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-- Philosophie
--- Die binäre On-Off-Gesellschaft
Kenon - 24.02.2021 um 00:01 Uhr
Das Denken eines jeden Zeitalters ist immer auch geprägt von dessen maßgeblichen Erfindungen: Descartes und Leibniz haben versucht, die Welt als Maschine zu begreifen, Rassisten und Anti-Semiten des frühen 20. Jahrhunderts wären ohne Lehnbegriffe und -ideen aus der Mikrobiologie weitestgehend ohne Sprache und vielleicht auch ohne Programm geblieben; wir Jetztmenschen leben im Informationszeitalter, das sich auf die Macht der Computer gründet: immer schneller funktionierenden und komplexeren Schaltungen aus 0 und 1, Strom fließt / Strom fließt nicht - kurz “On/Off”. So hoch hinaus es auch gehen mag: Die Basis bildet dieses extrem einfache Prinzip.
Wir schalten unsere Computer (dazu zählen auch die schlauen Mobiltelefone) an und aus, öffnen und schließen Programme, verbinden uns mit dem Netz und trennen es, folgen und entfolgen Menschen auf sozialen Medien, schalten sie stumm oder blockieren sie. On und Off. Dazwischen gibt es nichts, weil alles andere keinen Sinn macht. Der zwischenmenschliche Umgang ist genauso simpel geworden: On oder Off. Wenn Du mich anstrengst, schalte ich Dich einfach ab und jemand anders an, falls mir dann langweilig wird. Es erfordert nur eine Eingabegeste an meinem Computer. Wir brauchen auch nicht mehr diskutieren. Wenn mir das, was Du erzählst, gefällt, höre ich gern zu, wenn nicht, bin ich weg, hört der Strom auf zu fließen. Off.
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Im Prinzip haben wir uns damit nicht sehr weit von Mani, der im 3. Jahrhundert lebte und einen strengen Dualismus von Gut und Böse, Licht und Finsternis als Weltbild propagierte, entfernt. Selbst die Moral ist binär geworden: Wenn Du nicht mit den Guten, den Einsen, den Angeschalteten, den Erwachten, den Woke Persons übereinstimmst, kannst Du nur ein Böser, eine Null sein. Soll man diese - oberflächlich betrachtet - ein wenig grausame Zuweisung annehmen? Man kann, aber dann spielt man ein fremdes und nicht das eigene Spiel. Wenn die Einsen irgendwann alle Nullen eliminiert oder selbst zu Einsen gemacht haben, werden sie sehen, dass sie in einer sehr dürftigen quasi toten Welt mit äußerst geringem Informationsgehalt leben bzw. sterben. Auch eine Null hat im Binärsystem ihren Wert und Nutzen, sie steht der Eins in nichts nach.
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