile in den sozialen Medien und auch in alle Email-Signaturen. Da im Englischen nur von “He/him”, “She/her” usw. die Rede ist, reicht im Deutschen offenbar äquivalent ein “Er/ihn”, “Sie/ihr”. “Sein/ihm” usw. lässt man interessanterweise aus. Dahinter steckt sicherlich eine vollkommen nachvollziehbare Logik …

Mich erinnert dieses voreilige Pronomen-Zeigen an den Kindergarten: Da gab es hin und wieder Mädchen, denen eine fixe Idee eingefallen war, was der Rest der Gruppe zu tun habe. Erst die vollkommene Unterwerfung der Gruppe brachte den von ihrer Eingebung aufgeregten Mädchen Befriedigung: “Alle machen jetzt so und so”. Das kam mir damals schon nicht geheuer vor.

Heute bezweifle ich als philantroper Häretiker natürlich auch den Sinn der aktuellen Pronomen-Mode: Gefühlt 95+x% der Pronomen sind “Er/ihn”, “Sie/ihr”. Da wird nun also eine Information inflationär herausgehauen, die nur Tugendrauschen ist. Wie soll das jemanden ermutigen, der sich als nicht-binär versteht, wenn man ihm immer wieder unter die Nase reibt, dass er zu einer kleinen Minderheit gehört? Ich verstehe es nicht. Im direkten Umgang besteht ja sowieso gar keine Notwendigkeit, vom Gegenüber als “3. Person” zu sprechen, wir sind schließlich nicht irgendwo an einem Königshof, es heißt deswegen immer nur “Du/Dir/Dein” usw. oder man benutzt den Namen als Anrede; erst wenn ich mit anderen über eine Person spreche, kommt die “3. Person” ins Spiel, wie es auch in einem vorhergehenden Satz ersichtlich war ...

Die Pronomen-Mode sehe ich selbst noch als ziemlich harmlos an, im “Woke-Playbook” stehen ja viel scheußlichere Sachen, und trotzdem ist sie eine Mahnung, dass der Mensch die Versuchung totalitärer Ideen nicht überwunden hat. Totalitarismus muss nicht immer in Massenvernichtung enden, es gibt glimpflichere Verläufe. Als Kind habe ich nicht verstehen können, wie die Verbrechen des Nationalsozialismus und Kommunismus möglich waren, heute weiss ich es, weil ich im kleineren Maßstab vielfach gesehen habe, wie sich Menschen schier vom Himmel gefallenen Ideen beugen, die versprechen, für das einzig Gute auf Erden zu stehen: Menschen, die sich fügen und mitmachen – weil sie entweder selber an die Ideen glauben oder nicht riskieren wollen, persönliche Nachteile zu erfahren, wenn sie sich dagegen stellen. Manchmal kann so eine Idee schon in einer rigide ausgeführten Arbeitsmethode bestehen, welche das Leben, das außerhalb ihrer Regeln stattfindet, vollkommen negiert.

PS: Ich selbst habe mein “Antinomen” gewählt, verrate es aber vorerst niemandem.




ArnoAbendschoen - 18.09.2021 um 21:05 Uhr

Wo ich mich herumtreibe, scheint diese Mode noch nicht angekommen zu sein. So konnte ich vor einiger Zeit Folgendes in einem Literaturforum erleben: Ein gendersprachbeflissener junger Mann hatte sich ein auf -a endendes Pseudonym ausgedacht (kein existierender Vorname) und wurde daher unvermeidlich mit "Liebe -a" angesprochen, woraufhin er dann schon mal so richtigstellte: "Ich bin ein Kerl!!!"



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