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-- Lektüregespräche
--- April 2021

Kenon - 01.04.2021 um 11:27 Uhr

Charles Taylor - The Ethics of Authenticity (1991)

Manche Bücher werden mit der Zeit immer aktueller. Ich war in der Tat erstaunt, herauszufinden, dass “The Ethics of Authenticity” vom kanadischen Philosophen Charles Taylor bereits 1991 erschien, das Buch hätte auch von genau heute sein können.
Ein authentisches Leben zu führen ist das Ideal unserer Ära: sich keinen externen Forderungen nach Konformität zu unterwerfen, sich selbst zu finden und alles, was einen selbst betrifft, zu maximieren, wo immer es nötig erscheint auch mittels der Instrumentalisierung “der anderen” für die eigenen Zwecke. Wir leben in einer Welt voller Narzissten (um das zu erkennen, muss man nicht erst zu Instagram oder TikTok gehen, aber dort wird es besonders deutlich), die nur noch sich selber sehen, dabei sind sie gar nicht so frei und individualistisch, wie sie zu sein glauben, denn sie brauchen ja immer “die anderen”, um sich in ihnen zu spiegeln und ihre Aufmerksamkeit und Validierung abzuschöpfen. Auf diese Weise sind sie extrem abhängig und vermutlich recht häufig unglücklich. Charles Taylor verfolgt Gedankenlinien, wie sie bereits in Hegels “Phänomenologie des Geistes” (insbesondere im Abschnitt “Selbständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewußtseins; Herrschaft und Knechtschaft”) und dann nach ihm in Axel Honneths “Kampf um Anerkennung” gezeichnet sind. “The Ethics of Authenticity” ist ein schmales Buch, das trotzdem so viel wichtiges zu einem so zeitgemäßen Thema sagt. Beeindruckend ist für mich auch, wie Taylor die Entwicklung der Kunst in seinen Betrachtungshorizont einbezieht. So macht soziales Denken Freude.

“Die Kultur der Selbstverwirklichung”:

Zitat:

It seems true that the culture of self-fulfilment has led many people to lose sight of concerns that transcend them. And it seems obvious that it has taken trivialized and self-indulgent forms. This can even result in a sort of absurdity, as new modes of conformity arise among people who are striving to be themselves, and beyond this, new forms of dependence, as people insecure in their identities turn to all sorts of self-appointed experts and guides, shrouded with the prestige of science or some exotic spirituality.

“Der grundlegend dialogische Charakter menschlichen Lebens”:

Zitat:

The general feature of human life that I want to evoke is its fundamentally dialogical character. We become full human agents, capable of understanding ourselves, and hence of defining an identity, through our acquisition of rich human languages of expression.




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