Artikel 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland enthält zwei der schönsten Sätze unserer Verfassung, weil sie ethisch erhaben und edel für die Gleichheit aller Menschen, die hier leben, stehen:
Zitat:
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Niemand darf also wegen der oben genannten Merkmale benachteiligt oder bevorzugt werden; es wird also nicht nur negative sondern sogar auch positive Diskriminierung gesetzlich untersagt.
“Diversity Management” ist nun eine dieser wunderlichen neuen Disziplinen, bei denen man sich fragt, was eigentlich dahinter steckt. Unternehmen verspricht man auf Basis von Studien größeren Erfolg, wenn sie die “Diversität” in ihren Teams erhöhen, also dirigierend in die Teamzusammensetzung eingreifen, schlicht: die “Diversität managen” also “Diversity Management” betreiben. Das leuchtet schon irgendwie ein: Mal abgesehen davon, dass es ihn sowieso nur einmal gibt, hat der FC Bayern nicht fünfmal den Lewandowski im Kader sondern auch noch ein paar anders geartete Spielerpersönlichkeiten – und bei Spielen der polnischen Nationalmannschaft sieht man ja, dass ein Lewandowski allein keinen Titel gewinnt. Unterschiedliche Profile ergänzen sich und können Bestandteile eines starken Teams bilden; diese Art der Diversität scheint beim “Diversity Management” aber nicht gemeint zu sein. Eher geht es um die bewusste Gestaltung von Teamzusammensetzungen nach Merkmalen, die Artikel 3 des Grundgesetzes auflistet; beispielsweise kann sich ein Unternehmen das Ziel setzen, jetzt endlich genauso viele Männer wie Frauen (Kita, Schule) zu beschäftigen – und selbstverständlich auch umgekehrt (IT, Straßenreinigung), selbst wenn es davor Frauen oder Männer bei der Einstellung nicht bewusst negativ diskriminiert hat.
Wenn ich mir einmal erlauben darf, böse zu sein: “Diversity Management” gab es bereits im Dritten Reich – natürlich mit negativem Vorzeichen: Die Reduktion der Diversität war Staatsdoktrin und forderte Millionen Opfer. Die negative Diskriminierung der Menschen mit den “falschen” Merkmalen hatte eine positive Diskrimierung der Menschen mit den “richtigen” Merkmalen zur Folge – und andersherum, je nachdem, von welcher Seite man das Pferd aufzäumt.
Ein Unternehmen kann heutzutage, um seine Diversität zu steigern, bestimmte Bewerber eher berücksichtigen, weil sie in dieser Dimension mehr beizutragen haben. Sie haben dann eventuell das richtige Geschlecht, die richtige Sexualität, die richtige Heimat, die richtige Herkunft, die richtige Sprache um für noch mehr Vielfalt in einem Team zu sorgen. Das ist dann ganz sicher eine Form von positiver Diskriminierung. Wo es positive Diskriminierung gibt, ist die Kehrseite immer negative Diskriminierung, denn es gibt dann auch den Bewerber, der das falsche Geschlecht, die falsche Sexualität, die falsche Heimat, die falsche Herkunft, die falsche Sprache hat, auch wenn er sich für eine Stelle aufgrund seiner Persönlichkeit und Erfahrungen, seines Wissens und Talents gleich gut eignen mag.
Ein Unternehmen, das seine Diversitätskennzahlen vor allem auch für die Außendarstellung optimiert, mag sich dafür feiern, Arbeitnehmer aus 50, 90 oder gar 120 Ländern der Erde zu beschäftigen. Das sind sicherlich großartige Zahlen, die ein beeindruckendes kosmopolitisches Symbol abgeben – eine Firma als Spiegelbild der Erdgemeinschaft, aber wenn sich ein solches Unternehmen gleichzeitig dafür feiert, diese Arbeitnehmer mit Äpfeln zu versorgen, die nicht weiter als 80 Kilometer vom Arbeitsplatz entfernt gewachsen sind und die damit einen geringen ökologischen Fußabdruck haben, sehe ich hier schon einen Glaubwürdigkeitskonflikt: Die Mitarbeiter aus aller Herren Länder werden auch zahlreiche Flugreisen unternehmen, um ihre Heimatländer immer mal wieder zu besuchen und ihre Bekannten und Familien werden sie im Gegenzug auch gern in ihrem neuen Land besuchen wollen. Warum gilt für die Mitarbeiter nicht, was auch für die Äpfel gilt – oder umgekehrt?
Das Gegenteil von einem Fehler ist wieder ein Fehler – so heißt es. Das ist zugleich banal und doch sehr tief. Deswegen ist unser Grundgesetz in dieser Hinsicht so streng: Es untersagt, wie eingangs gezeigt, negative als auch positive Diskrimierung anhand der genannten Merkmale; daher bin ich gegenüber dem “Diversity Management” wie vielen anderen Erscheinungsformen des “woken” Zeitgeistes doch eher skeptisch eingestellt.