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-- Aesthetik
--- Departure - Film von Andrew Steggall

ArnoAbendschoen - 20.10.2019 um 11:47 Uhr

Dieses Vier-Personen-Drama von Andrew Steggall, herausgekommen 2016, ist ein sehr beachtlicher Debütfilm. Die Engländerin Beatrice (Juliet Stevenson) besucht zum letzten Mal ihr Ferienhaus in Südfrankreich, um es zu räumen. Sein Verkauf ist ein Vorzeichen für das nahende Ende ihrer wenig glücklichen Ehe. Begleitet wird Beatrice von ihrem Sohn Elliot (Alex Lawther), fünfzehn Jahre alt, geistig frühreif, will Schriftsteller werden. Er fühlt sich bald zu dem nur wenig älteren Pariser Clément (Phénix Brossard) hingezogen, der im Dorf untergebracht wurde, während seine Mutter in Paris im Sterben liegt. Die Handlung pendelt einige Zeit zwischen melancholischem Entrümpeln des Hauses und sich vortastender Annäherung der beiden Jungen. Sie spitzt sich zu, als Elliots Vater (Finbar Lynch) nach Frankreich kommt. Am Ende des Films sind die absehbar gewesenen Entwicklungssprünge vollzogen und weitgehend akzeptiert.

Was den Filmemacher Steggall angetrieben hat, kann man mit den Begriffen Fatum und Fluidum umreißen. Ihn interessieren gesetzmäßige Abläufe innerhalb zwischenmenschlicher Beziehungen, die unvermeidlichen Krisen und wie sie sich atmosphärisch erst ankündigen, dann manifestieren. Ästhetisch ist das rundum gelungen mit kraftvoll-schöner Bildersprache und knappen, immer den Kern treffenden Dialogen. Die Handlung ist stets eingebettet in Landschaft und Architektur der Provence. Tragende Rollen spielen neben den vorzüglichen Schauspielern auch die Inneneinrichtung sowie ein Hirsch, der (vielleicht) angefahren wurde und vor allem das Element Wasser. Verstärkt wird der Charakter eine „Wasserufergeschichte“ noch dadurch, dass die Handlung immer wieder mit derjenigen von Dvořáks Oper „Rusalka“ synchronisiert wird. Diese Querverweise kann der Zuschauer entschlüsseln, wenn er will, notwendig ist es für die starke Wirkung des Streifens nicht. Das gilt ebenso für Zitate aus Xavier Dolans Erstling „I Killed My Mother“. Kluge Kritiker wollen sogar herausgefunden haben, dass die Figur des Clément Parallelen zum Gast in Pasolinis „Teorema“ aufweist.

Die Gefahr, überfrachtetes Kunstgewerbe zu produzieren, lag für einen jungen Regisseur bei so hochgespannten Absichten nahe. Steggalls Film ist es in keiner Sequenz geworden, sondern fast schon ein (gar nicht so kleines) frühes Meisterwerk.




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