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--- Man muss das Leben lieben

Kenon - 13.02.2017 um 23:57 Uhr

Nun – was soll man machen? Man macht es noch einmal und einmal. Jeden Tag dasselbe. Noch einmal und einmal. Was soll man machen? Man muss es mögen. Und weiß ja doch: Nichts muss man mögen, nichts. Also, was soll man machen? Jeden Tag die selben Gesichter. Aneinander gereiht, auseinander gegangen. Noch einmal und einmal. Die selben Gesichter, die gleichen Sprüche, ähnliche Bewegungen, etwas variiert die Kleidung, immer wieder Autokrach, Vogelkrach, Kinderkrach, nichts als Krach, den ganzen Tag Krach: Nachbarkrach, Fernsehkrach, Ehekrach, Dauerkrach. Das ließe sich alles automatisieren. Roboter, die miteinander sprechen, sich kräftig ankrachen, stunden-tage-monate-lang, für immer Zeichen geben, sich gegenseitig überflüssig machen wie ihre Schöpfer sich selbst. Schnell, schneller. Dumpf, dumpfer. Schon lange ist die Gitarre nicht mehr richtig gestimmt worden. Schmutzige Finger mit schiefen Nägeln schürfen über die rostigen Saiten (puuuh!). Die Töne klingen wie dunkles Blut, vielleicht auch ein wenig heller, ich will nicht unbedingt negativ sein. Auf jeden Fall ist es die Melodie, die ich schon gestern, vorgestern, vor Jahren spielte. Was soll man machen? Man macht es noch einmal und einmal. Jeden Tag dasselbe. Noch einmal und einmal. Was soll man machen? Man muss das Leben lieben, sonst liebt es einen nicht. Sonst liebt es einen nicht.



ArnoAbendschoen - 14.02.2017 um 10:45 Uhr

Formal recht ansprechend. Der Titel ließ mich einen moralischen Imperativ befürchten, das war unbegründet. Nun kommt mir der Schluss ein wenig utilitaristisch vor. Ob das ein wirksames Rezept ist, einem am Leben Leidenden zu sagen, er müsse das Leben eben lieben? Ist zu bezweifeln.

Den kausalen Zusammenhang an sich sehe ich schon, doch scheint er mir nicht von einem Willensakt abhängig zu sein. In ihm könnte sich vielmehr der Grad von Vitalität des Individuums widerspiegeln. Insofern ist der vom Leben Geliebte dann eben doch gezwungen, es zu lieben.

Man könnte über diese Frage so lange und so ergebnislos diskutieren wie über den freien Willen.




Itzikuo_Peng - 14.02.2017 um 12:17 Uhr

Ja, ein Text, mit dem ich was anfangen, sprich: ihn lesen und gut finden kann, besonders die Passage mit der Gitarre. Der letzte Saitenaufzug auf meiner geliebten 12-Saitigen ist x Jahre her. Schande. Warum durchbricht man das nicht? (Antwort: Weil´s auf der Rangfolge der vermeintlichen oder auch existenziellen To-Dos an Stelle 123 rangiert, weil man nicht Terminator, Conan, die Märchenfee oder ein sonstiges Fabelwesen ist, weil der Tag nur 24 Stunden hat und die eigene Energie begrenzt ist usw.)

Ich habe ja mal in Anlehnung an den Buchtitel eines zeitgenössischen Unterhaltungskünstlers, abgewandelt für mich, fabuliert: Du musst dein Leben entern. Sagt sich so leicht, wenn die Mühlen müllern und die Kracher krachen.

Allein schon Luxus, die Muße zu finden, ein paar halbwegs vernünftige Zeilen zu schreiben und zu posten. LUXUS! Und wenn´s auch nur Beschreibung des individuellen, täglichen Jammer- oder Freudentals ist.




Kenon - 26.02.2017 um 09:54 Uhr

Vielen Dank für Eure Kommentare.



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