Das Binnen-I, welches erfunden wurde, um die deutsche Sprache geschlechtergerechter zu machen, gibt es bereits seit 1981. Ungeachtet seiner spezifischen typographischen Form - und es gibt einige Formen, die es annehmen kann -, war es schon immer ein hässliches Ungetüm, das sich im Namen einer besseren Welt an die Worte gehängt hat: wie ein Pickel, der über Nacht gewachsen ist und plötzlich ein Leben für sich beansprucht. Man lebt heute leider in einer Welt, in der es einem immer wieder begegnet. So zum Beispiel auch in einem frisch erschienen Buch bei Suhrkamp:
Zitat:
“Auf diese Art werden all jene entrechtet, die seit Langem mit der Analyse dieser Probleme betraut sind, seien sie Expert:innen, Aktivist:innen, Akademiker:innen, Gewerkschaftler:innen, Journalist:innen oder Politiker:innen”.
Wer ist denn dieser “Expert”? Warum ist der “Aktivist” in der Einzahl, die “Aktivistinnen” aber in der Mehrzahl - das gleiche beim “Journalist”? Ist das jetzt tatsächlich eine gerechtere Sprache? Oder ist das einfach nur exklusiv konstruierter Blödsinn, von einer fürchterlichen Ästhetik, der die Sätze in die Länge zieht, ohne ihnen zusätzlichen Inhalt zu geben?
Der Statistik nach stehen 224 gegen 194 Zeichen:
Zitat:
Auf diese Art werden all jene entrechtet, die seit Langem mit der Analyse dieser Probleme betraut sind, seien sie Experten, Aktivisten, Akademiker, Gewerkschaftler, Journalisten oder Politiker.
Das kann ich lesen und verstehen - und hey, ich denke dabei nicht nur an Männer!
Mit diesem perfiden Gender-Trick kann man ein an sich dünnes Büchlein etwas strecken und seinen recht hohen Preis vielleicht besser rechtfertigen. Wertvoller wird es dadurch natürlich nicht. (Wen es interessiert: Das Zitat stammt aus Adrian Daub: “Was das Valley denken nennt: Über die Ideologie der Techbranche”). Wenn mich das Geschwurbel auf den ersten Seiten nicht sowieso schon abgeschreckt hätte: Wenn überhaupt, würde ich mir doch lieber das englische Original kaufen, denn in der englischen Sprache gibt es diese “Pickel” nicht, da spielt man höchstens einmal mit den Personalpronomen: “The pharmacist went around the corner. She now found herself in the Street of Fatuousness”, was ich witzig finde und mir gern gefallen lasse. Auf Deutsch funktioniert es natürlich nicht, da wir nicht nur geschlechtsneutrale Artikel benutzen. Dafür hat man im englisch-sprachigen Raum andere Gebiete identifiziert, welche der Sprachreform bedürfen. So sind plötzlich Blacklist, Whitelist, Master, Slave nicht mehr wertfreie technologische Begriffe, sondern sollen als diskriminierend verstanden werden, damit sie selbst diskriminiert werden können. Aus Blacklist soll Blocklist werden, aus Master Main usw. usf.. So einfach ist es, eine gerechtere Welt zu schaffen! Tausende Gratis-Mutige springen auf den neuesten Zug auf, morgen, übermorgen dann wieder auf den nächsten. Ihr seid Helden: Auf der richtigen Seite der Geschichte.
Ist denn auch “stateless” ein böses Wort, weil es nicht nur “zustandslos” meinen kann sondern auch “staatenlos”? Muss es künstlich ersetzt werden? Ich fürchte: Ja. Und sollte Black Friday nicht lieber Block Friday heissen? Liebe Sprachverbesserer:innen, bitte! macht unsere Sprachen inklusiver, sauberer. Macht, was ihr wollt. Eurer Willkür seien keine Grenzen gesetzt, denn eure Sache ist ja gerecht. Die Sprache gehört zwar all jenen, die sich ihrer bedienen und bedient haben, sie ist persönliches Eigentum als auch Gegenstand sozialer Verhandlungen der Menschen untereinander, aber darauf kann die Diktatur des Besseren keine Rücksicht nehmen. Das ist vollkommen klar.
Aber folgendes ist mir noch klarer. Sprache ist wie ein Fluss: Sie sucht sich die einfachsten Wege. Sie ist wie ein Stein, über den viele Jahre viele Menschen schreiten und der so ganz glatt wird. Ein Binnen-I als künstliche Verkomplizierung kann sie nicht akzeptieren. Es schadet dem ästhetischen Empfinden, der Verständlichkeit - aber am schlimmsten: In gedruckter Form ist das Binnen-I sogar umweltschädlich und trägt dazu bei, dass wir unseren Planeten noch schneller zerstören, weil es mehr Ressourcen benötigt.
Wollt Ihr Sprachverbesserer:innen wirklich solche Umweltschwein:innen (nichts gegen Schwein:inne, aber man sagt es so …) sein???