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-- Lektüregespräche
--- Februar 2019

Kenon - 17.02.2019 um 23:54 Uhr

Thomas Paulsen - Geschichte der griechischen Literatur

Der Don Quijote unserer Zeit reitet nicht mehr auf einer Rosinante. Er durchstreift die Metropolen unserer globalisierten Welt mit einer analogen Spiegelreflexkamera, entwickelt die Bilder in einer Dunkelkammer während er alt-griechische Vokabeln vor sich her summt, stets bemüht, der wundervollen Phonologie gerecht zu werden (die er sich schlechten Gewissens auch durch YouTube-Videos anzueignen versucht, die Kontroversen in den Kommentaren darunter blendet er geschickt aus). Die Bilderabzüge klebt er in schwere Alben, die er niemandem zeigt und in einem Kellerraum verwahrt. Er kämpft nicht mehr gegen Windmühlen, sondern gegen Smartphones, Autos und viel zu oft auch gegen Hundehaufen. Der Don Quijote unserer Zeit ist immer noch ein rückwärtsgewandter Mensch, der nichts zur gesellschaftlichen Produktion beiträgt. Er weiß nichts von seinem Vorfahren, wie ihn Cervantes beschrieb. Literarisch, kulturell schaut er noch weiter zurück. Er liest Straton im Original und ergötzt sich an Antinoos-Büsten. Deswegen braucht er sich auch keine Dulcinea erdenken.

Zitat:

Je mehr das Interesse an den Wurzeln unserer abendländischen Kultur dem Monstrum Zeitgeist zum Opfer zu fallen droht, desto wichtiger ist es, daran zu erinnern, dass diese Kultur durch die griechische und römische Antike ihre Prägung erhielt (...)

Paulsens Buch ist ein gut geschriebener Überblick über die Geschichte der griechischen Literatur. Sicherlich könnte er noch viel breiter ausfallen, aber das muss er gar nicht. So gewinnt der Geist Zeit, sich mit den originären Werken zu befassen.




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