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-- Medienkritik & Kommunikation
--- Wie man Zuschauer manipuliert

ArnoAbendschoen - 16.11.2020 um 01:19 Uhr

Ich habe es schon wieder getan: mich mit einer Internet-Autorin gezankt. Es ging um Corona und die mehr oder weniger nützlichen staatlichen Maßnahmen dagegen. Dazu jetzt nichts weiter, ich will auf etwas anderes hinaus. Die Kollegin, die sonst schon mal von „dubiosen Kanälen“ spricht, wenn sie öffentlich-rechtliche Sender meint, empfiehlt uns in der Arte-Mediathek eine Sendung „Corona – Sicherheit contra Freiheit“. Ich sehe mir das an und finde gut fünfzig Minuten lang einen Gemischtwarenladen, in dem sich jeder bedienen kann. Unverkennbar ist jedoch eine insgesamt dissimulative Tendenz: alles zerreden, bis nicht mehr viel übrig bleibt von den Gefahren der Pandemie. Es gibt doch so viel anderes Bedrohtes, Schützenwerteres …

Ein Musterbeispiel für manipulative Technik findet sich ab Minute 9.40 der Dokumentation. Da wird dem Zuschauer aus dem Off flugs eine Statistik um die Ohren gehauen: Angst wegen Corona empfinden nach einer Umfrage in Deutschland 37 % der Befragten, dagegen in Frankreich fast 70%. Die vertrauenerweckende Stimme fährt fort: „Die Angst steht in keinem Verhältnis zu den Opferzahlen.“ Und hurtig weiter im Text, neuen Ufern entgegen. Ich aber halte inne: Wie bitte, wie meinen die das? Frankreich hat relativ gut viermal so viele Corona-Tote wie Deutschland – also rechne ich: 37 mal 4 = 148% - ein absurdes Ergebnis! Also andersrum: 70 geteilt durch 4 = 17,50%. Kommt das den Erwartungen der Dokumacher an die Statistik schon näher? Gut möglich. Aber natürlich ist das alles Humbug. Die Befürchtungen müssen nicht mathematisch passgenau den Opferzahlen entsprechen. So stimmt es: In Frankreich waren bisher mehr Opfer zu beklagen, daher sind die Ängste in der Bevölkerung weiter verbreitet.

Der Zuschauer aber empfängt im schnellen Wechsel von Bildern und Kommentar nur die eine Botschaft: „Die Angst steht in kaum einem Verhältnis zu den Opferzahlen.“ Genauso funktioniert Manipulation des Zuschauers. Und durch das „kaum im Verhältnis“ sichert man sich schon mal ab, falls doch einer den Braten riechen sollte. Also doch „dubiose Kanäle“? So weit würde ich nie gehen. Trotzdem danke an die Kollegin für den Fund.




ArnoAbendschoen - 16.11.2020 um 11:55 Uhr

Nur damit keiner meckert: Das Zitat aus der Sendung lautet wörtlich so: "Die Angst steht kaum im Verhältnis zu den Todeszahlen." Sachlich ändert es nichts.



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