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-- Lektüregespräche
--- Oktober 2018

Kenon - 04.10.2018 um 00:11 Uhr

Marcel Proust - Combray

Vor fast 15 Jahren habe ich das Buch schon einmal gelesen. Damals war ich vielleicht ungeduldiger mit ihm, heute sehe ich mehr den Menschen, der es verfasst hat, wie er seine tiefe Innerlichkeit veräußert, damit sie in anderen Inneren wieder eine Art Leben werden kann. In “Combray” legt Proust die verkrampfte Engstirnigkeit, mit der sich die Menschen seiner Umwelt die Tage erschweren, bloß. Er durchschaut ihre müden Reden, einfältigen Absichten, ihre ganze klägliche Geistlosigkeit.
Was bleibt ihm denn in diesen Kreisen? Die Schönheit des Kirchturms, des Weißdorns, der Literatur und natürlich v.a.m.


Serhii Plokhy - Lost Kingdom: The Quest for Empire and the Making of the Russian Nation

Die Geschichte Russlands ist in weiten Teilen eine Geschichte des Landraubes, der Unterdrückung, der Umsiedlung und Ausrottung ganzer Völker. Gewalt hat das Land geschaffen, Gewalt hält das Land zusammen. Diese Geschichte ist niederschmetternd - gerade auch vor dem Hintergrund ihrer jüngeren Ereignisse. Der blutrote russische Faden wird immer weitergesponnen: von immer anderen Leuten mit immer anderen Namen und immer anderen Gesichtern; aber es gibt mit sich emanzipierenden Nachbarländern wie Georgien und der Ukraine auch Hoffnung, dass man ihn ausdünnen kann, bis er irgendwann reisst.

Zitat:

Mongol rule over what are now the Ukrainian and Belarusian lands was largely indirect, lasting only a few decades. Those lands eventually found themselves under the control of the Grand Duchy of Lithuania and the Kingdom of Poland. Farther north and east, the situation was different. The Mongols established strict control over northeastern Rus’, which in time would become a predominantly Russian land.




ArnoAbendschoen - 04.10.2018 um 21:13 Uhr

Führe mich doch bitte nicht in Versuchung, Kenon, mich noch einmal intensiv auf Proust einzulassen. Jahrzehnte habe ich benötigt, mich von meiner ursprünglichen Proustomania zu befreien. In den 1980ern gab es lange keine Reise, auf der ich nicht einen Band der "Recherche" mitnahm, um abends oder auch mal tagsüber zwischendurch einige Seiten darin zu lesen. Ja, ein großartiger Riesenroman, dennoch mit Eigentümlichkeiten behaftet, die einen im Lauf der Zeit Abstand gewinnen lassen können.

Verrate uns doch bitte noch, welche Übersetzung du jetzt liest, falls nicht das Original. Es gibt ja inzwischen mindestens drei Übertragungen ins Deutsche. Meine ist noch die von Frau Rechel-Mertens.

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön




Kenon - 04.10.2018 um 23:40 Uhr

Natürlich, diese Romane fressen Zeit. Dass ich gerade jetzt das Buch noch einmal lese, ist ein Zufall. Es lag bei einem Bekannten herum, der es nicht über die Seite 100 lesen mochte. Es ist genau die Übertragung von Rechel-Mertens. Ich weiß nicht, was andere geleistet haben. Mir reicht die Sprachqualität vollkommen aus. Seltsamerweise ist es die Erstauflage von 1981, obwohl das Taschenbuch wie neu wirkt. Da habe ich schon andere Suhrkamp-Bücher gesehen, die ungelesen fast auseinanderfielen und schon vergilbt waren, sicherlich ohne 30 Jahre irgendwo im sonnigen Schaufenster gestanden zu haben.



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